Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) befinden sich in ihrem letzten gemeinsamen Regierungsjahr.
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So richtig daran geglaubt hatte kaum noch jemand, doch die Regierung ist immer wieder für Überraschungen gut: Donnerstagvormittag präsentierten Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) die von den Grünen langersehnte, von Teilen der Volkspartei aber lange Zeit verhinderte Einigung auf ein Ende des Amtsgeheimnisses. Wieder einmal, denn nachdem Türkis-Grün bereits 2021 einen fertigen Entwurf präsentiert hatte, liegt nun ein neuer vor.

Dienstagabend eine überraschende Einigung mit den Ländern in Sachen Finanzausgleich, Mittwochabend schließlich jene auf die Abschaffung des Amtsgeheimnisses – nachdem zu Wochenbeginn ein Entwurf der ÖVP für einen Untersuchungsausschuss öffentlich geworden war, der sich auch gegen die Grünen richtete, will man nun offenbar Arbeitseifer demonstrieren, und zwar gemeinsam. Möge dieser weiter anhalten, denn die türkis-grüne To-do-Liste ist ein Jahr vor dem Urnengang noch lang. Ein Überblick.

Erneuerbare-Wärme-Gesetz

Ähnlich wie dem Informationsfreiheitsgesetz geht es dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz: Bereits Ende 2022 präsentierte die Regierung einen Entwurf, dennoch wird bis heute darum gerungen. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das den Umstieg auf klimafreundliches Heizen und damit den Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen regeln soll, ist neben dem nach wie vor ausständigen Klimaschutzgesetz (siehe nächster Punkt) ein Leuchtturmprojekt der Grünen und außerdem ein wichtiger Pfeiler, um die EU-Klimaziele zu erreichen. Doch seit Monaten hängt der Entwurf nun im Parlament, die ÖVP brachte erst vor wenigen Wochen erneut Einwände dagegen vor.

Hinzu kommt, dass nicht nur das Informationsfreiheitsgesetz, sondern auch das Erneuerbare-Wärme-Gesetz in Länderkompetenzen eingreift und somit für einen Beschluss eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist. Die Stimmen der Regierungsparteien reichen also nicht, notwendig ist auch die Zustimmung zumindest einer der beiden großen Oppositionsparteien. Da von der FPÖ kein Entgegenkommen zu erwarten ist, wird die Regierung auf die SPÖ hoffen müssen.

Klimaschutzgesetz

Seit etwas mehr als 1.000 Tagen muss Österreich mittlerweile ohne Klimaschutzgesetz auskommen. Die alte Regelung ist mit Ende 2020 ausgelaufen. Durch das Gesetz soll verbindlich geregelt werden, wie das Land zur angestrebten Klimaneutralität 2040 geleitet werden soll. Doch seit Jahren stecken die Verhandlungen fest, obwohl das Vorhaben im Regierungsprogramm verankert ist.

Zuletzt gab es vonseiten der Grünen wieder vermehrt Zusicherungen, dass das Gesetz bis Ende der Legislaturperiode im Herbst 2024 noch Realität werde. Doch die Fronten sind verhärtet, die ÖVP ließ zuletzt wissen, dass das Gesetz für sie nicht oberste Priorität habe.

Justizreform

Reformen hat sich die türkis-grüne Regierung auch im Justizbereich vorgenommen, etwa die Einführung eines Bundesstaatsanwalts. Künftig soll nämlich nicht mehr der Justizminister beziehungsweise die Justizministerin an der Spitze der Weisungskette der Staatsanwälte stehen. Bislang konnte sich die Koalition aber nicht einmal darauf einigen, ob diese neue Position Bundes- oder Generalstaatsanwalt heißen soll. Über den Bestellmodus herrscht genauso wenig Einigkeit wie darüber, wie viele Personen entscheiden sollen. Verhandelt wird außerdem über eine Stärkung der Beschuldigtenrechte - in diesem Zusammenhang stehen unter anderem eine Beschleunigung von Strafverfahren und ein Kostenersatz bei Freisprüchen im Raum. Aktuell erhalten Betroffene bekanntlich nur einen pauschalen Kostenersatz, mit dem die Verteidigungskosten meist nur zu einem Bruchteil gedeckt werden können.

In Sachen Justizreform sind die Positionen der Koalitionspartner jedenfalls ziemlich einzementiert, Bewegung hat es in den vergangenen Monaten keine gegeben. Während sich Justizministerin Alma Zadić (Grüne) diesbezüglich "mehr Ambition" von der ÖVP wünscht, kann sich Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) vorstellen, das im koalitionären Patt festhängende Justizpaket aufzudröseln.

Automatisches Pensionssplitting

Gründe für die Altersarmut von Frauen sind die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit sowie die ungleiche Bezahlung von Erwerbstätigkeit. Abhilfe schaffen soll hier unter anderem das im Koalitionspakt festgeschriebene automatische Pensionssplitting. Bislang können Eltern nur ein freiwilliges Pensionssplitting für die Jahre der Kindererziehung vereinbaren, wobei der erwerbstätige Elternteil Teile seiner Kontogutschriften an jenen Elternteil überträgt, der beruflich kürzertritt, um sich der Kinderbetreuung zu widmen.

Weil das freiwillige Pensionssplitting aber kaum in Anspruch genommen wird – 2022 war es das 1.155-mal der Fall –, will die Regierung ein automatisches Pensionssplitting einführen. Allerdings hängt auch dieses Vorhaben in der Warteschleife. Die Grünen wollen die Reform nämlich mit einem größeren Gesamtpaket – Stichwort Lohntransparenz bei Betrieben ab 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – verknüpft sehen. Der Gesetzesvorschlag für automatisches Pensionssplitting liege schon lange im grünen Sozialministerium, kritisierte etwa Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP). Woraufhin die grüne Frauensprecherin Meri Disoski entgegnete, dass auch ein Vorschlag für Lohntransparenz ebenso lange beim türkisen Koalitionspartner liege.

Postenbesetzungen

Seit Monaten sind außerdem eine Vielzahl von Spitzenposten in der Republik unbesetzt – in den vergangenen Monaten wurde die Liste immer länger. Im Sommer sind etwa die Mandate der Präsidenten im Generalrat der Nationalbank ausgelaufen. Ende August ging außerdem der Leiter der Generalprokuratur in Pension. Andere wichtige Postenbesetzungen sind bereits deutlich länger ausständig. Seit mehreren Monaten gibt es keine Nachfolge für den pensionierten Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts. Auch die Bundeswettbewerbsbehörde wird seit eineinhalb Jahren nur interimistisch geführt, dasselbe gilt seit zwei Jahren für die Alterssicherungskommission.

Grund dafür ist eine Postenblockade in der Regierung, Auslöser Michael Sachs. Die Grünen halten den Verwaltungsrichter und Interimspräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts für ungeeignet für das Amt des Generaldirektors der Bundeswettbewerbsbehörde. Erst vor wenigen Tagen ist bekannt geworden, dass die Republik wegen mehrerer Fehlurteile Sachs' Entschädigung zahlen musste. (Sandra Schieder, 5.10.2023)