Die 23-jährige Lena Schilling zieht für die Grünen als Spitzenkandidatin bei der Europawahl ins Rennen.
Heribert Corn

"Die Geschichte von EU-Wahlen zeigt, dass sie oft das politische Ausgedinge von Kandidaten waren", sagte Politologe Peter Filzmaier unlängst dem STANDARD auf die Frage, warum es für Parteien (diesmal) so schwierig ist, attraktive und geeignete Kandidatinnen und Kandidaten für die Europawahl zu finden. Umso erfreulicher, dass die Grünen mit Lena Schilling eine politische Zukunftshoffnung ins Rennen schicken werden – wenngleich erst nach langem Hin und Her und einer Reihe von Absagen anderer prominenter Persönlichkeiten. Noch halten sich Schilling und die Grünen dazu bedeckt, doch schon am Montag soll die 23-Jährige von Parteichef Werner Kogler offiziell in dieser Rolle präsentiert werden.

Ein Honiglecken wird der Antritt für die Wienerin, Klimaaktivistin und Kolumnistin der Kronen Zeitung nicht. Die Grünen-Spitzenkandidatin in spe hat ohne Zweifel Talent und Potenzial, ihre politische Feuertaufe muss die engagierte, telegene und medial gut vernetzte Quereinsteigerin – mit Quereinsteigern hatten Parteien durch die Bank in der Vergangenheit bekanntlich nicht immer die allerbesten Erfahrungen gemacht – allerdings erst bestehen. Künftig wird es für Schilling nämlich um Politik statt Protest gehen. Für Aktivistinnen und Aktivisten gestaltet sich dieser Seitenwechsel mitunter als äußerst herausfordernd und teils auch ernüchternd.

Zugute kommt der bis dato parteifreien Schilling fraglos, dass sie allein wegen ihres Alters und Geschlechts ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber ihren allesamt älteren und männlichen Mitbewerbern hat. Unter anderem in TV-Debatten wird sie es demnach mit Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ) und wohl Helmut Brandstätter (Neos) aufnehmen müssen. Sie alle sind mit allen politischen Wassern gewaschen. Gut, dass Schilling nicht auf den Mund gefallen ist.

Risiko und Chance

Das Risiko, dass ein Antreten als Spitzenkandidatin bei der Europawahl für Politeinsteigerin Schilling eine Nummer zu groß ist und sie dadurch verheizt wird, ist ebenfalls gegeben. Ungleich größer ist für sie allerdings die Chance, durch den Wahlkampf erste Erfahrungen auf dem politischen Parkett zu sammeln und diese Bühne für sich zu nutzen, um Bekanntheit zu erlangen und sich ein Image aufzubauen. Schilling könnte ihre Kandidatur und das sichere EU-Mandat auch als Sprungbrett für eine spätere politische Karriere in Wien sehen.

Was man nämlich nicht vergessen darf: Nicht alle, die bei der EU-Wahl an der Spitze ins Rennen gehen, landen dann auch tatsächlich im Europäischen Parlament oder bleiben auf Jahre dort. Das beste Beispiel ist der grüne Parteichef selbst: Er war bei der vergangenen Europawahl im Mai 2019 zwar als Spitzenkandidat angetreten – im Anschluss verzichtete er allerdings auf sein Mandat und zog im selben Jahr als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl, der Rest ist Geschichte. Schlägt sich Schilling gut, dürfte Brüssel für sie die erste Station sein – und nicht wie für andere Endstation. (Sandra Schieder, 21.1.2024)