Innenstadt, Fondue, Wien, Schweiz
Bevor sich der Schweizer selbstständig machte, stand er als Personalchef in Diensten der Hotelkette Hilton.
Michael Hausenblas

"Ich stamme ursprünglich aus der Schweiz und bin vor vielen Jahren von der Hotelkette Hilton von Zürich nach Wien geschickt worden. Mein Job war der eines Personalchefs, es ging also darum, Leute zu rekrutieren und zu trainieren. In erster Linie musste ich mich um den Aufbau von Projekten in Bukarest, Sofia, Dubrovnik oder Budapest kümmern. Irgendwann hab ich gemerkt – und dies auch bei Kollegen beobachtet –, dass es nicht leicht ist, in solch einem Corporate Business älter zu werden. Die Luft war einfach ein Stück weit draußen. Da war ich um die 50. Es ist nicht gut, wenn man ungern in die Arbeit geht. Oder? Und das auch noch jeden Tag.

Ich hab mich dann also abgeseilt, die Gelegenheit beim Schopf gepackt und vor mittlerweile 17 Jahren das Lokal Chamäleon in der Blutgasse übernommen, gleich beim sogenannten Mozarthaus, unweit des Stephansdoms. Davor war hier eine Cocktailbar untergebracht.

Probierst es halt einmal, dachte ich mir. Es gab damals in Wien kein Fondue-Lokal weit und breit, also hab ich meinen Fokus darauf gelegt. Und dort liegt er bis heute. Natürlich gibt es auch viele andere Spezialitäten auf der Karte, zum Beispiel einen gemischten Salatteller mit Schweizer Hobelkäse oder unseren Kaffee Schümli Pflümli mit Zwetschkenbrand. Kalbsbratwürste sind hier im Moment leider schwierig zu bekommen. Meine ehemalige Quelle ist versiegt.

Das Restaurant hat einen vorderen und einen hinteren Bereich. Zusammengerechnet bringe ich es Pi mal Daumen auf 35 Plätze. Mein Team besteht neben mir aus einem jungen Mann und einer Frau, wobei die Dame von Anfang an mit mir arbeitet. Der Kollege ist seit acht Jahren bei mir. Wir sind ein super eingespieltes Team. Das Schweizerische wurde gut angenommen. Ich glaub, wir haben einen guten Ruf.

Die Bude eingerannt

Auch wenn viele Besucher aus der ganzen Welt zu uns kommen, sind wir kein typisches Touristenbeisl. Vor Weihnachten haben sie uns allerdings die Bude eingerannt. Wir haben auch viele Stammgäste, darunter ist zum Beispiel die Präsidentin der Schweizer Gesellschaft. Lustig finde ich es, wenn Touristen aus der Schweiz bei uns einkehren. Ich mein, die kriegen doch auch daheim Fondue und Raclette. Aber mir ist das nur recht.

Auch wenn es Momente gibt, in denen man sich fragt, weshalb man sich das antut, habe ich diesen Schritt niemals bereut. Meine Arbeit ist bereichernd, und die Leute sowie der Austausch sind toll. Wenn jemand mit einem zufriedenen Gesicht aus dem Lokal geht, ist das wunderbar. Vor allem wenn er oder sie beim Reinkommen nicht so sonnig dreingeschaut hat.

Innenstadt, Fondue, Wien, Schweiz
Hans Schmid betreibt seit 17 Jahren ein Lokal mit Fokus auf Schweizer Spezialitäten in der Wiener Innenstadt.
Michael Hausenblas

Das Administrative, die Buchhaltung und solche Dinge machen weniger Spaß. Die Behördengänge sind mit der Zeit ein Stück weit einfacher geworden. Das muss ich schon sagen. Das war früher komplizierter. Da hab ich einiges gelernt.

Klar schwinden allmählich die Kräfte. Ich werde im kommenden Jahr 70. Aber ich gehe das mit der Pensionierung in Ruhe an, auch wenn man den Absprung schon irgendwann schaffen muss. Es verhält sich wie mit einem Fest: Man soll gehen, wenn es am schönsten ist. Ich hab jetzt halt einmal mal die Fühler ausgestreckt.

Mit Kuh in die Scheune

Ob ich in Wien bleibe, wenn ich in Pension gehe? Aber nein! Was soll ich denn hier ohne Geschäft tun? Zum Heurigen gehen? Oder vielleicht häkeln? Das ist mir zu langweilig. Natürlich kehre ich zurück in die Schweiz, in meine Scheune im Berner Oberland, wo ich bislang lediglich während meiner Ferien hinfahre. Dort werde ich mir eine Kuh zulegen, und die wird mich dann retten.

Ob früher alles besser war? Das scheint nur so. Es war anders. Gewisse Dinge waren allerdings schon angenehmer. Die moderne Technik zum Beispiel, also zum Beispiel die Sache mit den Handys, die gab es nicht. Neulich saß ein Paar da, das Händchen hielt. Mit der anderen Hand haben beide auf dem Smartphone herumgewischt. Die haben nicht ein Wort miteinander geredet. Kein Mensch kann mittlerweile einfach nur dasitzen und eine Weile nichts tun. Wenn mich jemand nach dem WLAN-Code des Lokals fragt, sage ich, 'Sprich mit deiner Frau in Großbuchstaben'. Das ist natürlich ein Scherz. Ich rück dann schon damit raus.

Was sich seit Corona verändert hat, ist die Tatsache, dass die Gäste früher kommen und früher gehen. Warum das so ist? Ich hab keine Ahnung. Aber mir soll's recht sein." (Michael Hausenblas, 21.1.2024)