Lina Rummler und Lukas Plan am Weg durch die Höhle
Geht sich das aus? Ja, tut es! Durch den rechts sichtbaren Spalt kommt man leichter, als der Anblick es vermuten lässt.
Marlene Erhart

Das "Tote Weib" zeigt uns die Grenzen des Machbaren auf. Unweit des steirischen Mürzstegs gelegen, wäre die Wasserhöhle unser Ziel gewesen. Der Winter ist die Zeit, diesen permanent Wasser führenden Höhlentyp gefahrlos zu erkunden. Da Niederschlag als Schnee fällt, ist das Risiko eines plötzlichen Wasseranstiegs gering. Im Sommer droht bei plötzlichem Regen Lebensgefahr. Doch Witterung, Schneeverhältnisse und technische Gebrechen an diversen Fahrzeugen durchkreuzen auch nun unser Vorhaben.

Doch ein echter Höhlenforscher gibt so leicht nicht auf. Schnell hat Lukas Plan, Geologe am Naturhistorischen Museum Wien (NHM), ein Ersatzprogramm parat. Unser neues Ziel liegt rund 45 Autominuten von Wien entfernt. Mit an Bord ist auch die ebenfalls am NHM tätige Geologin und Höhlenforscherin Lina Rummler. Über einen verwachsenen Pfad bahnen wir uns den Weg, bis wir vor einem steinernen Bogen stehen. Eine alte Eisengittertür versperrt den Zugang.

"Man hat diese Höhle in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei Steinbrucharbeiten entdeckt", erzählt Plan, während er die Schlösser aufschließt. Der heutige Eingang zu der rund 200 Meter langen Formation wurde 1931 aufgesprengt. Von da an wurde sie einige Zeit als Schauhöhle genutzt, wovon heute einzelne verrostete Lampenhalterungen zeugen. Wir betreten die imposante Eingangshalle, deren Dimensionen sich durch das noch einfallende Tageslicht erahnen lassen.

Eingangshalle Höhle
Der Blick in die Eingangshalle, die rund acht mal 13 Meter misst.
Marlene Erhart

Schlazen wir uns an

Von der Straßenkleidung wechseln wir in den Overall, den "Schlaz". Bevor man eine Höhle befährt, so die korrekte Bezeichnung, "schlazt" man sich also an. Als Gruß wünscht man sich in der Höhlenforschung übrigens "Glück tief". Der Rest des Outfits besteht aus Gummistiefeln, Helm und Stirnlampe sowie dünnen Handschuhen. Unter dem Schlaz empfiehlt sich ein langärmliges, aber dünnes Shirt, wie Plan vor unserem Termin schreibt.

Ausrüstung der Höhlenforschung
Der von Höhlenforschenden getragene Overall wird als Schlaz bezeichnet. Daneben gehören bei der Befahrung von Höhlen Helm und Stirnlampe zur Ausrüstung.
Lukas Plan

In der Höhle zeigt sich schnell, warum dicke Kleidung nicht nötig ist. Mit jedem Schritt, den wir uns aus der kühlen Eingangshalle voranbewegen, steigt die Temperatur. Im Inneren herrschen gut zehn Grad. Steil und kaskadenartig steigt der Untergrund an, ein fix verankertes Seil erleichtert das Vorankommen in dieser Etappe. Der nasse Fels sieht extrem glitschig aus, fühlt sich aber überraschend rau an. In der Finsternis um uns hört man jeden Wassertropfen, der zu Boden fällt.

600.000 Jahre und älter

Das Plätschern ist das einzige zu vernehmende Geräusch. Am Ende des Anstiegs zeigt Plan auf einen gut hüfthohen Tropfstein, genauer einen Stalagmiten. "Wir haben den einmal angebohrt, um das Alter herauszufinden", erzählt er. "Der Tropfstein war allerdings älter als das Limit der angewandten Uran-Thorium-Methode, das bei immerhin 600.000 Jahren liegt." Wir klettern über eine Leiter, schlüpfen durch einen niedrigen Durchgang und steigen über eine weitere Leiter in die Dunkelheit ab.

Lukas Plan vor einem Stalagmiten
Höhlenforscher und Geologe Lukas Plan vor einem mindestens 600.000 Jahre alten Stalagmiten.
Marlene Erhart

Die Welt reduziert sich hier auf den Lichtkegel der Stirnlampe. Jede Biegung kann Überraschungen bereithalten. Deutlich wird das auf gut halbem Weg durch die Höhle, als wir in die "Rote Halle" gelangen. Plan holt ein zusätzliches Licht aus der Tasche und richtet es zur 14 Meter hohen Decke. Rostrote Schlieren ziehen sich über die Wände, ockerfarbene Sinterkaskaden werden sichtbar. Runde Lösungsformen an der Höhlendecke sind ein Hinweis auf die ungewöhnliche Entstehung dieser Karsthöhle.

Höhlendecke
Runde Lösungsformen an der Höhlendecke deuten auf die Entstehung der unterirdischen Struktur hin.
Marlene Erhart

Meistens werden Höhlen durch Lösung von Kalkgestein durch Kohlensäure-haltiges Wasser geschaffen, das von oben durchs Gestein sickert. Im Gegensatz dazu bilden sich hypogene Höhlen durch Wasser, das aus der Tiefe aufsteigt. So entstand auch die von uns befahrene Höhle. Als Faustregel gilt: Je höher eine Höhle liegt, desto älter ist sie. Alpine Höhlen wie die bekannten Schauhöhlen Eisriesenwelt und die Dachstein-Mammuthöhle sind rund fünf Millionen Jahre alt.

Neuland im Untergrund kartieren

Die primäre Aufgabe der Höhlenforschung ist das Vermessen und Kartieren. Erst dann können gewisse Abschnitte und Fundstellen lokalisiert und erforscht werden. Aufgrund seiner Geologie besitzt Österreich trotz der kleinen Staatsfläche eine enorme Anzahl von Höhlen. Rund 18.500 sind bis heute dokumentiert, doch auf jeden erkundeten Höhlenmeter kommen unzählige, die nicht vermessen oder gänzlich unbekannt sind.

Höhlenforscherin Lina Rummler
Höhlenforscherin und Geologin Lina Rummler beim Abstieg in die Tiefe.
Marlene Erhart

Kürzlich hat Rummler in einer Höhle einen kleinen, bis dahin unbekannten Bach entdeckt. "Wir haben zwar auch eine Halle entdeckt, aber den Bach fand ich cooler", sagt sie. Plan ist die Entdeckung eines Schachts in 300 Meter Tiefe auf dem Hochschwab in Erinnerung – dieser hat einen Durchmesser von 30 Metern und eine Tiefe von 250 Metern. Der Donauturm würde darin Platz finden. Beim Abseilen in unbekanntes Dunkel bedient man sich zur Einschätzung der Tiefe und des Seilbedarfs eines einfachen Tricks, verrät Plan: "Man lässt ein Steinchen fallen und zählt, wie lange es dauert, bis man den Aufschlag hört."

Wie viele Höhlen hierzulande unentdeckt sind, kann niemand sagen. Auf neue stößt man oft zufällig, etwa bei Steinbrucharbeiten. Auch Hinweise und überlieferte Erzählungen aus der Bevölkerung helfen, die Zahl bekannter Höhlen zu steigern. Das meiste Wissen um diese Archive im Untergrund stammt übrigens von Hobbyforschenden, erzählt Plan. Er schätzt, dass ihnen hierzulande 99 Prozent der Kenntnisse über Höhlen zu verdanken sind.

Niedrige Höhlengänge
Lukas Plan auf dem Weg durch niedrige Höhlengänge.
Marlene Erhart

Finanziert wird die Erkundung von Höhlen zum einen durch einzelne Forschungsprojektförderungen, andererseits erhält der Verband Österreichischer Höhlenforschung neben Mitgliedsbeiträgen auch kleine Zuwendungen für die Exploration von offiziellen Naturschutzstellen. Der Gutteil wird aber von den Hobby-Höhlenforschenden selbst finanziert.

Abgebrochene Tropfsteine, gestohlene Knochen

Dass einige der unterirdischen Formationen für die Öffentlichkeit verschlossen bleiben, liegt an der befürchteten Zerstörung. "Man muss nicht die Menschen vor Höhlen schützen, sondern die Höhlen vor den Menschen", sagt der Forscher. In manchen wurden alle Tropfsteine abgebrochen, in anderen Namen in Wände geritzt und Graffitis hinterlassen. Es gab Fälle, in denen Knochen und Zähnen von Höhlenbären ausgegraben und entwendet wurden. Großen Schaden richten auch Lagerfeuer und Fackeln an.

Fledermaus in der Lurgrotte
Eine Fledermaus in der Lurgrotte, die als Österreichs größte wasserdurchströmte Tropfsteinhöhle gilt. Als sensibles Ökosystem und Lebensraum spezialisierter Tierarten brauchen Höhlen besonderen Schutz.
APA/HELMUT FOHRINGER

Der Rauch steigt in Spalten und Kammern auf, in denen Fledermäuse ihr Zuhause haben und die in den Rauchschwaden ersticken können. Schon im Vorgespräch bittet Plan daher, den Namen der Höhle und ihre genaue Lage unter Verschluss zu halten. Etliche Höhlen dienen zudem als Winterquartier für Fledermäuse. Werden die Tiere in dieser Zeit geweckt, verbrauchen sie Energiereserven, was ihren Tod bedeuten kann. Um sie nicht zu stören, sind diese Höhlen für die Forschung von Mitte Oktober bis Anfang April tabu. In der von uns befahrenen Höhle wurden seit Jahren keine Fledermäuse mehr gesichtet.

Sichere Trinkwasserversorgung

Aufschlussreiche Forschungsstätten und Fundstellen sind Höhlen für Geologie und Paläontologie, Hydrologie, Archäologie und Biologie. Sie konservieren als oft unberührte Zeitkapseln Knochen, Fossilien und Spuren früher menschlicher Kultur und lassen Klimaforschende weiter in die Vergangenheit blicken als Grönlands Eispanzer. In einer schmelzenden Welt sind Tropfsteine wichtige Zeugen klimatischer Verhältnisse aus längst vergangenen Tagen.

Stalaktit
Ein kleiner Stalaktit nimmt an der Höhlenwand Form an.
Marlene Erhart

Die Erforschung von Höhlen hat auch für die Gegenwart Relevanz – etwa für die Trinkwasserversorgung. Etwa die Hälfte der österreichischen Bevölkerung wird mit Wasser aus Karstquellen versorgt. Messungen in Karsthöhlen zeigen, wie schnell das Nass von der Oberfläche zu den Quellen fließt. Je höher die Geschwindigkeit, desto problematischer sind Verschmutzungen, da diese kaum abgebaut oder verdünnt werden können. Für Wasserversorger ist dieses Wissen extrem wertvoll. Wiener Wasser kooperiert seit 20 Jahren mit Höhlenforschenden, um hydrologische Messungen im Karstgebirge zu ermöglichen.

Lebensgefahr unter der Erde

Je weiter wir gehen, desto niedriger werden die Gänge. Aus der Hocke geht es irgendwann in Bauchlage. In einer Zwischenkammer machen wir kurz Pause. Im Gegensatz zum Rest der Höhle ist die Luft hier merklich stickig. Obwohl sich in manchen Abschnitten größere Mengen CO2 sammeln können, besteht Plan zufolge hier und in alpinen Höhlen aber kein Risiko zu ersticken.

Engstelle in der Höhle
Manchmal muss man sich etwas drehen und verrenken, um durch enge Passagen zu passen.
Marlene Erhart

Sehr real ist jedoch die Gefahr, die Orientierung zu verlieren – zumindest für Höhlenneulinge wie mich. Keine Ahnung, wie tief wir unter der Erde und in welche Himmelsrichtung wir gegangen sind. Dennoch als verpönt gilt der Ariadne-Faden, den man legt, um wieder aus der Höhle zu finden. "Dilettantisch" nennt Plan diese Methode kopfschüttelnd. Ob ich ohne erfahrene Begleitung den Weg zurück finden würde, ist fraglich. Das liegt auch daran, dass ich an manchen Engstellen nur den mit Sediment bedeckten Boden knapp unter meinem Gesicht sehe. Es könne gut sein, dass diese Gänge, wenn man sie vom Sediment befreien würde, eine Höhe von mehreren Metern hätten, meint Plan.

Die größte Gefahr geht in Höhlen aber von Steinschlag und Wasser aus. Letzteres kann bei Regen kleine Rinnsale in Sekundenschnelle in reißende Fluten verwandeln. Dabei ist die Gefahr zu ertrinken nicht so groß wie jene zu unterkühlen. In zwei Grad kaltem Wasser verliert man rasch das Gefühl in den Fingern und kann vor allem in Schächten die Ausrüstung nicht mehr richtig bedienen und sich kaum aus der Gefahrenzone bringen. Auch Plan geriet in der Dachstein-Mammuthöhle in eine gefährliche Situation, als er und seine Begleiter von einem Regenguss überrascht wurde. "Wir sind 23 Stunden lang auf einem schmalen erhöhten Grat gekauert und haben gewartet, bis der Wasserfall neben uns wieder abnimmt."

Tief im Höhleninneren gelangen wir in die "Rote Halle". An der höchsten Stelle misst sie 14 Meter.
Marlene Erhart

Notfälle als psychische Belastung

Daneben bildet Steinschlag, verursacht durch Forschende selbst, die größte Bedrohung. Seilt man sich in einen Schacht ab, kann die Bewegung des Seils Gestein losbrechen – ebenso wie ein falscher Schritt nachfolgender Kolleginnen und Kollegen. Die größte psychische Belastung sei der Gedanke an eventuelle Notfälle, sagt Plan. "Du weißt, dass du ein Problem hast, wenn in dieser Abgeschiedenheit etwas schiefgeht und du Hilfe brauchst."

Um sich für alle Eventualitäten zu wappnen, gehe man daher meist zumindest zu dritt in größere Höhlen. Sollte etwas passiert, kann jemand bei der verletzten Person bleiben und jemand anderer aufbrechen, um Hilfe zu holen. Als Sicherheitsmaßnahme wird mit einer Kontaktperson stets ein Zeitpunkt vereinbart, zu dem man wieder an der Oberfläche sein sollte. Ist dieser verstrichen und ist keine Meldung der Rückkehr eingegangen, setzt der Außenkontakt die Rettungskette in Gang.

Sinterkaskaden und Tropfsteine
Im Höhleninneren stößt man immer wieder auf bizarr anmutende Formationen wie Knötchensinter, Sinterkaskaden und natürlich Tropfsteine.
Marlene Erhart

Rettung aus einem Kilometer Tiefe

Der letzte gigantische Rettungseinsatz im deutschsprachigen Raum fand 2014 statt. Der Höhlenforscher Johann Westhauser wurde durch Steinschlag schwer am Kopf verletzt, als er sich in rund einem Kilometer Tiefe und sechs Kilometer vom Höhleneingang entfernt befand. Zwölf Tage dauerte die Bergung, an der sich rund 900 Personen beteiligten.

Im aktuellen Sommer geriet der US-Höhlenforscher Mark Dickey in gut tausend Meter Tiefe in der Morca-Höhle im Taurusgebirge in Not. Aus ganz Europa reisten Helfende für die Bergung an. Die schwerste Aufgabe war die Verbreiterung der engen Höhlengänge, um den an einer Magenblutung leidenden Dickey auf der Krankentrage zum Höhlenausgang zu transportieren. Für 300 Meter brauchten sie dafür bis zu zehn Stunden.

Eine der häufigsten Fragen und zugleich einer der größten Irrtümer über Höhlenforschung ist jene nach der Einsturzgefahr. "Diese Strukturen existieren oft seit Millionen von Jahren, denen kann kein Erdbeben etwas anhaben und sie stürzen auch nicht einfach ein", klärt Plan auf. Tatsächlich kann neben oder über einem die Welt untergehen, ohne dass man in der Höhle davon Notiz nimmt. Ein Beispiel dafür sind die Erzählungen von Forschenden, die während des verheerenden Erdbebens im italienischen Friaul auf Tour in der Tiefe waren. Sie bemerkten erst, welche Katastrophe sich in ihrer Nähe ereignet hatte, als sie wieder an der Oberfläche waren.

Völlige Isolation und Katzenstreu

Da ohne größeren Aufwand kein Funksignal in diese Tiefen vordringt, erleben Höhlenforschende bei ihrer Rückkehr mitunter schauderhafte Überraschungen. Im November 2020 war Plan mit Kolleginnen und Kollegen tagelang auf Tour in der Eisriesenwelt – im Freien läuteten ihre Telefone pausenlos. Verwandte, Freundinnen und Freunde erkundigten sich, ob es ihnen gutgehe. In ihrer Abwesenheit hatte in Wien ein Terroranschlag stattgefunden, bei dem vier Menschen starben. Diesen April kehrte die Spanierin Beatriz Flamini nach 500 Tagen in einer Höhle an die Oberfläche zurück und erfuhr so gleichzeitig vom Ausbruch des Ukrainekriegs und dem Ende der Corona-Pandemie.

Höhlengänge
Für Höhlenforschende wird die Welt im Untergrund manchmal für mehrere Tage oder auch Wochen zum Stützpunkt.
Marlene Erhart

Für Forschende ist es keine Seltenheit, mehrere Tage oder gar Wochen und Monate in Höhlen zu verbringen. Oft sind lange Aufstiege nötig, um zum Eingang zu kommen, auch liegen manche Forschungsziele einen oder mehrere Tagesmärsche von der Oberfläche entfernt. In solchen Fällen werden fixe Biwaks errichtet, die mehreren Expeditionen als Lager dienen. Der Vorteil ist, dass man nicht jedes Mal die ganze Ausrüstung mitschleppen muss. Den Nachteil bildet die Feuchtigkeit in Höhlen. Behelfen kann man sich mit zweckentfremdeter Katzenstreu, die Schlafsäcke und anderes Equipment trocken halten kann.

Kriechend und mit vorgestreckten Armen – ein Trick, um durch schmale Öffnungen zu passen – erreichen wir die Knötchensinterkammer. Diese mit winzigen Kügelchen übersäte Kammer liegt am bisher bekannten Ende der Höhle. Plan ist überzeugt, dass es noch tiefer in den Berg geht. Wo heute Sediment den Weg versperrt, vermutet er weitere Gänge und Kammern. Es müsste nur jemand den Weg freiräumen.

Testgelände der Raumfahrt

Apropos: Eine Frage aus dem STANDARD-Forum war, ob schmale Durchgänge verbreitert werden. Das wird durchaus gemacht, wenn es sich nicht um strenggeschützte Höhlen handelt. Allen Erwartungen zum Trotz passt man aber durch kleinere Spalten, als man denkt. Um durch die schmalste Öffnung auf unserer Tour zu schlüpfen, müssen Rummler und ich die Helme absetzen. Wir versuchen diese Passage aus reiner Neugier. Mehrmals muss ich mich drehen und wenden, um beide Schultern durch die Öffnung zu bekommen. Zwischen Höhlenwand und Körper passt kein Blatt Papier. Elegant wie ein nasser Sack falle ich am anderen Ende auf weiches Sediment. "Vielleicht wollen Höhlenforscher nur ein Geburtstrauma überwinden", sagt Plan lachend.

Passage einer Engstelle
Dank guter Anleitung kann man sich selbst als Laiin durch die schmalsten Spalten quetschen.
Lukas Plan

Seine liebste Beschreibung der Höhlenforschung stammt aus einem Artikel der deutschen "Zeit" – es sei die "Raumfahrt des kleinen Mannes". In der Tat hat die Erkundung der Tiefe einiges mit Flügen ins All zu tun. So dienen Höhlen als Testgelände, um Raumanzüge auf Bewegungsfreiheit und Widerstandsfähigkeit zu prüfen. Astronautinnen und Astronauten können in der Tiefe das Leben in Isolation proben, auch Gruppendynamiken lassen sich auf engem Raum durchspielen.

Passage einer Engstelle
Forscherin Lina Rummler bestreitet die engste Passage unserer Höhlenbefahrung.
Marlene Erhart

Was Plan immer wieder bemerkt: "Die Zeit vergeht in Höhlen schneller." Ich versuche abzuschätzen, wie lange unsere Exkursion gedauert hat. Gefühlt ist eine Stunde vergangen. Doch die Aufnahmezeiten der Handyfotos verraten: Wir waren zwei Stunden unterwegs. Und noch eine Prophezeiung hat sich erfüllt: Neben Abschürfungen an den Fingerknöcheln zieren blaue Flecken meine Beine. Ein wahrlich geringer Preis für das einmalige Abenteuer im Untergrund. Auf die letzte Frage, wie verrückt Höhlenforschende seien, meint Plan grinsend: "Man muss schon einen gewissen Spinner haben, um sowas zu machen." (Marlene Erhart, 27.12.2023)