Eishockey Sascha Benes
Sascha Benes (Mitte) hat "Meistens die Drecksarbeit gemacht", ist "dorthin gegangen, wo es wehtut".
GEPA/Franz Pammer

Als der Eishockeystürmer Sascha Benes am 27. Dezember 1997 im Bundesligaspiel zwischen dem KSV und dem KAC in der Kapfenberger Eishalle zum Tor stürmte, übersah er den von der Bank kommenden Klagenfurter Christian Sintschnig. Es kam zu einem heftigen Zusammenprall. "Ich habe alles mitbekommen. Wusste in der Sekunde, als es passiert ist, was ich habe." Der damals 24-jährige Wiener war plötzlich vom Hals abwärts gelähmt. Geistesgegenwärtig hat er den Ersthelfern die Anweisung gegeben, ihn nicht zu bewegen, bis der Notarzt kommt und ihn stabilisiert. "Es hat relativ lange gedauert, ich lag fast eine halbe Stunde am Eis, habe mir dadurch – vermute ich – ein bisschen Restbewegung erhalten."

Später hat ihn Sintschnig auf der Intensivstation besucht. "Ich war ihm nie böse, es war überhaupt kein Problem für mich, weil es ein Zusammenstoß war", sagt Benes. Es folgte eine intensive Rehabilitation über mehrere Monate. Dabei hat er sich mitunter dermaßen ausgepowert, dass er schon am späteren Nachmittag ins Bett fiel und bis zum nächsten Morgen durchschlief. "Der größte Erfolg ist schon mal, dass ich selbstständig atmen und eingeschränkt meine Arme benützen kann, sodass ich mit einem Elektrorollstuhl fahren kann", sagt Benes. Selbstständig essen und trinken? "Das geht leider nicht."

An kleinen Dingen erfreuen

Benes hat ein Jahr nach dem Unfall geheiratet. Seine Frau Esther kümmert sich 24 Stunden am Tag um ihn. "Dass sie das aushält. Es geht praktisch gar nicht, dass man mal aufeinander angefressen ist, weil ja alles weiter funktionieren muss. Ich habe ein Riesenglück mit ihr. Wenn ich sie nicht hätte, wäre ich sicher in einer speziellen Einrichtung."

Wie beschwerlich der Alltag für ihn und seine Frau ist, lässt sich erahnen. Er sagt: "Es ist okay, ich erfreue mich an den kleinen Dingen, bin froh, wenn mein Sohn Chenoa von der Arbeit heimkommt und wir Zeit miteinander verbringen. Wir gehen fast täglich mit dem Hund spazieren und plaudern viel. Das ist sozusagen mein Lebenselixier." Der 20-jährige Chenoa ist dreifacher BMX-Staatsmeister, betreibt diesen Sport aber seit Maturazeiten nur mehr hobbymäßig. Trainiert wird er von seinem Vater.

In der Tschechoslowakei

Benes hatte seinerzeit beim Wiener Eislaufverein (WEV) das Spiel mit der Scheibe begonnen, nicht zuletzt deshalb, weil sein Großcousin und Nationalteamgoalie Fritz Prohaska in den 70er-Jahren beim WEV das Tor gehütet hatte. Mit zehn ist Benes aber bereits viermal die Woche zu Trainings und Spielen nach Brünn in die damalige Tschechoslowakei gefahren. "Das war ein totales Novum, dass ein westlicher Spieler dort in der Mannschaft mitspielen durfte, das war damals ja noch kommunistisch." Er pendelte drei Jahre, ehe er nach Brünn übersiedelte. "Das war nicht immer einfach. Aber was macht man nicht alles für den Sport?" Danach folgten drei Jahre in Prag, wo er für Slavia und Sparta spielte, ein weiteres Jahr in Brünn, ehe er mit 18 zurück nach Österreich und zum EC Salzburg in die zweitklassige Nationalliga wechselte. Die weiteren Stationen waren Zeltweg, Wien und Kapfenberg.

Mit dem EC Wien wurde er Vizemeister in der damaligen Alpenliga. Zu seinen Höhepunkten gehörten auch die Spiele gegen ZSKA Moskau, Sparta Prag und Slovan Bratislava im Rahmen der Euro-Liga, dem Vorgänger der Champions League. "ZSKA wurde damals noch von Wiktor Tichonow trainiert, der als bester Trainer der Welt galt." Es sei sehr cool gewesen mit Weltstars wie Konstantin Kuraschow am Eis zu stehen. Die Erfolgsaussichten waren freilich bescheiden. "Wir sind geprügelt worden."

Benes galt als eher unangenehmer Gegenspieler. Manch einer nannte ihn daher "den Wahnsinnigen" oder "den Irren". "Eigentlich war ich eh ein Lieber", sagt er. "Aber ich habe halt meistens die Drecksarbeit gemacht. Ich bin dorthin gegangen, wo es wehtut." In der Euro-Liga landete er damals unter den Top Vier der Bad Boys. "Das hat sich so ergeben, weil ich nicht zurückgesteckt habe. Wir haben um einen Pappenstiel gespielt, aber alles riskiert."

Realismus und Märchen

Hoffnung auf eine Verbesserung seiner Lebensumstände macht sich Benes nur bedingt. "Ich bin jetzt zufrieden, was ich kann. Ich bin ein Realist und weiß, was möglich ist. Am Anfang gab es diese Märchen, wenn du viel trainierst, dann schaffst du es, dass du wieder gehen kannst." Das könne aber nur im Falle einer inkompletten Querschnittlähmung funktionieren und nicht bei ihm. "Die Fantasien, dass ich wieder einmal gehen kann, die lebt nur Norbert Hofer aus, der glaubt, dass er das nur mit seinem eisernen Willen geschafft hat."

Mittlerweile könne er sich gar nicht mehr vorstellen, wenn sich medizinisch etwas weiterentwickeln würde und er wieder "normal" wäre, was ihm von der Muskulatur her fehle und wie schlimm die Verkürzungen wären. "Ich würde wahrscheinlich nur mehr schreien vor Schmerzen."

70.000-Euro-Arm

Fortschritte auf der technischen Seite und die künstliche Intelligenz lassen Benes hoffen. Unlängst durfte er einen Roboterarm testen, den er mit Joystick vom Rollstuhl aus steuern kann. Vorteil: "Man kann selbst essen und trinken." Nachteil: "Der kostet noch ein Vermögen, rund 70.000 Euro."

Weil es mit dem Rollstuhl "bei Regen und Schnee problematisch" ist, hat die Familie Benes in Alicante an der Costa Blanca einen Zweitwohnsitz, "um dem Winter zu entkommen". Er wollte nicht sechs Monate "mehr oder weniger in der Wohnung eingesperrt" sein, wollte mit dem Sohn "draußen Zeit verbringen und etwas erleben". Nun leben sie wieder vermehrt in Österreich, wo sein Sohn bessere Berufschancen als in Spanien hat.

Geteilte neue Liebe

Beide teilen die Leidenschaft für den Motorsport. "Wann auch immer wir die Möglichkeit haben, ein Autorennen zu sehen, sind wir dort!" 1999 wurde er zur Formel 1 ins Fahrerlager eingeladen. "Eines meiner beeindruckendsten Erlebnisse. Mein größter Wunsch ist, das auch mit Chenoa erleben zu dürfen."

Ferrari Museum Maranello Sascha Benes Eishockey
Auf dem Weg von Wr. Neustadt nach Alicante oder auf dem Rückweg halten Benes und sein Sohn gerne beim Ferrari-Museum in Maranello an.
privat

Das Herz von Benes schlägt auch wieder für das Eishockey, nachdem es ihn länger nicht interessiert hatte. 25 Jahre nach seinem Unfall war er erstmals wieder in einer Eishalle, in Kapfenberg, wo es passiert war. Die österreichische Nationalmannschaft bestritt dort ein Testspiel. "Damit ich mit dem Ganzen ins Reine komme. Ich habe die Nacht davor nicht wirklich geschlafen, weil ich nicht wusste, ob ich fahren oder absagen soll." Letztlich sei es ein schönes Gefühl gewesen.

Zum 70. Geburtstag des Klubs EVZ wurde er 2022 nach Zeltweg eingeladen. Auch das hat Sascha Benes gut gefallen. "Es war schön, wieder einmal die alten Gesichter zu sehen. Und auch die Zuschauer, die sich noch an mich erinnern konnten." (Thomas Hirner, 2.11.2023)