Tausende Menschen haben sich am Donnerstagabend auf dem Wiener Heldenplatz versammelt, um die Freilassung der in Israel von der Hamas als Geiseln Genommenen zu fordern. Zugleich wollte man ein Zeichen der Zivilgesellschaft gegen Antisemitismus, Terror, Gewalt und Hass setzen. So erklärte es vorab Organisator Daniel Landau, der bereits 2022 auf dem Heldenplatz eine Friedensdemonstration für die Ukraine organisiert hatte. Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) und die zivilgesellschaftliche Initiative "#YesWeCare" hatten zu der Veranstaltung eingeladen.

Gedenkveranstaltung Heldenplatz
Tausende Menschen kamen Donnerstagabend zur Gedenkveranstaltung auf den Heldenplatz.
APA/EVA MANHART

Zu Beginn des Abends, kurz nach 18 Uhr, begrüßte Organisator Landau die Menschen, dann betrat der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, die Rednerbühne. An die Außenwand der Hofburg wurden Bilder von Entführten der Hamas projiziert.

Schräg hinter der Rednerbühne wurden Bilder der rund 240 Entführten der Hamas an die Außenwand der Hofburg projiziert.

Deutsch erinnerte an die "Verbrechen der grausamsten Art", die von der Hamas bei dem Angriff auf Israel Anfang Oktober verübt worden seien. Da brauche man "keinen Kontext", und das sei nicht schwer zu erklären. Alle Menschen, die heute da seien, stünden für Freiheit, Demokratie und die Unantastbarkeit der Menschenwürde.

Bei einsetzendem Regen sprach dann der designierte Botschafter Israels in Österreich, David Roet. Er sagte, dass ihn der Heldenplatz in Wien an das dunkelste Kapitel der Geschichte erinnere. Zum 7. Oktober sagte er, es gebe nun ein Davor und ein Danach.

20.000 bei Lichtermeer am Heldenplatz für Geiselfreilassung
APA

Botschafter wütend

Roet sprach er über seine Wut auf UN-Generalsekretär António Guterres. Guterres hatte in einer Sitzung des Sicherheitsrats einerseits die Angriffe der Terroristen der Hamas aufs Schärfste verurteilt, aber auch mit Blick auf die 56 Jahre dauernde "erdrückende Besatzung" des Gazastreifens durch Israel gesagt, es sei "wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattfanden". Dann skandierte Roet "Bring them back!", "Bring them back", den Slogan für die Freilassung der Geiseln der Hamas.

Manche Teilnehmenden zündeten schon während der Gedenkveranstaltung Lichter an.
Christian Fischer

Vier junge Menschen jüdischen Glaubens betraten als Nächste die Bühne und sprachen von ihrer Sprachlosigkeit angesichts der Grausamkeiten der Hamas. "Seid ihre Stimme, seid laut, seit unangenehm, bring them home now", forderte der letzte dieser Rednerinnen und Redner.

Unter strenger Polizeiaufsicht

Über 20.000 Teilnehmende seien gekommen, ließ Landau später wissen. Die Polizei hatte vorab mitgeteilt, aufgrund der Angaben des Veranstalters mit rund 10.000 Teilnehmenden zu rechnen. Man sei "mit ausreichend Einsatzkräften vor Ort", um für Sicherheit zu sorgen, sowohl uniformiert als auch in Zivil, hatte die Exekutive mitgeteilt. Auf etwaige Störaktionen sei man vorbereitet. Nach der Veranstaltung hieß es, alles sei friedlich verlaufen.

Zunächst betrat aber noch Schauspieler Daniel Jesch die Bühne und verlas einen Text von Michael Köhlmeier. Er habe nach dem 7. Oktober damit gerechnet, dass weltweit Hunderttausende auf die Straße gehen und ihre Sympathie kundtun würden. "Das Gegenteil war der Fall. Das wird auch als die große Schande der Linken in die Geschichte eingehen", las Jesch. Schriftsteller Doron Rabinovici las ebenfalls einen Text vor: "Wir wollen die Freilassung der 240 Geiseln, damit die ganze Welt keine Geisel des Jihadismus mehr ist", sagte er.

Alexandra Arayev, die um ihre 19-jährige Schwester bangt, war eine der drei Angehörigen von Geiseln, die auf dem Heldenplatz über ihre Verwandten sprachen.

"Zukunft in unseren Händen"

Die Verwandten dreier Geiseln betraten dann die Bühne: Tal Yeshurun hielt ein Bild der dreijährigen Yahel in die Höhe und sagte unter Applaus: "Ihr müsst hier keine Seite auswählen, es geht hier nicht um Israel gegen Gaza oder irgendetwas. Es geht um das Gute gegen den Terror." Alexandra Arayev vermisst ihre 19-jährige Schwester, die in der letzten Nachricht an sie gebeten habe, sie solle sich nicht sorgen, sondern leben. Und Eli Albag, der um seine Tochter bangt, merkte an, dass der Himmel weine, und sagte: "Die Zukunft liegt in unseren Händen." Und, hinter sich zeigend, man möge die Geschichte nicht vergessen.

Am Ende der Veranstaltungen wurden tausende Lichter entfacht und einige Momente in Stille verbracht.
Christian Fischer.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) waren ebenfalls am Heldenplatz begüßt worden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen tweetete, dass es "bedrückend ist, dass sich auch in Österreich antisemitische Übergriffe häufen".

Zwei Veranstaltungen

Die Angehörigen der drei Geiseln waren auch Donnerstagmittag in Wien bei einer Solidaritätszeremonie für die Entführten der Terrororganisation im Vienna International Centre anwesend. Die Veranstaltung um 12.15 Uhr wurde von den zwei ständigen Vertretern Israels bei den UN in Wien, dem designierten Botschafter Roet sowie David Nusbaum, begleitet. Auch Vertreter und Botschafter anderer Staaten waren vor Ort. Nur angemeldete Gäste erhielten Zutritt in das gesicherte Areal.

Demo für Gaza am Nachmittag

Noch vor dem Lichtermeer auf dem Heldenplatz war von circa 16 bis 18 Uhr eine Demonstration im dritten Bezirk unter dem Titel "Stoppt den Krieg in Gaza" angemeldet.

Eine gemeinsame Gedenkveranstaltung für alle Opfer der jüngsten Gewalteskalation in Israel und Palästina ist für kommenden Sonntag ab 18.30 Uhr auf dem Platz der Menschenrechte beim Museumsquartier geplant. Die jüdisch-arabische Initiative "Standing Together Vienna" will damit ein Zeichen für Frieden, Gerechtigkeit und Sicherheit im Nahen Osten setzen. (Gudrun Springer, 2.11.2023)