Wie Edith Hrovat (links) und Gerda Winklbauer hat Edith Simon (rechts) Gold bei der Weltmeisterschaft 1980 gewonnen.

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Mittlerweile ist die 61-jährige Histologin in Pension.

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Simon trainierte gemeinsam mit Gerda Winklbauer beim JGV Schuh Ski.

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Unterschätze niemals die Außenseiterin. Eine Weisheit, die die Britin Dawn Netherwood bei der WM 1980 wohl besser beherzigt hätte. Edith Simon, gerade erst mit der Matura fertig und für das Medizinstudium inskribiert, hatte niemand auf dem Schirm. Dennoch räumte die damals 19-Jährige in New York eine Favoritin nach der anderen sensationell von der Matte. "Es war ein anstrengender, aber schöner Tag. Doch eigentlich war es ein Tag wie jeder andere. Die Bundeshymne dann zu hören war sehr aufregend. Ich war ja noch ein Teenager", sagt Simon.

Das Großereignis in Big Apple war ein besonderes. Erstmals in der Geschichte des Judos durften auch Frauen bei einer Weltmeisterschaft an den Start gehen. Maßgeblich beteiligt daran war der damalige österreichische Nationaltrainer Ernst Raser. Gemeinsam mit der US-Amerikanerin Rusty Kanogoki setzte er sich für die Einführung einer Frauen-WM ein. 1980 fand sie schließlich im Madison Square Garden ihre gebührende Premiere. Die Sportlerinnen kämpften zwar nur in einer Nebenhalle, die fasst aber dennoch 5000 Fans.

Edith Simon machte mit ihrer Gewichtsklasse bis 66 Kilogramm den Anfang. Klar, der Sieg beim Weltturnier in London knapp einen Monat vorher gab ihr Selbstvertrauen. Zum engeren Favoritenkreis zählte sie deswegen aber noch lange nicht. "Ich hatte zwar schon Erfahrungen und Erfolge bei internationalen Turnieren. Ich versuchte aber, die WM als normales Turnier zu sehen." Spekuliert habe sie mit einer Medaille schon, dass es dann aber gleich Gold wurde, kam auch für sie überraschend. Mit Edith Hrovat (bis 52 kg) und Gerda Winklbauer (bis 56 kg) siegten am nächsten Tag zwei weitere Österreicherinnen. Der Verband feierte drei von acht möglichen Goldenen. "So richtig bewusst wurde mir der Erfolg erst viel später. Vor allem, wenn Kinder vorbeikamen, die Medaillen anschauen", sagt Simon.

Kreuz mit den Knien

Die Wienerin schien nicht zu stoppen zu sein. Ihre Erfolgsserie setzte sie bei der EM 1981 in Madrid mit einem dritten Platz fort, nur ein Jahr später beeindruckte sie in Oslo mit den EM-Titeln in der Klasse bis 66 Kilogramm und der Allkategorie. Mehrere Kreuzbandrisse – Simon ist mittlerweile viermal operiert – bedeuteten aber kurz danach das Karriereende. Selbst Kniespezialisten in den USA, die die Sporthilfe finanzierte, fanden keine optimale Lösung. "Es war nun klar, dass ich nicht mehr zum Leistungssport zurückkehren konnte. Also griff ich meinen Jugendtraum, das Medizinstudium, wieder auf", sagt Simon. Sie hatte in den USA bereits einige Prüfungen abgelegt und studierte in Österreich zu Ende. Mittlerweile ist die Histologin im Ruhestand.

Den Traum vom Medizinstudium hatte sie schon als kleines Kind, zur japanischen Kampfsportart fand Simon hingegen eher spät. Die Liebe zur Bewegung war aber durchaus von klein auf vorhanden. "Mein Vater war Turnlehrer, ich durfte eine sehr umfassende sportliche Grundausbildung genießen." Mit 14 Jahren besuchte sie das erste Mal ein Judotraining. Der damalige Nationalteamtrainer Raser habe für seinen neuen Judoklub Werbeflyer verteilt. Simon hat nicht lange gezögert und sich angemeldet. "Ich hatte von Anfang an die Möglichkeit, mit sehr guten Sportlern und Sportlerinnen zu trainieren. Das tägliche Training bereitete mir sehr viel Freude und hatte eine große Bedeutung für mich", sagt die Judoka, die mit Gerda Winklbauer im Verein JGV Schuh Ski trainierte.

Eine unter vielen

Aus den Augen verloren hat Simon ihre Kollegen nicht. Vor allem mit ihrer langjährigen Trainingspartnerin und Freundin Herta Reiter, der Europameisterin von 1982, und deren Familie steht sie in gutem Kontakt. Schließlich war es auch Familie Reiter, die sie wieder fürs Judo begeisterte. "Ich trainiere hin und wieder mit ihnen im Mühlviertel. Dort bin ich in einer Gruppe für ehemalige Judoka oder Neueinsteiger. Es ist überraschend, wie viel noch geht." Eine Berühmtheit sei sie dort aber nicht. Lediglich eine von vielen. Immerhin trainiere dort auch der Olympiadritte von 1984, Josef Reiter, Hertas Bruder.

Ein Alltag komplett ohne Sport ist für Simon, die den vierten Dan trägt, aber nicht vorstellbar. In einer Pensionistengruppe leitet sie das Schwimmen, mit Krafttraining hält sie sich fit. Das Geheimnis, man verzeihe die lädierten Knie, ihrer körperlichen Gesundheit? Wenig überraschend die sportliche Betätigung in jungen Jahren. (Laura Rieger, 14.5.2023)