Straßenszene mit zwei Frauen mit Kopftuch
Die IGGÖ vertritt die islamische Community in Österreich. Was kann die Glaubensgemeinschaft zur Integration des Islam in der Gesellschaft beitragen?
Foto: Getty Images / Iryna Yeroshko

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, kurz IGGÖ, ist eine der ältesten staatlich anerkannten islamischen Organisationen in Westeuropa. Nach ihrer Anerkennung Ende der 70er-Jahre stellte sich die Frage, ob ein Islam europäischer Prägung überhaupt möglich sei, denn noch in den 80er-Jahren herrschte die Meinung vor, dass es nicht möglich sei, den Islam aus der Lebenswelt der Muslime in Europa heraus zu gestalten, da weder der Islam als Religion solche Reformen zulasse noch die Muslime intellektuell dazu in der Lage seien.

Mit der Wiederwahl von Ümit Vural zum Präsidenten der IGGÖ, der in Österreich studiert hat und aufgewachsen ist, stellt sich die berechtigte Frage, ob die erhoffte Generation, die hier in unseren Verhältnissen aufgewachsen und ausgebildet ist, in der Lage ist, solche Reformen durchzuführen.

Lässt man die Geschichte dieser Organisation Revue passieren, können wir die Bemühungen um Veränderung nicht übersehen, aber leider entsprechen die alten, festgefahrenen Strukturen der IGGÖ, die zur Selbstverständlichkeit der Glaubensgemeinschaft gehören, kaum den Erwartungen der Gesellschaft, vor allem der jungen Muslime.

Antiwestliche Positionen

Die Gründe dafür haben sich nicht geändert, auch wenn der Herr Präsident dem widerspricht: Die theologisch-weltanschauliche Ausrichtung der Vereine, in denen die IGGÖ nur eine sehr marginale Rolle spielt, ist nach wie vor von ausländischen politischen, theologischen und islamistischen Interessen geprägt. Die aus dem Ausland eingeladenen Gäste, die regelmäßig in den Moscheevereinen auftreten, vertreten und predigen ganz andere, überwiegend antiwestliche Positionen, die in der europäischen Prägung des Islam einen Verrat am wahren Islam sehen. Solche Einflüsse werden zunehmend von professionellen Strukturen getragen, die in verschiedenen Medien, aber auch bei Veranstaltungen der Moscheegemeinden sehr präsent sind.

Die Moscheegemeinden sind auch nicht an den hier in Österreich ausgebildeten Imamen interessiert, weil sie in einer theologischen Ausbildung in Europa eine gewisse Gefahr für die eigene Religion sehen und alle reformorientierten Theologen als bezahlte Verräter der europäischen Staaten betrachten. Das ist auch der Grund, warum alle großen Verbände für die Universitäten in ihren Heimatländern werben und versuchen, junge Maturanten mit verlockenden Angeboten für diese Universitäten zu gewinnen.

Ausländische Diplome

Nun wird Österreich von Theologieabsolventen überschwemmt, die ihre Diplome in Ländern wie der Türkei, Bosnien, Serbien, Nordmazedonien oder dem Libanon oft unter undurchsichtigen Umständen erworben haben und in Österreich anerkennen lassen. Es ist keine Seltenheit, dass wir Absolventen haben, die ihre Abschlussprüfungen in serbischer Sprache abgelegt haben, ohne die serbische Sprache zu beherrschen. Die österreichischen Behörden sind völlig überfordert, die Hintergründe solcher Zeugnisse seriös zu überprüfen.

Der Wunsch der IGGÖ, Imame hier in Europa auszubilden, ist daher als halbherziges, nur für die Öffentlichkeit bestimmtes Statement zu werten. Ansonsten verfügt die IGGÖ über ausreichend Fördermittel für eigene Einrichtungen, die in der Lage wären, eigene Imame ausreichend weiterzubilden.

Ähnlich sind die Reaktionen der IGGÖ nach den Demonstrationen für Gaza und Palästina. Solche Demonstrationen und judenfeindliche Ausschreitungen sind nicht neu, sondern wurden in den letzten Jahren immer wieder von Mitgliedsorganisationen der IGGÖ organisiert. Diese Organisationen haben zwar ihre Strategie, nicht aber ihre theologisch-politischen Positionen gegenüber Juden beziehungsweise jüdischen Einrichtungen geändert.

Religion in der Schule

Ich persönlich bin davon überzeugt, dass der islamische Religionsunterricht einen wichtigen Beitrag zur Integration muslimischer Kinder in die Gesellschaft leisten und verschiedene Stereotype und Vorurteile gegenüber anderen Religionen korrigieren kann. Auch in diesem Bereich zeigt sich, dass die weltanschauliche Orientierung der beschäftigten Religionslehrer wichtiger ist als deren fachliche Qualifikation. Die Tatsache, dass qualifizierte Absolventinnen, die kein Kopftuch tragen, nicht eingestellt werden, zeigt, wie eng Religion und Religiosität von Lehrkräften definiert werden beziehungsweise welche Theologie dem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen zugrunde liegt.

Auch bei der Besetzung wichtiger Positionen im Schulamt ist zu beobachten, dass ethnische und weltanschauliche Orientierungen nach wie vor ausschlaggebend sind. Die Leitung des Bildungsamts, des Instituts für Islamische Religion, neue Inspektoren, die Seelsorge lassen erkennen, welche Theologie von der IGGÖ favorisiert und gefördert wird. Das Auswahlverfahren bei der Bestellung von Religionslehrkräften ist nach außen hin sicherlich undurchschaubar.

Die IGGÖ ist gut beraten, sich diesen Herausforderungen offen und überzeugend zu stellen und sich vom Druck fremdgesteuerter Interessen zu befreien. Die notwendigen Reformen sollten nicht als Interesse der Mehrheitsgesellschaft gesehen werden, sondern als wichtige Aufgabe für die Zukunft des Islam in Europa. (Ednan Aslan, 9.1.2024)