2024 stehen wieder Nationalratswahlen an.
APA/EVA MANHART

Im nächsten Jahr gibt es Wahlen, und jetzt schon spekuliert alles darüber, wie eine nächste österreichische Bundesregierung aussehen könnte.

"Volkskanzler" Herbert Kickl? Eine Neuauflage von Türkis-Blau, mit oder ohne den derzeitigen FPÖ-Chef? Eine Ampel? Oder doch eine Fortsetzung der gegenwärtigen Koalition?

Die Variante, die am wenigsten diskutiert wird, ist diejenige, die Österreich jahrzehntelang regiert hat: eine (jetzt nicht mehr ganz so große) Groko aus ÖVP und SPÖ.

Errungenschaften

Wer alt genug ist, um sich an jene längst vergangenen Zeiten zu erinnern, denkt an die Nachkriegsjahre, in denen zunächst Besatzung und Wiederaufbau im Mittelpunkt standen.

Eine ehrliche Aufarbeitung der Nazivergangenheit brachten diese ÖVP-geführten Regierungen nicht zustande, aber doch einen gewissen nationalen Zusammenhalt und ein neues Österreich-Gefühl jenseits des Parteienstreits. Man sonnte sich im Opferstatus – an allem Bösen waren die Deutschen schuld – und war sich, in Erinnerung an die Zeiten des Bürgerkriegs, zumindest darin einig, dass Christdemokraten und Sozialdemokraten nie mehr aufeinander schießen sollten.

Grüne und Neos gab es noch nicht, die Parteienlandschaft bestand neben den beiden Großen aus dem deutschnationalen "Dritten Lager" und, außerhalb des Parlaments, den Kommunisten, deren Basis neben Arbeitern aus einstigen USIA-Betrieben zu einem nicht geringen Teil aus zurückgekehrten Emigranten bestand.

Die Groko erfand die Sozialpartnerschaft und führte Österreich in die Europäische Union. Keine geringen Errungenschaften. Auch die jeweiligen Zielgruppen waren damals noch recht übersichtlich verteilt: Bauern und Unternehmer wählten überwiegend ÖVP, Arbeiter und städtische Intellektuelle überwiegend SPÖ.

Freilich, in den Sechzigerjahren gewann die Große Koalition ihren schlechten Ruf. Der Proporz regierte, und die Menschen hatten es zunehmend satt, dass hinter jedem schwarzen Chef ein roter Aufpasser stehen musste und dass ohne das "richtige" Parteibuch im öffentlichen Bereich kein Job zu kriegen war. Als danach die Zeit der Alleinregierungen und später der kleinen Koalitionen anbrach, wurde das weitgehend als Befreiung empfunden.

Bewahrung der liberalen Demokratie

Und heute? Als Beobachterin von außen hat man den Eindruck, dass die historischen Parteien ÖVP und SPÖ vornehmlich damit beschäftigt sind, einander gegenseitig schlechtzumachen und gleichzeitig aufzupassen, dass die unzufriedene große Wählerschaft der FPÖ nicht zu sehr vergrämt wird. Aber sind die Themen Freunderlwirtschaft und möglicherweise mangelhaftes Pandemiemanagement wirklich die wichtigsten Herausforderungen, die in unmittelbarer Zukunft auf uns zukommen? Sind das nicht eher die Gefahren des Rechtspopulismus und des Autoritarismus, die weltweit auf dem Vormarsch sind?

Noch hat der Wahlkampf nicht wirklich begonnen. Aber man würde sich wünschen, dass dieser in den nächsten Monaten nicht ausschließlich um kleinliches Hickhack kreisen, sondern das wichtigste Ziel im Auge behalten würde: die Bewahrung der ernstlich gefährdeten liberalen Demokratie. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 27.12.2023)