Die gesetzliche Kaufoption bei gemeinnützigen Wohnungen ist ein umstrittenes Kapitel in der mehr als 70-jährigen Geschichte des gemeinnützigen Wohnbaus in Österreich. Und ein relativ junges: Erstmals eingeführt wurde die Möglichkeit für Gemeinnützige, Mietwohnungen auch im Bestand (also nicht sofort nach der Fertigstellung) an Mieterinnen und Mieter zu verkaufen, mit dem 3. Wohnrechtsänderungsgesetz 1993. Seither wurde die im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) verankerte "nachträgliche Übertragung" aber stets weiter ausgebaut. Unter anderem wurde die Preisbildung in Richtung Verkehrswert gelockert, den Gemeinnützigen wurde also ein immer größerer Spielraum bei der Preisberechnung zugestanden.

Rund um die Kaufoption im gemeinnützigen Wohnbau gibt es immer wieder Diskussionen.
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Erstmals schon nach fünf Jahren möglich

Die letzte große Änderung wurde im Jahr 2019 unternommen: Seither haben neue Mieterinnen und Mieter auch schon nach fünf Jahren erstmals die Möglichkeit, um den Kauf ihrer Wohnung anzusuchen, es müssen allerdings gewisse Voraussetzungen vorliegen: Es darf sich nicht um ein Baurechtsprojekt handeln, von der Mieterseite muss ein Eigenmittelanteil von einer gewissen Höhe bezahlt worden sein (die Grenze liegt aktuell bei rund 83 Euro je Quadratmeter), und die Förderung für die Errichtung des Gebäudes muss noch aufrecht sein. Außerdem, das ist neu seit 2019, muss die Wohnung größer als 40 Quadratmeter sein. Denn Kleinwohnungen wurden in der WGG-Novelle 2019 von der Kaufoption gänzlich ausgenommen.

Wenn Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nun die Kaufoption neuerlich massiv ausweiten will, dem Vernehmen nach auf praktisch jede Genossenschaftswohnung, dann dividiert er in gewisser Weise auch die gemeinnützige Wohnungswirtschaft auseinander. Denn die Kaufoption ist das Thema, bei dem es zwischen dem SPÖ-nahen Verein für Wohnbauförderung und der ÖVP-nahen Arge Eigenheim, den beiden Fraktionen im Gemeinnützigen-Revisionsverband, die größten Diskrepanzen gibt. Beim Verein stellt man traditionell den Erhalt des Bestands an günstigen Mietwohnungen, auch für kommende Generationen, an die erste Stelle. Entsprechend alarmiert gab sich Gemeinnützigen-Obmann Klaus Baringer, der dem Verein angehört, in einer ersten Reaktion auf die Pläne. Er sprach im ORF-Radio wörtlich von einer "Enteignung".

In der Offensive für leistbares Wohnen, die der Verein für Wohnbauförderung im Vorjahr vorstellte, kommt die Kaufoption gleich gar nicht vor. Stattdessen ist dort die Rede davon, dass Eigentumswohnungen nach Ablauf der förderrechtlichen Beschränkungen "überwiegend auf dem hochpreisigen Vermietungsmarkt" landen würden.

Eine Frage des Preises

Die VP-nahe Arge Eigenheim wiederum trägt die Eigentumsschaffung bereits im Namen; entsprechend offen ist man dort bezüglich aller neuen Vorschläge. Allerdings sei die Frage des Kaufpreises, der sich laut Nehammers Plänen ja an den bloßen Errichtungskosten orientieren soll, keine so triviale, betont Arge-Bundesobmann Christian Struber im Gespräch mit dem STANDARD. Denn neben den Errichtungskosten würden bei einem Wohnprojekt natürlich auch Kosten im Vorfeld anfallen, etwa für die ganze Planung, und später auch für den Vertrieb. Das alles müsse von den Gemeinnützigen vorfinanziert werden und müsse sich natürlich auch entsprechend in den Kaufpreisen abbilden, sagt Struber.

Grundsätzlich ist es für ihn aber "eine gute Idee, den Mietkauf weiter zu attraktivieren". Aus der Arge Eigenheim kommen diesbezüglich selbst immer wieder Vorschläge, etwa jener für ein Modell namens Junges Wohnen, bei dem die bezahlten Mieten auf den späteren Kaufpreis angerechnet werden. Ein ganz ähnliches "Ansparmodell" findet sich übrigens auch im aktuellen türkis-grünen Regierungsprogramm, umgesetzt wurde es bisher aber nicht.

Für Struber müsste es bei der Kaufoption in die Richtung gehen, dass Mieterinnen und Mietern schon beim Bezug fixe Kaufpreise für den Zeitraum nach fünf Jahren genannt werden können. "Das wäre ein gangbarer Weg." Ganz generell bestehe der Wert der Gemeinnützigen aber natürlich "darin, dass das System Erträge hat, und diese Erträge sollten im System bleiben".

Die Frage aller Fragen: Mit wem?

Bleibt noch die Frage, mit wem Nehammer seine Idee überhaupt umsetzen kann. Kennt man das Standing, das die Gemeinnützigen, insbesondere natürlich die "roten", in der SPÖ genießen, wird das mit der SPÖ schwierig werden. Einen Verbündeten hätte er aber wohl im burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der im Vorjahr, wie berichtet, genau wegen der Orientierung am Verkehrswert beim Verkauf dem gemeinnützigen Sektor den Kampf angesagt hat. In der Wiener SPÖ schüttelt man darüber den Kopf.

Auch beim aktuellen Koalitionspartner, den Grünen, dürfte sich die Begeisterung darüber, geförderte Wohnungen abzuverkaufen, in Grenzen halten. In einer Debatte bei einem der jüngsten STANDARD-Wohnsymposien sprach sich die grüne Bautensprecherin Nina Tomaselli ganz klar dafür aus, mit der Wohnbauförderung vor allem gemeinnützige Mietwohnungen zu schaffen und keine Miet-Kauf-Wohnungen.

Bei den Neos teilt man diese Meinung: Wohnbauförderung nur für Gemeinnützige, und die sollten damit Wohnungen ohne Kaufoption errichten, sagte Bautensprecher Johannes Margreiter schon damals beim Wohnsymposium und bekräftigte das auch vor einigen Monaten im STANDARD-Gespräch.

Bleibt noch die FPÖ. Diese inszeniert sich aber seit einiger Zeit geradezu als Schutzherrin des gemeinnützigen Wohnbaus. Regelmäßig wird dem zuständigen Wirtschaftsminister Martin Kocher vorgeworfen, den Ausverkauf des Systems voranzutreiben (was dieser dementiert). Und zu den jüngsten Plänen Nehammers kam vom freiheitlichen Bautensprecher Philipp Schrangl und vom oberösterreichischen Landesvize Manfred Haimbuchner auch prompt eine Antwort per Aussendung: "Margaret Thatcher und ihr Abverkauf des britischen sozialen Wohnbaus sind eindeutig gescheitert", heißt es darin. "Die Kaufoption für alle wird dementsprechend kritisch gesehen."

Es wird also durchaus spannend, in welche Richtung sich diese Diskussion bewegen wird. (Martin Putschögl, 26.1.2024)