Marie strengt sich mächtig an. Sie hat sich vorgenommen, so viele Emissionen wie möglich einzusparen. Dafür wird sie Vegetarierin, verkauft ihr Auto, fliegt nicht mehr mit dem Flugzeug, bezieht von nun an Ökostrom. Die Lebensmittel, die sie einkauft, sind vor allem bio und aus der Region. Ihren Müll trennt sie so selbstverständlich wie sie zu Hause darauf achtet, Energie zu sparen. Durch ihre Bemühungen schafft es Marie, ihren ökologischen Fußabdruck um zwölf Tonnen zu reduzieren – was ungefähr drei Jahren Autofahren entspricht. Das ist schon ganz schön gut, aber den wirklichen Unterschied würde etwas anderes machen, schreibt Gabriel Baunach in seinem kürzlich erschienenen Buch "Hoch die Hände, Klimawende" (erschienen im EMF-Verlag).

Radfahren; Radwege
Bei jenen, die versuchen, umweltschonender zu leben, entsteht schnell Frust. Denn mit unserem eigenen Verhalten können wir nur begrenzt etwas ändern.
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Für Baunach, der beruflich zum Thema Klimakommunikation berät, ist es nicht die absolute Lösung, sich nur auf den ökologischen Fußabdruck zu konzentrieren. "Wir merken relativ schnell, dass wir damit an Grenzen stoßen. In Industrieländern wie Deutschland oder Österreich kommen wir erst gar nicht auf ein Niveau, das für den Planeten verträglich ist." Es gäbe zu viele Dinge, die wir nicht beeinflussen können und die sich trotzdem auf unseren Fußabdruck auswirken – angefangen bei den Straßen, die gebaut werden, bis hin zu den Lebensmitteln, die es im Supermarkt gibt. "Für viele Emissionen können wir gar nicht wirklich etwas." Egal wie wenig Fleisch man isst oder wie oft man das Auto stehen lässt: Diese persönlichen Änderungen reichen nicht aus, um den Klimawandel einzudämmen.

Der Fuß wird zur Hand

Noch effektiver laut Baunach: sich in der Arbeit und der Freizeit mithilfe seiner Kontakte, seiner Fähigkeiten und Talente für die Klimawende einzusetzen. "Mit solchen Hebeln können wir viel größeren Einfluss auf die Wirtschaft und die Politik nehmen als mit einem klimabewussteren Konsumverhalten, übertriebener Ökomoral und asketischem Verzicht."

Hier kommt das Konzept des "ökologischen Handabdrucks" ins Spiel. Die Idee dazu entstand Anfang der 2000er-Jahre am Center for Environmental Education in Indien. Die damals zehnjährige Srija sagte bei einem Projekt, sie wolle mehr Gutes anstatt nur weniger Schlechtes für die zukünftige Nachhaltigkeit tun. So entstand der "handprint", der zu einer Art Messgröße für positives Handeln wurde. Er sei ein "optimistischer und motivierender Gegenentwurf zum Fußabdruck", schreibt Baunach.

Dort, wo man mit seinem eigenen Handeln nicht mehr weiterkommt, setzt man sich also für größere Veränderungen ein. Baunach argumentiert: Marie, die junge Frau vom Anfang dieses Artikels, könne zehn-, hundert- oder tausendmal mehr bewirken, wenn sie sich im Beruf, in der Gesellschaft oder in der Politik einbringt. Sie würde dann nicht nur ihr eigenes Verhalten ändern, sondern auch andere zu einem klimafreundlicheren Handeln inspirieren. Und das helfe ihr schließlich auch, gegen das Gefühl der Ohnmacht anzukommen. Sie würde "Selbstwirksamkeit" erfahren, wie der Begriff in der Psychologie heißt. Aber wie genau kann so ein ökologischer Handabdruck aussehen?

Klimagespräche und Geldanlage

Für Baunach gibt es unterschiedliche Bereiche, in denen man einen ökologischen Handabdruck hinterlassen kann. "Das Erste sind Klimagespräche. Wir sprechen immer noch viel zu wenig, und vor allem zu wenig konstruktiv über die Klimakrise." Was das Thema angeht, werde häufig geschwiegen, dabei beeinflusse das ganz deutlich die Bereitschaft zum Klimaschutz, wie Studien zeigten. Spricht man doch darüber, würden "immer noch zu viele Scham-, Schuld- und Scheinheiligkeitsdebatten" geführt. Stattdessen sei es viel sinnvoller zu überlegen, was man gemeinsam an den Strukturen verändern kann.

Noch mehr Wirkung könnten Klimagespräche entfalten, wenn sie geplant stattfinden, sagt Baunach. So könne man darüber nachdenken, wie man möglichst viele Menschen gleichzeitig erreicht – etwa über Social Media –, oder Kontakt zu jenen Menschen suchen, die Einfluss haben. "Man kann überlegen: Habe ich in meinem Freundes- oder Bekanntenkreis vielleicht jemanden, der eine Geschäftsführerin kennt, einen Professor an einer Hochschule, einen Bürgermeister? Vielleicht kann ich diese Person in ein konstruktives Klimagespräch verwickeln und sie motivieren, über ihre Hebel nachzudenken." Der gute Rat: Dem oder der anderen mit einer ruhigen, offenen, interessierten und freundlichen Haltung begegnen, anstatt angriffslustig. Anstatt Vorträge zu halten, kann man Fragen stellen, das Verbindende sollte vor dem Trennenden stehen. Fachsimpeleien seien kontraproduktiv, eine verständliche Sprache besser. Anstatt über Ökotipps im Alltag gelte es, über Möglichkeiten zu sprechen, den persönlichen Handabdruck zu vergrößern – und über Vorbilder.

Ein weiterer Hebel: die eigene Geldanlage überdenken. Denn das eigene Geld auf dem Bankkonto habe irgendwo in der Welt ganz reale Auswirkungen, deren wir uns häufig nicht bewusst sind. "Zum Beispiel können die persönlichen Geldbeträge daran mitwirken, in Kanada eine neue Ölpipeline oder in Spanien ein neues Solarkraftwerk zu finanzieren." Ein Schritt könnte etwa sein, zu einer Bank und einer Versicherung zu wechseln, die sich ökologischen und sozialen Standards verpflichten. Es gibt spezielle Ratgeber, die eine Übersicht zeigen.

Wofür arbeite ich?

Große Veränderungen seien auch im Beruf möglich. "Hier geht es natürlich erst mal um die Frage: Was bewirkt der eigene Beruf in der Welt? Ist er Teil der Lösung oder eher Teil des Problems?" Baunach nennt sich selbst als Beispiel: "Ich als Ingenieur hätte nach dem Studium entweder bei einem Erdölunternehmen effizientere Fracking-Bohrungen oder bei einem Projektentwickler für erneuerbare Energien große Windkraftanlagen bauen können." Wenn sich sein Arbeitsalltag wohl nicht sehr stark unterschieden hätte – "die Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Erderhitzung könnten jedoch unterschiedlicher kaum sein". Das gilt bei vielen anderen Jobs gleichermaßen.

Aber natürlich könne nicht jede Person gleich ihren Beruf hinterfragen, wie Baunach einräumt – dann blieben aber immer noch andere Hebel, etwa im Unternehmen klimafreundliche Veränderungen zu bewirken. "Zum Beispiel kann man mit Kolleginnen und Kollegen eine Klimagruppe gründen und schauen: Wo sind bei uns Möglichkeiten? Und dabei geht es nicht um Kleinigkeiten, wie das Papier fortan beidseitig zu bedrucken oder LED-Leuchten zu installieren, sondern um große Änderungen." Eine andere Idee wäre beispielsweise, sich für mehr vegetarische Gerichte in der Firmenkantine einzusetzen. Oder dafür, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bahnkarten, Carsharing, Fahrradparkplätze und E-Ladesäulen statt des Verbrenner-Dienstwagens gestellt bekommen.

Auch im Fitnessstudio, dem Sportklub, im Fußballverein oder der Kirchengemeinde könne man Veränderungen in Gang setzen. Auch hier gehe es um die großen Dinge, abseits der Mülltrennung. "Mülltrennung ist schön und gut, aber noch wirksamer wäre es zu überlegen, wie man auf die Fußballhalle eine PV-Anlage bringen könnte." Er sei kürzlich mit jemandem in Austausch gewesen, der eine Kirche nun mit Wärmepumpe beheizen möchte, sagt Baunach. Andere Ideen wären Klimaausstellungen, Secondhand-Kleidungsbörsen, Food-Festivals mit genießbarer Nahrung aus Lebensmittelverschwendung oder Spendenkonzerte für Klimaschutzprojekte.

Druck auf die Politik

Über Spenden sei es möglich, Organisationen zu fördern, die sich für den Klimaschutz einsetzen. Neben WWF, Greenpeace oder Global 2000 gibt es auch einige kleinere NGOs, die wirksam werden. Aber auch Protestbewegungen sollten in den Blick genommen werden, sagt Baunach. Denn laut Analysen des Social Change Lab ist ihre Wirkung offenbar pro gespendetem Euro eine größere als die von klassischen Klima- und Umweltschutzorganisationen.

Letztlich geht es darum, politischen Druck erzeugen. Das gelinge auch mit Demonstrationen. Indem viele Menschen für ein Anliegen protestieren, ließen sich Verantwortliche womöglich bestärken, auch unangenehme, aber wichtige Entscheidungen zu treffen. "Selbst Politikerinnen und Politiker selbst betonen immer wieder: Wir müssen den Willen der Bevölkerung gezeigt bekommen – so können wir auch unseren Verhandlungspartnern klarmachen, dass wieder Menschen für dieses Anliegen auf die Straße gegangen sind. Die Menschen wollen das, und deshalb müssen wir jetzt dieses Gesetz auf den Weg bringen."

Wahlen seien ebenfalls ein Hebel, ebenso wie Volksbegehren zu starten. Ein Beispiel sei das Klimavolksbegehren der Wienerin Katharina Rogenhofer. Mit über 380.000 Unterschriften habe es die ökosoziale Steuerreform mit CO2-Bepreisung und einem Klimabonus angeschoben. "Wir entscheiden nicht nur in Kaufentscheidungen, wie die Welt gestaltet wird, sondern sind Bürgerinnen und Bürger", sagt Baunach. "Wir haben Einfluss und Rechte, und die können wir nutzen." Ein "Riesenhebel" seien Klimaklagen, wie die von zwölf Kindern und Jugendlichen gegen den Staat Österreich.

Klimaprotest; Aktivismus
Ein großer Hebel sei, Druck auf die Politik auszuüben– und damit auf jene, die die wichtigen Entscheidungen treffen, sagt Buchautor Gabriel Baunach.
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"An die Moral und ans Herz"

Ebenso eine Möglichkeit sei, Post an Politikerinnen und Politiker zu schicken und andere dazu zu animieren. "So könnte man reihum jeden Tag Briefe und E-Mails schreiben. Wenn sie wahlkörbeweise Briefe erhalten, hat das auf jeden Fall eine Wirkung." Ein guter Zeitpunkt für eine solche Aktion sei vor wichtigen Abstimmungen. Diese Briefe seien bestenfalls motivierend und konstruktiv formuliert, nicht wütend und aggressiv. "Wir sollten an die Moral und ans Herz appellieren." Überhaupt seien Emotionen ganz entscheidend, wenn es um Klimakommunikation geht.

Essenziell: sich nicht alleine einzusetzen, sondern zusammen mit anderen. "Kollektive Selbstwirksamkeit" nennt das Baunach. Er zitiert den Arzt, Comedian und Klimaaktivisten Eckhardt von Hirschhausen: "Das Wichtigste, was ein Einzelner jetzt tun kann, ist, kein Einzelner zu bleiben." (Lisa Breit, 29.11.2023)