Nach den Plänen der Stadtregierung soll die Zahl der Fahrten in die Innenstadt deutlich reduziert werden. Ausnahmen sind künftig etwa für Anrainer, Wirtschaftstreibende, Taxis, Lieferanten, Öffis oder Lenkerinnen und Lenker auf dem Weg zu einer Parkgarage vom Ring in die City geplant. Überwacht werden soll das Ganze mit einer Vielzahl von Kameras.
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Die Wiener Innenstadt soll mit einer deutlichen Beschränkung von Einfahrten verkehrsberuhigt werden. Die Kontrollen sollen mittels eines kamerabasierten Überwachungssystems erfolgen. Für die Umsetzung dieses Vorhabens benötigt die Stadt aber eine Änderung in der Straßenverkehrsordnung (StVO). Diese liegt in der Kompetenz des Bundes. Rund um diese notwendige, aber datenschutzrechtlich auch heikle Novelle ist aber ein heftiger Streit zwischen ÖVP und Grünen ausgebrochen. Zwar kursiert regierungsintern bereits seit Oktober des Vorjahres ein Entwurf der StVO-Änderung: Der Vorschlag der grünen Verkehrsministerin Leonore Gewessler sei aber "unausgegoren und praxisfern", wie es ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger formulierte. Eine diesbezügliche StVO-Reform ist derzeit demnach nicht möglich.

Die ÖVP habe daher den Vorschlag eingebracht, Expertinnen und Experten in die Diskussion einzubeziehen. Das Verkehrsministerium habe aber bis dato noch nicht zu dieser Expertenrunde eingeladen, wird kritisiert. Mangels einer Einigung finde laut ÖVP die Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Umsetzung der Kameraüberwachung daher vorerst keinen Niederschlag in der nächsten, mittlerweile 35. StVO-Novelle. Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer wirft Gewessler eine Blockadehaltung vor. Für den türkisen Verkehrssprecher Ottenschläger ist es zudem "offensichtlich, dass durch die Vorgangsweise der Ministerin die geplante Verkehrsberuhigung, die den Menschen in der Inneren Stadt versprochen wurde, verzögert wird". Auch der Lobautunnel werde mit dieser Taktik von Gewessler verhindert.

Diskussion über Demos

Welche Details im grünen Vorschlag zur StVO-Reform nach Ansicht der ÖVP praxisuntauglich sind, will die Volkspartei nicht bekanntgeben. Dem STANDARD liegt aber ein Entwurf der geplanten Novelle vor. Demnach ist geplant, dass die Kameras im betroffenen Verkehrsbereich aus Datenschutzgründen "während Demonstrationen, Sportveranstaltungen und ähnlichen Großereignissen" auszuschalten sind. Außerdem sind diese "mit einer geeigneten Abdeckung zu verhängen". In Wien, wo zahlreiche Demos am Ring sowie in anderen Teilen der Innenstadt stattfinden, wäre das ein großes Thema. Hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, dass die ÖVP etwa diesen Passus für problematisch hält. Offiziell heißt es aus dem türkisen Parlamentsklub nur, dass der Entwurf "aufgrund der komplexen datenschutzrechtlichen Vorgaben und kompetenzrechtlichen Fragen" eben noch in einer Expertenrunde auf seine Praktikabilität geprüft werden soll.

Im StVO-Entwurf wird zudem angeführt, dass vor dem Einsatz eines Kamerasystems zur Zufahrtskontrolle auch noch "gelindere Maßnahmen" geprüft werden müssten. Das könnten etwa regelmäßige Polizeikontrollen statt Kameras sein. Erst wenn festgestellt wird, dass diese "untauglich" seien, könnten demnach Kameras installiert werden.

Die Wiener Grünen verweisen darauf, dass die Partei "auf allen Ebenen", also im Bezirk, im Land und auf Bundesebene, für eine rasche Verkehrsberuhigung im ersten Bezirk eintrete, wie Landesparteichef Peter Kraus sagte. Die Maßnahmen zur Kontrolle müssten aber auf einer sicheren gesetzlichen Grundlage stehen. Zum grünen Entwurf habe die Bundes-ÖVP nun "überraschend erneuten Diskussionsbedarf angemeldet".

Auch andere Städte in Österreich für StVO-Reform

Mit der Forderung nach einem kamerabasierten Überwachungsmodell für Einfahrtsbeschränkungen steht Wien nicht allein da: Laut dem Städtebund fordern bereits 24 Städte in Österreich eine solche Lösung "nach italienischem Vorbild" für ihr jeweiliges Stadtzentrum. Von den Landeshauptstädten sprechen sich auch noch Linz, Graz, St. Pölten, Bregenz und Innsbruck für eine solche Möglichkeit und dafür für eine StVO-Reform aus.

"Wir brauchen dringend eine praxistaugliche Lösung", sagt etwa der Linzer Vizebürgermeister Martin Hajart (ÖVP) dem STANDARD. Für die Verzögerung macht er Gewessler verantwortlich, die weder die betroffenen Städte noch den Städtebund bei der Erarbeitung des StVO-Entwurfs eingebunden habe. In Linz gebe es "eine fraktionsübergreifende Einigkeit, dass es neue Wege zur Verkehrsentlastung braucht". (David Krutzler, 11.1.2024)