Wien – Ein "Mordaufruf" im rechten Onlineportal "Exxpress" könnte für den Verfasser und für das Medium selbst rechtliche Konsequenzen haben. Unter dem Artikel "Kritisierte ORF-Zwangssteuer: So können Sie Widerstand leisten", versehen mit einem Foto von "ZiB 2"-Moderator Armin Wolf, stand zumindest 30 Stunden lang ein Kommentar, der jetzt auch die Wiener Polizei auf den Plan ruft. Auf den Forumseintrag machte am Samstag Armin Wolf via X, vormals Twitter, aufmerksam.

"ZiB 2"-Moderator Armin Wolf bezeichnet das rechte Medium "Exxpress" als "Dreckschleuder".
Screenshot/TVThek

Postings werden laut "Exxpress" vorab geprüft

Ein User oder eine Userin schrieb unter der Überschrift "NurEinToterRoter" Folgendes: "Für jede Aufforderung brennt es am Klüngelberg. So ein Molotov Cocktail ist schon was feines, wenn damit Sozialisten ermordet werden." 17 Leserinnen und Leser bewerteten den Kommentar mit einem Daumen nach oben, elf versahen ihn mit einem Daumen nach unten. Pikant ist auch, dass der "Exxpress" angibt, alle Postings vor der Freischaltung zu prüfen.

Nachdem der "offene Mordaufruf", so Armin Wolf, mehr als 30 Stunden lang trotz zahlreicher Hinweise nicht gelöscht worden war, ist er seit Sonntag ohne Erklärung verschwunden. Der "Exxpress" dürfte seine gesamten Foren deaktiviert haben, Posten ist jetzt nicht mehr möglich.

Polizei in Kenntnis gesetzt

Die Landespolizeidirektion Wien reagiert auf X und schrieb, dass sie den Sachverhalt an die "zuständigen Kolleg*innen weitergeleitet" habe. "Dennoch wollen wir darauf aufmerksam machen, dass es kein 24/7 Monitoring der sozialen Medien durch uns gibt & Anzeigen in einer Polizeiinspektion erstattet werden müssen." Nachdem die Behörden von dem Forumseintrag Kenntnis haben, sollte keine Anzeige mehr notwendig sein, weil es sich dann um ein Offizialdelikt handelt, das von Amts wegen zu verfolgen ist.

Wolf: "Fake-News-Schleuder"

ORF-Anchor Wolf bezeichnete den "Exxpress" auf X als "Dreckschleuder". Auf STANDARD-Anfrage sagt er: "Ich finde es unsäglich, dass eine Plattform, die nach eigener Aussage sämtliche User-Kommentare prüft, einen Mordaufruf veröffentlicht und trotz Hinweisen 30 Stunden lang nicht löscht. Noch unsäglicher finde ich, dass diese Fake News-Schleuder mit mehr als einer Million Euro öffentlich gefördert wird, unter anderem für 'Journalistenausbildung'. Vor 'Journalisten', die dort ausgebildet werden, würde ich mich ernsthaft fürchten."

ORF: "Leider kein Einzelfall"

"Drohungen gegen Leib und Leben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF, wie auch am vergangenen Wochenende geschehen, sind leider kein Einzelfall. Der ORF wird Drohungen jeglicher Art, egal auf welcher Plattform sie geäußert werden, nicht tolerieren und weiterhin mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln dagegen vorgehen. Aufrufe zur Gewalt haben keinen Platz im öffentlichen Diskurs", schreibt der ORF in einer Stellungnahme am Montag.

Scharfe Kritik vom Presseclub Concordia

Der "Exxpress" mache "weder Journalismus noch Nachrichten", kritisiert Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclubs Concordia. "Es ist eine verantwortungslose Hetzplattform. Absolut verantwortungslos und völlig unverständlich, dass dorthin öffentliches Geld, unter anderem für 'Journalistenausbildung', fließt", schreibt sie auf X.

Der Presseclub Concordia betont: "Wir verurteilen den Mordaufruf und die Vorgangsweise des 'Exxpress' aufs Schärfste. Die Drohung gegen @ArminWolf und ORF-Mitarbeiter:innen ist seit mehr als einem Tag online, trotz Moderation. Es ist völlig unverantwortlich, dass diese Plattform öffentliche Medienförderung erhält."

Und weiter: "Seit Jahren eskalieren die Angriffe gegen Medienschaffende. Politik und Sicherheitsbehörden müssen endlich entschieden reagieren. Die Empfehlungen der EU-Kommission zum Schutz und zur Sicherheit von Journalist:innen sind dringend umzusetzen", so der Presseclub Concordia.

Kein Einzelfall

Der Kommentar dürfte kein Einzelfall sein, wie X-User "Björn Björnsen" dokumentiert.

"Exxpress": Kommentar gelöscht

Auf STANDARD-Anfrage gibt der "Exxpress" an, dass das Medium den Kommentar "sofort" nach Bekanntwerden gelöscht habe. "Der Vorfall wird von uns zur Anzeige gebracht werden, und wir werden selbstverständlich eng mit den Behörden zusammenarbeiten", heißt es. Das Medium werde aktuell "täglich von Fake-Accounts und Chatbots mit einer Flut an Kommentaren konfrontiert". Warum der Kommentar online ging, obwohl alle Postings vorab geprüft würden, darauf geht der "Exxpress" auf Nachfrage nicht ein, nur so viel: "Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, intern zu prüfen, wie es zu diesem Vorfall kommen konnte."

Öffentliche Förderungen

Vergangenes Jahr hat der "Exxpress" 1,1 Millionen Euro Steuergeld erhalten – der STANDARD berichtete. Vor allem ÖVP-geführte Ministerien werben regelmäßig im "Exxpress". Der "Exxpress" könnte künftig versuchen, über die neue, mit 20 Millionen Euro pro Jahr dotierte Qualitätsjournalismusförderung Gelder zu erhalten. Allerdings, und darauf verweist auch die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger, ist im Gesetz eine Hürde eingezogen, die dem "Exxpress" zum Verhängnis werden könnte. Als Kriterien sind etwa journalistische Sorgfaltspflicht verankert oder dass nicht zu Hass und Gewalt aufgestachelt werden darf.

Der "Exxpress" wurde im Jahr 2021 von der ÖVP-nahen Rechtsanwältin Eva Schütz gegründet. Sie war zu türkis-blauen Zeiten Vizekabinettschefin im Finanzministerium unter Minister Hartwig Löger (ÖVP) und Büroleiterin von Thomas Schmid. Chefredakteur und Mitgesellschafter – im laut Eigendefinition Medium für "Selberdenker" – ist der langjährige Boulevardjournalist Richard Schmitt ("Krone", Mediengruppe Österreich, "Heute"). (Oliver Mark, 21.1.2024)