Die Kirchbergerin Katharina Gutensohn feierte ihre acht Weltcupsiege in der Abfahrt. Viermal triumphierte sie für Österreich, viermal für Deutschland.
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Geschwindigkeit und Mut haben in der Karriere von Katharina Gutensohn wesentliche Rollen gespielt. Etwa als sie im Februar 1990 in Veysonnaz, Schweiz, innert 24 Stunden zwei Abfahrten gewinnen konnte und mit 139 km/h einen Speedrekord im Weltcup der Frauen aufstellte. Das Tempo am Körper zu fühlen, hat bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen. "Es war eine extrem schnelle Abfahrt mit Riesensprüngen, sie war mir auf den Leib geschneidert, hat großen Spaß gemacht", sagt die 57-jährige Tirolerin, die bei der WM 1985 in Bormio mit nicht einmal 19 Jahren Abfahrtssilber und 1990 kleines Kristall für den Abfahrtsweltcup gewonnen hat. Meinungsverschiedenheiten mit dem ÖSV veranlassten sie 1989 zum Deutschen Skiverband zu wechseln. Für den DSV feierte sie wie für den ÖSV je vier Siege im Abfahrtsweltcup. Später war sie auch als Skicrosserin erfolgreich.

Springender Punkt

"Die Freude war der springende Punkt", sagt Gutensohn über ihren Weg in den Skirennsport. Freude will sie auch den Jungen vermitteln. Denn so seien die Strapazen des Spitzensports viel leichter zu bewältigen. Auch auf die "Freuden der Jugend, ausgehen und viel trinken", könne man so leichter verzichten. "Oft sind neben dem Alkohol leider auch Drogen im Spiel. Darum finde ich Sport so wichtig. Es kann natürlich auch Musik oder Kunst sein, Hauptsache, die Kinder entwickeln einen Enthusiasmus dafür."

Gutensohn hat schon "sehr viel ausprobieren dürfen", so fuhr sie etwa Autorennen im Beetle-Cup und nahm an einer Paragleit-WM teil. Auf Medaillenkurs liegend, erwischte sie am letzten Berg keine Thermik und wurde Vierte. Besser lief es 2009 im Skicross, als sie im Finale eine knapp vor ihr fahrende Französin mit einem geschickten Satz beim letzten Sprung noch überholen und ihren zweiten Weltcuperfolg in dieser Disziplin feiern konnte. 2013 wagte sie sich aufs Tanzparkett und nahm mit Profitänzer Christoph Santner an der ORF-Show Dancing Stars teil. Die beiden schieden aber bald aus.

Nachdem sie 2010 ihre Karriere als Raserin mit fast 44 beendet hatte, reüssierte sie als Sportjournalistin, schrieb etwa für die Krone und die Süddeutsche. Aus der Erfahrung heraus, dass "Journalisten unangenehm sein können", wuchs das Interesse, "genauer auf die andere Seite hinzuschauen. Als Athlet fährt man über einen anderen Athleten nicht so rabiat drüber wie ein Außenstehender." Gutensohn empfiehlt, nicht oberflächlich zu fragen, sondern ins Detail zu gehen, nicht mit Sagern Aufmerksamkeit zu erregen, sondern sich mehr mit der Materie zu beschäftigen.

Katharina Gutensohn reüssierte auch als Sportjournalistin.
Gutensohn

Mit ungewöhnlichen Problemen musste sie sich während ihrer Skikarriere beschäftigen. Ihr damaliger Cheftrainer sei sehr von ihr "begeistert" gewesen, leider aber auch "sehr einnehmend" geworden. "Er dachte, er müsse mich komplett lenken. Da hat es öfter Diskrepanzen gegeben. Die Begeisterung ist ins Gegenteil umgeschlagen, weil ich nicht gewillt war, alles genau so zu machen, wie er wollte." Es sei um völlig absurde Sachen gegangen, etwa welche Kleidung sie tragen sollte. "Als ich dann einen Rosenheimer geheiratet habe, war das praktisch das i-Tüpferl. Er durfte nicht einmal in die Nähe unserer Unterkunft. Als ich nach einem Rennen zu meinem Mann fuhr, statt im Teamhotel zu übernachten, wurde ich für drei Rennen gesperrt. Dann hat mich die Wut gepackt, das war so lächerlich und unfair."

In der Folge wurde sie nicht für die WM 1989 in Vail berücksichtigt, obwohl ihr ein Startplatz in Aussicht gestellt worden war, wenn sie das letzte Rennen vor der WM als beste Österreicherin beenden würde. Dann tatsächlich Schnellste, wurde sie dennoch nicht nominiert, stattdessen sei die Quote geändert und ein Mann mehr berücksichtigt worden. "Das war mir dann zu viel Schikane. Wir durften damals gar nichts. Ein bissl seinen eigenen Weg zu gehen war undenkbar und nicht erwünscht." Die Situation habe sich Gott sei Dank zum Wohl der Athleten gebessert. "Es wird mehr toleriert und darauf geachtet, dass die Sportler das Umfeld bekommen, das sie brauchen."

Band für Band

Auch andere Rückschläge hatte Gutensohn wegzustecken. Zweimal lautete die Diagnose Kreuzbandriss, einmal machte ein aufgelöstes Kunstband eine Operation nötig. "Im ersten Moment ist man komplett am Boden zerstört. Aber nach der OP wird der Schalter umgelegt. Man will wieder den Zustand der absoluten Fitness haben, das gibt dir die Motivation, den beschwerlichen Weg bedingungslos weiterzugehen. Die Therapien ziehen sich über Monate, und jeder Tag beinhaltet stundenlanges Training. Das erfordert sehr viel Durchhaltevermögen und Disziplin."

Gutensohn fungiert als Botschafterin bei "Brustkrebs Deutschland." Das ist ihr wichtig, weil ihr Vater an Krebs verstarb. "Es geht immer darum, dass man früh genug dran ist. Ich habe es miterlebt, wie es laufen kann, wenn ein Mensch innerhalb von drei Monaten verstirbt. Es war grauenhaft." Daher achte sie auf ihre Ernährung, versuche viel Sport zu betreiben und gesund zu leben. Ein besonderes Anliegen ist ihr als Sportlerin, die "viel bekommen und schöne Zeiten gehabt" hat, Menschen zu unterstützen.

Gutensohn ist verheiratet und dreifache Mutter. Ihr jüngster Sohn (17) ist leidenschaftlicher Skirennläufer und besucht die internationale Skiakademie in Tignes. Als Ambassador nimmt Gutensohn die Rolle einer Beraterin ein und unterstützt junge Athleten. Ihre Tochter (19) spielt professionell Tennis und wird von Wolfgang Thiem trainiert. Der zweite Sohn (23) tanzt etwas aus der Reihe, studiert in den Niederlanden Politik und Geografie.

Sehr kritisch betrachte Gutensohn die sozialen Medien. "Da wird zu wenig zensiert. Vor allem Kinder werden mit Themen konfrontiert, die überhaupt nicht altersgerecht sind. Dadurch können sich ernsthafte psychische Probleme im späteren Leben entwickeln. Auch Influencer sollten viel selbstkritischer ans Werk gehen und sich sehr gut überlegen, was sie posten. Kinder sind leicht beeinflussbar."

Zu denken gaben und geben ihr nicht nur die Pandemie und die damit einhergehenden Zustände, sondern auch die folgenden Kriege und die Klimakrise mit all ihren Auswirkungen. "Die Situation ist sehr bedenklich und beängstigend. Ich bin kein Pessimist, aber die weltweiten Geschehnisse, ob klimatischer oder politischer Art, sind erschreckend. Für uns alle sollte eine lebbare und sichere Zukunft für unsere Kinder das größte Anliegen sein." (Thomas Hirner, 27.12.2023)