Frauen vor Laptop
Mehr Förderung von anwendungsorientierter Forschung im außeruniversitären Bereich könnte Österreich in puncto Innovation bedeutende Vorteile verschaffen, wie eine neue Initiative unterstreicht.
MCI/Kasper

Europameister bei der Forschungsquote, beste Zitationsrankings und Europameister bei den Patentrechten. Österreichs Forschungssystem kann im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eigentlich gute Kennzahlen vorweisen. Seit 2021 wird die Initiative Forschungsvielfalt allerdings nicht müde, auf strukturelle Defizite im Forschungssystem hinzuweisen. Gegründet von der Österreichischen Fachhochschulkonferenz (FHK) und der Austrian Cooperative Research (ACR), eines Netzwerks von privaten Forschungsinstituten, die Forschung und Entwicklung für Unternehmen betreiben, stellte man diesmal eine Umfrage vor, die unter den 150 unterstützenden Organisationen durchgeführt wurde, die sich der Initiative angeschlossen haben.

Der Titel des Ergebnisberichts "Forschungsvielfalt: Bessere Rahmenbedingungen gewünscht!" spiegelt auch die forschungspolitische Stoßrichtung der Initiative: Österreichs Forschungspolitik messe dem bunten Strauß anwendungsorientierter Forschung im außeruniversitären Bereich zu wenig Wert bei. Das aber führe zu einem verminderten Forschungs-Output, gerade auf den letzten Metern der Entwicklung in Richtung marktreife Produkte und Services, was dazu führe, dass sich Österreich in Sachen Innovation unter seinem Wert verkaufe.

Verzerrter Wettbewerb

Die Befragung unter den 150 Institutionen, die die Initiative Forschungsvielfalt unterstützen, lässt auch klar die Problemlagen zutage treten. Fachhochschulen und außeruniversitäre Institute unterscheiden sich zwar stark in Größe, Anzahl und Inhalt ihrer Forschungsprojekte. Sie ähneln sich aber stark in ihren Finanzierungsquellen. Das Forschungsgeld stammt zumeist von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), Fördertöpfen der Europäischen Union oder Förderstellen der Bundesländer. Gegenüber den hoch subventionierten Universitäten bekommen außeruniversitäre Forschungsinstitutionen aber oft wenig bis gar keine Basisfinanzierung, was als strukturell benachteiligend und wettbewerbsverzerrend wahrgenommen wird. Vor allem die außeruniversitären Institute wünschen sich eine Anhebung der Förderungen, langfristigere Verträge, die über Dreijahresprojekte hinausgehen, und eine erhöhte und den Tatsachen entsprechende Abgeltung von Overhead-Kosten. Die Fachhochschulen pochen auf eine Gleichbehandlung mit Universitäten durch die Politik, um mit Universitäten auf Augenhöhe kommunizieren zu können, und auf bessere Kooperationsbedingungen mit Unternehmen.

Die außeruniversitäre Forschungsvielfalt sei jedenfalls groß und muss gestärkt werden, sagt Ulrike Pommer, Präsidentin der Fachhochschulkonferenz, bei der Berichtspräsentation. Dafür sollte man auch die strikte Trennung von Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung, wie etwa in den Niederlanden bereits geschehen, überdenken. "Dort gilt diese Differenzierung mittlerweile als anachronistisch", sagt Pommer.

Mit gutem Beispiel voran

Die Niederlande gelten Unterstützern der Initiative Forschungsvielfalt auch aus einem anderen Grund als Best-Practice-Beispiel: Obwohl die Forschungsquote mit 2,6 Prozent niedriger ist als die österreichische mit 3,2 Prozent, sind die Niederlande trotzdem Mitglied der innovativsten Länder Europas. Österreich will zwar schon seit Jahren zu dieser Ländergruppe aufschließen, hat das Ziel aber trotz einer der höchsten europäischen Forschungsquoten noch immer nicht erreicht. Offensichtlich setzen die Niederländer ihre Mittel zielgerichteter ein, hieß es während der Berichtspräsentation. Ein Grund dafür: Anders als in Österreich wird in den Niederlanden ein besonderer Wert auf partizipative Forschung gelegt. Forschungsgeld fließt nur dann, wenn Forschungsinstitutionen und Unternehmen einen gemeinsamen Forschungsantrag stellen. In Österreich sei das anders. Heimische Unternehmen können die Auszahlung einer Forschungsprämie – sie beträgt insgesamt immerhin eine Milliarde Euro – ohne den Nachweis eines Forschungspartners bewilligt bekommen. Die Forschungsprämie erhöhe dann zwar die Forschungsquote, nicht aber automatisch das Innovationsniveau.

Betont wird bei der Präsentation, dass gerade in Zeiten drängender gesellschaftlicher Probleme anwendungsorientierte Forschung immer mehr an Stellenwert gewinne. So seien viele nachhaltige Zukunftstechnologien – von Energiespeichersystemen bis zu Elektrolyse- oder Dekarbonisierungstechnologien – erst im Labor- oder Demonstrationsstadium. Für die Weiterentwicklung in Unternehmen seien aber Fachhochschulen und außeruniversitäre Forschungsinstitute wertvolle Forschungspartner. Ebenso sei angewandte Forschung im Hinblick auf viele gesellschaftliche Problembereiche, etwa die demografische Entwicklung und damit im Pflege- und Gesundheitsbereich, ein absolutes Muss. Auch hier spielen Fachhochschulen und außeruniversitäre Institute eine große Rolle als Forschungspartner.

Unterbewertete Forschung

Außeruniversitäre Forschung kümmere sich zudem um die Umsetzung vieler neuer Nachhaltigkeitsinitiativen – von der Etablierung innovativer Konzepte in der Plastikvermeidung bis hin zu neuen Begrünungskonzepten für klimaneutrale Städte. Solche Projekte bedürfen bei der Umsetzung oft auch sozialwissenschaftlicher Begleitung, um soziale Innovationen auch nachhaltig etablieren zu können. "Auch das ist angewandte Forschung, die oft unterbewertet ist", sagt Klaus Schuh vom Zentrum für Soziale Innovation (ZSI), das als außeruniversitäres Forschungsinstitut für angewandte Sozialforschung die Initiative ebenfalls unterstützt.

"Wohlstand entsteht jedenfalls durch Produkte, die man am Markt verkaufen kann", erklärt Iris Filzwieser, Präsidentin der ACR, bei der Präsentation des Berichts. "Aber gerade um die Entwicklung von marktfähigen Technologien, Produkten und Services zu stärken, müssen die Rahmenbedingungen für die anwendungsorientierte Forschung an Fachhochschulen und außeruniversitären Forschungsinstitutionen verbessert werden", sagt sie. Deshalb sprechen sich zwei Drittel der Befragten auch für die Gründung einer eigenen Dach- oder Lobbyingorganisation aus. Die neue Interessenvertretung sollte ähnlich wie die deutsche Leibniz-Gemeinschaft strategische Aufgaben für anwendungsorientierte und außeruniversitäre Forschungsinstitutionen übernehmen und einen Interessenausgleich verhandeln. (Norbert Regitnig-Tillian, 16.12.2023)