Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka äußerte sich nur knapp zu den Vorwürfen.
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Die am Dienstag bekannt gewordene Tonaufnahme, in der der vor einem Monat verstorbene Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek Interventionen durch die ÖVP und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka persönlich beklagt, lässt nun auch die Behörden tätig werden. Die Staatsanwaltschaft Wien prüft derzeit einen Anfangsverdacht gegen Sobotka wegen versuchter Bestimmung zum Amtsmissbrauch, also ob ein Verfahren eingeleitet werden soll, teilte eine Sprecherin am Donnerstag mit. Dabei soll auch die Zuständigkeit geklärt werden – möglich ist etwa, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) den Fall übernimmt. Auch zu weiteren, unbekannten Personen, die auf der Aufnahme zu hören sind, wurde ein Verfahren angelegt.

Bei den Vorwürfen geht es darum, dass Pilnacek in privater Runde in einem Lokal darüber sprach, dass Sobotka ihm vorgeworfen habe, Ermittlungen nie abgedreht zu haben. Das Gespräch wurde im vergangenen Sommer heimlich aufgenommen. Der Sprecher des Nationalratspräsidenten hatte bereits am Dienstag Pilnaceks Aussagen zurückgewiesen.

Es sind auch nicht die ersten Vorwürfe, mit denen sich Sobotka konfrontiert sieht. In einem anderen Zusammenhang wird bereits gegen Sobotka wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ermittelt. Anlass ist eine Postenbesetzung im Jahr 2017.

Äußerst knappe Erklärung

Sobotka selbst hat am Beginn der Plenarsitzung am Donnerstag in einer "Erklärung" alle Vorwürfe gegen ihn zurückgewiesen. Diese fiel ausgesprochen knapp aus und unterschied sich nicht wesentlich von bisherigen Statements zum Thema. Er wolle "einige Dinge unmissverständlich klarstellen", sagte Sobotka vom Vorsitzendenpult aus. "Zuallererst möchte ich dezidiert festhalten, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe in keiner Weise der Wahrheit entsprechen." Er habe niemals Einfluss auf Verfahren der Justiz genommen, das habe er im Untersuchungsausschuss ausgesagt, und das habe Pilnacek auch unter Wahrheitspflicht bestätigt.

Er könne "versichern, dass ich auch in Zukunft wie in der Vergangenheit den gesetzlichen Vorschriften entsprechen" und er seine Tätigkeit "nach bestem Wissen und Gewissen ausüben werde". Die Demokratie stehe "täglich auf dem Prüfstand", und es sei Aufgabe der Politik, das "Vertrauen in die demokratischen Institutionen zu stärken", sagte der Nationalratspräsident, bevor er flugs zur regulären Budgetdebatte überleitete.

Video: Auch das Statement von Wolfgang Sobotka nach der Sonderpräsidiale am Abend fiel knapp aus. Abgeordnete der Gründen, Neos und SPÖ forderten seinen Rücktritt.
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Rufe nach Rücktritt

Wenig Verständnis dafür hat der grüne Koalitionspartner. Parteiobmann und Vizekanzler Werner Kogler betonte am Donnerstag gegenüber der "ZiB": "Ich sehe das wie meine grünen Kolleginnen und Kollegen, und das im Übrigen schon länger. Wir an seiner Stelle hätten den Weg freigemacht, weil es um das Ansehen und den Schutz eines ganz wichtigen Amtes dieser Republik geht." Meri Disoski, Vizeklubchefin der Grünen, meinte in einem Redebeitrag im Parlament, ihre Partei habe schon mehrfach "sehr unmissverständlich" festgehalten, dass man an Sobotkas Stelle den Hut genommen hätte. Dass er im Amt bleibe, halte sie für einen Fehler. Die Grünen sähen es als ihre Aufgabe, für Transparenz und Aufklärung zu sorgen. Daher habe Justizministerin Alma Zadić (Grüne) auch eine Untersuchungskommission eingesetzt.

Dass Sobotka bleibt, missfällt aber auch der Opposition – und das seit längerem. Die FPÖ hielt im Parlament "Sobotka muss weg"-Schilder in der Hand. Für Parteichef Herbert Kickl war die Erklärung des Nationalratspräsidenten "völlig daneben" sowie ein Missbrauch des Parlaments.

Auch SPÖ-Vizeklubchefin Eva-Maria Holzleitner ist der Ansicht, dass Sobotka die Vorwürfe nicht einfach mit einer kurzen Klarstellung vom Tisch wischen könne, sei er als Nationalratspräsident doch das Aushängeschild des Hohen Hauses. Sie warnte davor, dass das Vertrauen der Menschen in die Institution verloren gehe, und legte Sobotka nahe, darüber nachzudenken, ob er nicht besser zurücktreten solle.

Van der Bellen schweigt

Die Opposition sieht in der Frage eines Rücktritts von Sobotka auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Pflicht – nicht zuletzt weil Sobotka formell nach dem Staatsoberhaupt der zweite Mann im Staat ist. SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer, in den letzten beiden U-Ausschüssen auch Fraktionsführer seiner Partei, meinte am Mittwoch, dass es "an der Zeit" sei, "dass der erste Mann im Staat hier das Wort ergreift, denn es kann ihm ja nicht egal sein, wer der Mann hinter ihm ist".

Eine Stellungnahme Van der Bellens forderte am Mittwoch auch FPÖ-Chef Kickl. In einer "demokratischen Notwehraktion" will er die Klubobleute von SPÖ, Neos und Grünen außerdem dazu einladen, gemeinsam beim Bundespräsidenten vorstellig zu werden, um ihm die "Dramatik der Situation" darzulegen.

Doch Van der Bellen hat nicht vor, sich in dieser Sache zu äußern. "Der Bundespräsident respektiert die Institutionen der Republik und wird deshalb niemandem etwas ausrichten. Die Angelegenheit ist Sache des Parlaments", heißt es auf STANDARD-Anfrage aus der Hofburg. (Sandra Schieder, Sebastian Fellner, 23.11.2023)