Noch haben Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) nicht alle Vorhaben aus ihrem Regierungsprogramm abgearbeitet.
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Zu viel, zu wenig, zu verwässert, zu überschießend: Kritik an den von ÖVP und Grünen aus ihrem Koalitionspakt umgesetzten Vorhaben – manche davon waren auch nicht in dem 232-seitigen Papier festgeschrieben – gab es zuhauf. Was man den Regierungsparteien aber wahrlich nicht vorwerfen kann, ist, dass nichts getan wurde.

Im Gegenteil: In der von Corona- und Teuerungskrise sowie zwei Kanzler- und mehreren Ministerwechseln geprägten Legislaturperiode, haben Volkspartei und Grüne eine Reihe von Großprojekten auf den Weg gebracht. Darunter die ökosoziale Steuerreform mit CO2-Bepreisung und Klimabonus, die Abschaffung der kalten Progression, ein Informationsfreiheitsgesetz samt Aus für das Amtsgeheimnis, die Neuaufstellung des Verfassungsschutzes, eine Gesundheitsreform, das Klimaticket, milliardenschwere Hilfspakete und, und, und.

Alle Vorhaben wurden freilich nicht abgearbeitet – und es ist ungewiss, ob das noch passieren wird. Jene Projekte, die im Koalitionsfinale noch offen sind, wurden in dieser sich dem Ende zuneigenden Legislaturperiode zwar teils schon in Angriff genommen, hängen aber wegen eines Patts oder Differenzen zwischen den zwei Parteien in der Luft.

Dies sind die noch nicht abgehakten Punkte auf der türkis-grünen To-do-Liste:

1. Justizreform

Weitgreifende Reformen haben sich ÖVP und Grüne im Justizbereich vorgenommen. Hier sind die Positionen der Koalitionspartner allerdings ziemlich einzementiert. Etwa bei der geplanten Änderung der Weisungskette der Staatsanwälte, an deren Spitze derzeit die Justizministerin steht. Dieser Punkt steht nicht im Koalitionspakt, aber auf der Wunschliste beider Regierungsparteien. Über den Bestellmodus herrscht genauso wenig Einigkeit wie darüber, wie viele Personen entscheiden sollen. Geht es nach den Grünen, soll ein Dreiersenat an der Spitze einer Generalstaatsanwaltschaft entscheiden. Die ÖVP will einen – dem Parlament verantwortlichen – Bundesstaatsanwalt.

Verhandelt wird auch über eine Stärkung der Beschuldigtenrechte – in diesem Zusammenhang stehen unter anderem eine Beschleunigung von Strafverfahren und ein Kostenersatz bei Freisprüchen im Raum. Aktuell erhalten Betroffene bekanntlich nur einen pauschalen Kostenersatz, mit dem die Verteidigungskosten meist nur zu einem Bruchteil gedeckt werden können.

2. Automatisches Pensionssplitting

Warum Frauen in die Altersarmut schlittern, hat vielerlei Gründe, hauptsächlich ist dafür aber die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit sowie die ungleiche Bezahlung von Erwerbstätigkeit verantwortlich. Abhilfe schaffen soll das im Koalitionspakt festgeschriebene automatische Pensionssplitting, bei dem die Pensionsansprüche zwischen den Elternteilen während der Kindererziehung aufgeteilt werden. Bislang können Eltern nur ein freiwilliges Pensionssplitting vereinbaren, wobei der erwerbstätige Elternteil Teile seiner Kontogutschriften an jenen Elternteil überträgt, der sich der Kinderbetreuung widmet.

Weil das freiwillige Pensionssplitting aber nach wie vor kaum in Anspruch genommen wird – 2022 war es das 1155-mal der Fall –, will die Regierung ein automatisches Pensionssplitting einführen. Allerdings hängt auch dieses Vorhaben in der Warteschleife. Die Grünen wollen die Reform nämlich mit einem größeren Gesamtpaket – Stichwort Lohntransparenz bei Betrieben ab 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – verknüpft sehen.

3. Kindschafts- und Eherecht

Vorgenommen hatten sich ÖVP und Grüne auch Änderungen im Kindschaftsrecht. In diesem Zusammenhang sollen mehrere Fragen neu geregelt werden, unter anderem, wann der Staat Unterhaltsvorschuss leisten muss. Momentan schießt die Republik nur dann den Unterhalt vor, wenn man diesen voraussichtlich beim zahlungsverpflichteten Elternteil, meist sind das Väter, zurückbekommt. Die Grünen pochen jedoch auf eine staatliche Unterhaltsgarantie, damit der Staat unabhängig davon zahlt.

Im Koalitionsabkommen paktiert, aber dem Vernehmen nach noch nicht angegangen wurde die Reform von Ehe und eingetragener Partnerschaft. Unter anderem soll das Verschuldensprinzip neu geregelt werden. Derzeit ist die Frage, in welcher Höhe nach der Scheidung Unterhalt für den Ex-Partner zu bezahlen ist, davon abhängig, wer am Scheitern der Ehe schuld war.

4. Klimaschutzgesetz

Seit drei Jahren muss Österreich mittlerweile ohne Klimaschutzgesetz auskommen. Die alte Regelung ist mit Ende 2020 ausgelaufen. Durch das Gesetz soll verbindlich geregelt werden, wie das Land zur angestrebten Klimaneutralität im Jahr 2040 geleitet werden soll. Doch beinahe so lange, wie diese Regierung im Amt ist, stecken nun auch schon die Verhandlungen dazu fest. Das ist bemerkenswert, da das Vorhaben im Regierungsprogramm verankert worden ist und es schon einen Gesetzesentwurf gab.

Die Fronten sind verhärtet. In letzter Zeit gab es vonseiten der Grünen zwar Zusicherungen, dass das Gesetz noch Realität werde, doch die ÖVP ließ wissen, dass dieses für sie nicht oberste Priorität habe.

5. Weitere Klimavorhaben

Dass Einigungen bei Klimathemen nicht einfach sind, zeigt sich auch andernorts: Weil Österreich keinen finalen nationalen Energie- und Klimaplan – ebenfalls Teil des Regierungsprogramms – nach Brüssel geschickt hat, hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Das grüne Klimaministerium hatte zwar einen Vorentwurf übermittelt, Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat diesen aber zurückgezogen.

Offen sind auch die Ökologisierung der Pendlerpauschale, über die vor kurzem ein Koalitionsstreit entbrannt ist. Die Regierung hat sich auch vorgenommen, Gesetze und Verordnungen auf ihre Klimatauglichkeit zu prüfen – den Klimacheck gibt es weiter nicht. Noch auf der Agenda steht eine Bodenschutzstrategie, die eine Reduktion des Flächenverbrauchs und der Bodenversiegelung zum Ziel haben soll. Die Einigung dazu war im Vorjahr geplatzt. (Sandra Schieder, 27.1.2024)