Die ÖVP unter Karl Nehammer schließt eine Koalition mit Herbert Kickl aus, nicht aber eine Koalition mit der FPÖ.
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Das kommende Jahr wird ein Jahr der politischen Weichenstellungen. Neben zwei Landtags- und einer Europawahl steht auch eine Nationalratswahl im Kalender – und diese wird mehr denn je darüber entscheiden, wie sich Österreich in Zukunft entwickelt: Bleibt das Land eine liberale Demokratie, oder schlägt es jenen Weg der Unfreiheit ein, den Ungarn und Polen in den vergangenen Jahren beschritten haben?

Die FPÖ steht für die letztere Variante, und sie ist in ihrer Positionierung deutlich – Missverständlichkeit ist einer der wenigen Vorwürfe, den man den Freiheitlichen nicht machen kann.

Eindeutige Optionen auf dem Stimmzettel

Damit sich die Bevölkerung für oder gegen diese Kursänderung aussprechen kann, braucht sie eindeutige Optionen auf dem Stimmzettel: Sie muss wissen, welche Parteien mit den Blauen ein illiberales Zeitalter einläuten würden und wer eine Regierungszusammenarbeit mit der radikalisierten Partei ausschließt.

Aktuell bieten nur Neos und Grüne diese Klarheit. SPÖ-Chef Andreas Babler wollte sich zuletzt nicht festlegen und Regierungsverhandlungen erst nach der Wahl diskutieren. Das gibt Anlass zur Sorge, wenngleich eine blau-rote Koalition aufgrund aufrechter Parteitagsbeschlüsse und einer gestärkten Basis unwahrscheinlich bleibt.

Am wenigsten Sicherheit bietet den Wählerinnen und Wählern die Volkspartei: Sie schließt eine Koalition mit Kickl aus, nicht aber mit seiner Partei. Das ist aus mehreren Gründen wirkungslos.

Erstens hat Kickl die FPÖ zu hundert Prozent auf seine Linie gebracht: Verschwörungsmythen vom "tiefen Staat" und einem angeblich gesteuerten "Bevölkerungsaustausch" wurden zur Parteilinie erhoben, die Distanzierung von den rechtsextremen Identitären eliminiert. Selbst wenn die ÖVP eine blau-schwarze Koalition ohne Kickl verhandeln könnte, würden die Freiheitlichen immer noch Kickl-Politik machen.

Zweitens zeigen schwarze Landeshauptleute in Oberösterreich, Salzburg und Niederösterreich, was ihnen ihre Macht wert ist. In diesen Bundesländern regiert die ÖVP gemeinsam mit den Freiheitlichen – unter der fadenscheinigen Beteuerung, dass "ihre" FPÖ ja ganz anders sei als die Bundespartei. Besonders lächerlich ist dieses Argument in Niederösterreich, wo Johanna Mikl-Leitner gemeinsam mit Kickl-Klon Udo Landbauer regiert.

Warnsignal

Die Landeshauptfrau verweist in ihrer Rechtfertigung darauf, dass die SPÖ unerfüllbare Forderungen gestellt und sie so zur schwarz-blauen Koalition gezwungen hätte. Das muss als Warnsignal für den Bund verstanden werden: Wenn sich die Roten auch nach der Nationalratswahl spielen, bleibt der ÖVP wohl auch dort nur eine Koalition mit den Blauen übrig, um ihre Macht zu sichern. Man meint die niederösterreichische Führungsriege der schwarzen Bundespartei schon jetzt hören zu können, wie sie einen weiteren Tabubruch wegerklärt.

Sowohl sozialdemokratisch als auch konservativ gesinnte Wählerinnen und Wähler brauchen 2024 eine Option auf dem Stimmzettel, die gesichert gegen politische Rückschritte im großen Stil eintritt. Sozialdemokraten und Volkspartei müssen dieses Angebot machen, und zwar kompromisslos und ohne Hintertüren. (Sebastian Fellner, 28.12.2023)