Edi Glieder (rechts im Bild) warf mit Pasching 2003 sensationell Werder Bremen aus dem UI-Cup.
GEPA/Fohringer

"Eigentlich war der UI-Cup für uns eine kleine Strafe", sagt Eduard "Edi" Glieder. Pasching hatte 2002/03 in der Bundesliga lange Zeit um die Champions-League-Plätze mitgespielt. Am Ende blieb dem Aufsteiger Rang fünf und der Intertoto-Cup. Eine Art Vorbewerb zum Uefa-Cup, mühsame Reisen nach Georgien, Nordmazedonien und Kasachstan inklusive. Aber dann bescherte die Losfee Werder Bremen im Semifinale und "aus der Enttäuschung wurde Euphorie".

Die Deutschen waren klare Favoriten, wirkten aber bereits im Abschlusstraining "wegen der Hitze komplett lethargisch. So haben sie dann auch gespielt", sagt Glieder. Pasching agierte daheim im Waldstadion aggressiv. Michael Horvath traf nach einem Traumsolo zur Führung (36.). Glieder erhöhte per Elfmeter (40.) und nach Stanglpass (43.). Nach einem verschossenen Bremen-Elfmeter setzte Michael Baur (87.) das 4:0-Schlagobershäubchen.

"Dorf-Elf veräppelt Werder", schrieb die Bild. Werders Sportdirektor Klaus Allofs kritisierte die "totale Arroganz" seines Teams, das, wohlgemerkt, rund neun Monate später Meister werden sollte. "Natürlich hat uns Bremen ein bissl unterschätzt", sagt Glieder. Pasching war damals punkteloses Liga-Schlusslicht, hatte kurz zuvor den Trainer gewechselt und sponsorbedingt den Verein zum FC Superfund umgetauft.

Eine neue Welt

Im Rückspiel am 6. August 2003 reichte ein 1:1 zum Finaleinzug, dort war Schalke 04 eine Nummer zu groß. "Sie waren gewarnt und ließen uns nicht zur Entfaltung kommen." Nach dem 0:2 daheim verabschiedete sich die Paschinger mit einem 0:0 vor rund 56.000 Zusehern aus dem Europacup. "Die Schalker Fans haben ihr Team ausgepfiffen und uns in die Fankurve gerufen."

Am nächsten Tag trudelte für Glieder eine Offerte aus Gelsenkirchen ein. Bereits nach dem Semifinale hatte S04-Manager Rudi Assauer Interesse bekundet. "Das habe ich nicht ernst genommen. Ich dachte eher an ein taktisches Spielchen vor dem Finale", sagt der damals Umworbene heute. Aber "Euro-Edis" 14 Tore in bis dato 15 Saisonspielen hatten Eindruck gemacht. Mit 34 schaffte er durch einen einjährigen Leihvertrag doch noch den Sprung ins Ausland. "Wenn man ein Angebot von Schalke erhält, packt man die Koffer und fährt hin."

Ex-Fußballer Eduard
Ex-Fußballer Eduard "Edi" Glieder beim Soccergolf.
Glieder

Ins Waldstadion passten 4500 Fans. In Gelsenkirchen kamen 40.000 zum Tag der offenen Tür. Für Glieder "eine neue Welt". Sportlich lief es "durchwachsen". Die Bilanz: 17 Einsätze, zwei Treffer und ein Muskelbündelriss in der Wade. Weil Schalke auch um Real Madrids Stürmer Fernando Morientes gebuhlt haben soll, bezeichnete der Kicker den Österreicher als "Trostpreis". Die Fans schlossen ihn trotzdem ins Herz. Der Bergbauklub steht für Maloche, für harte Arbeit. Glieder verkörperte das, war für Verteidiger ein lästiger Angreifer, ließ sie nie ruhen.

Starcoach Jupp Heynckes überzeugte er indes mit Charme: "Nach jedem Spiel hatten wir ein Auslauftraining. Es war unfassbar, was jüngere Spieler wie Hamit Altintop oder Christian Poulsen gelaufen sind. Die hatten eine Pferdelunge", sagt Glieder. "Ich habe zu Jupp gesagt: 'Das ist für mich keine Regeneration, sondern ein Überlebenskampf.' Danach durfte ich mein Tempo laufen." Der gebürtige Grazer glänzte nicht mit Grundlagenausdauer, sondern mit seinem Torriecher. Für seinen Jugendklub SC St. Margarethen-Raab erzielte der gelernte Glaser mehr als 250 Treffer. Mit 19 klingelte der GAK an – wieder eine neue Welt. "Ich konnte körperlich nicht mithalten. Die Gegner konnten mich wie ein Blatt Papier wegräumen." Glieder setzte auf Kraft- und früh auf Mentaltraining. Ein Jahr lang arbeitete er nur an seiner Sprungkraft, gehörte später zu den kopfballstärksten Stürmern. 1993/94 schoss er 20 Tore in der zweiten Bundesliga.

Vorne stehen und Tore schießen

Mit Austria Salzburg holte er zwei Titel im Oberhaus. Im zweiten Anlauf, nach einer zwischenzeitlichen Rückleihe zum GAK, setzte sich Glieder dort durch. Nach Rang acht mussten die Violetten zuvor einige Stars abgeben. 1997 "wurden wir mit einer No-Name-Truppe Meister". Englische Vereine wie Everton und Sunderland klopften an. "Aber Rudi Quehenberger (Salzburg-Präsident, Anm.) wollte 25 Millionen Schilling Ablöse. Das war einfach zu viel. Obwohl der Verein vermutlich schon damals das Geld gut hätte gebrauchen können."

1999 erfüllte sich Glieder mit der Torschützenkrone (22 Goals) einen Traum. Trainer Hans Krankl habe ihn geliebt. "Er sagte mir, ich brauche nicht mehr über die Mittellinie zurücklaufen. Ich soll nur vorne stehen bleiben und Tore schießen."

Anfang 2000 wechselte der Torjäger zu Tirol. "Sie bekamen ein neues Stadion. Es herrschte Aufbruchsstimmung." Im ersten Halbjahr hatte Glieder Ladehemmung. Danach kam er nicht mehr ständig zum Zug, durfte aber in zweieinhalb Jahren drei Meistertitel bejubeln. Gegen Ende hin "haben wir Gehälter verspätet oder gar nicht mehr bekommen". 2002 meldete der Klub Konkurs an. Der dreifache Vater schloss sich Pasching an. In der ersten Saison traf er 16-mal. "Von Anfang an ein Volltreffer." Dorthin kehrte er auch nach seinem Schalke-Abenteuer zurück. Ein späterer Abstecher zum FC Kärnten war "eine Schnapsidee. Der Klub wurde nicht so gut geführt."

2007 rief Paschings Präsident Franz Grad an. Der Klub hatte zuvor den Vereinssitz nach Klagenfurt verlegt, Austria Kärnten übernahm die Bundesligalizenz. "Eine der komischsten Geschichten im österreichischen Fußball", sagt Glieder. "Ich weiß bis heute nicht, wie das ging." Der neu gegründete FC Pasching fing in der fünften Liga neu an und marschierte mit dutzenden Glieder-Toren in die Regionalliga Mitte durch. Um die Lizenz für die zweite Liga suchte Grad nicht an. "Da habe ich ihm gesagt: Ich höre auf", sagt der elffache Nationalspieler.

Vorwärts Steyr coachte er zum Viertligatitel, mit Grödig stieg er als Adi Hütters Co in die Bundesliga auf. Zu RB Salzburg durfte Letzterer keine Assistenten mitnehmen. Glieder, bis heute eng mit Hütter befreundet, stieg aus dem Trainergeschäft aus, "eine Bauchentscheidung".

Talente- statt Torriecher

Heute arbeitet der 54-Jährige als selbstständiger Spielerberater mit der Agentur More Than Sport zusammen. Er akquiriert neue Spieler und sucht Klubs für sie. Auch Vereine vergeben Aufträge, wenn sie Kicker für eine bestimmte Ablöse abgeben würden. Findet man einen passenden Abnehmer, wird man mit Prozenten beteiligt. Beim Transfer des Torhüters Yvon Mvogo von den Young Boys Bern zu Leipzig 2017 mischte etwa Glieder mit. "Ich kann mir die Zeit frei einteilen. Es ist ein Traumjob." Die Konkurrenz sei aber hart, Talente schwer einzuschätzen. Der vierfache Opa – der jüngste Enkel kickt in der GAK-Akademie – spielt gerne Soccergolf. Glieder ist Weltranglistendritter der World Footballgolf Association.

330 Spiele und 104 Tore allein in der Bundesliga fassen die Karriere zusammen. Und aus persönlicher Sicht? "Ich war einer, dem die Aufgabe nicht groß genug sein konnte. Ich habe immer gesagt: Ich schaffe das – und nicht‚ ich versuche das." Er ist zufrieden mit seiner Laufbahn. "Man muss immer wissen, woher man kommt. Ich bin in der sechsten Liga gestartet." Aktuell spielt St. Margarethen-Raab in der fünftklassigen Oberliga Süd Ost. 2000 bekam die Heimstätte der Steirer einen neuen Namen: Edi-Glieder-Stadion. (Andreas Gstaltmeyr, 7.8.2023)