Seit vor zwei Monaten die Dachgesellschaft Signa Holding Insolvenz anmeldete und bald darauf die Töchter Signa Prime und Development folgten, beschäftigen die Signa-Pleiten die Menschen in Österreich wie nur wenige andere Wirtschaftscausen. Das hängt auch damit zusammen, dass sich in der verworrenen Causa fast täglich neue Fragen auftun: Wozu dienten rätselhafte Geldflüsse? Wofür kam der Konzern auf, obwohl es gar nicht seine Aufgabe gewesen wäre? Wer hatte wirklich das Sagen und die Kontrolle – und wer hat weggesehen?

Hochgradig rätselhaft: die Causa Signa
Hochgradig rätselhaft: die Causa Signa
Lukas Friesenbichler, DER STANDARD

Mit diesen Fragen sind Wirtschaftsanwälte ebenso befasst wie Anlegervertreter, Behörden, Journalisten innerhalb und außerhalb Österreichs, bald wohl auch Gerichte – und die Masseverwalter, die inzwischen ganze Stäbe an Experten beschäftigen. Von den Antworten hängt es ab, wer die Verantwortung für die historischen Pleiten trägt – und wer für finanzielle Verluste von hunderten Millionen haftet, möglicherweise mit privatem Geld.

Die aktuellste Wendung in der Signa-Causa fand am Donnerstag statt, als der Holding die Eigenverwaltung im Sanierungsverfahren aberkannt wurde. Künftig ist nur noch der Masseverwalter zuständig. Es wird garantiert nicht der letzte Akt im Signa-Drama gewesen sein.

Frage 1: Welche Rolle spielte René Benko wirklich im Signa-Konzern?

Geht es nach Signa-Investor Hans Peter Haselsteiner, ist es glasklar: René Benko war immer der Chef der Immobiliengruppe, hatte das Sagen und damit die "faktische Geschäftsführung" inne. So sprach Haselsteiner jüngst im ORF – und wenn dem so ist, trägt Benko juristisch die Verantwortung für die Entscheidungen, die zum (traurigen) Schicksal der Signa führten.

Benko selbst stellt seine Rolle freilich völlig anders dar. Im parlamentarischen Ibiza-U-Ausschuss wiederholte er 2020 mehrfach, dass er "seit Jahren keine Geschäftsführungs-, Vorstands- oder Aufsichtsratsfunktion mehr bekleide. Ich bin daher nicht mehr in das Tagesgeschäft involviert (...)." Als Vorsitzender des Beirats beschäftige er sich nur "mit Fragen der Strategie und der Weiterentwicklung", sei in viele Details nicht mehr eingebunden und nicht mehr informiert. Nicht einmal Basisinformationen hatte er parat: "Die Signa Holding hat eine Geschäftsführung, die sich, glaube ich,aus zwei oder drei Mitgliedern zusammensetzt."

In der Signa selbst neigt man eher zur Darstellung Haselsteiners. Es sei Faktum, dass keine Entscheidung ohne Benko getroffen werde, er betreibe Mikromanagement, indem er sich mit jedem Detail beschäftige. Zudem habe er jede Zahl im Kopf – ein Talent, das auch Geschäftspartner dem Signa-Gründer attestieren. Und auch bei der Geldbeschaffung sei er meist dabei gewesen, etwa bei Gesprächen mit Banken. "Er verhandelte, die Geschäftsführer unterschrieben", schildert ein Mitarbeiter.

Entsprechend ist der Arbeitseinsatz: Benko ist bekannt dafür, dass er von fünf Uhr bis spätnachts arbeitet, Wochenenden inklusive. Seine Leute rufe er ständig an – allerdings wurden sie auch gut bezahlt. Nur zum Schluss, flüstern Eingeweihte, habe er den Überblick verloren.

Frage 2: Warum floss viel Geld zwischen Signa- und Benko-Unternehmen und auch innerhalb der Signa hin und her – und war das zulässig?

Ob sie nun Laura heißen (nach Benkos Tochter), Ingbe (ein Amalgam aus Ingeborg Benko, seiner Mutter) oder – ganz ohne Familienbezug – Supraholding: Rund um Signa-Gründer René Benko gibt es ein hochgradig intransparentes Geflecht aus Stiftungen und Unternehmen. Es ist Benko und dessen Familie privat zuzurechnen, nicht etwa dem Signa-Konzern, an dem neben Benko zahlreiche andere Investoren beteiligt sind. Nun steht es zwar jedem frei, Unternehmen zu gründen. Im Fall der Signa gibt es aber zahlreiche Geldflüsse zwischen den privaten Benko-Unternehmen und jenen der Signa. Deren Zweck? Durchwegs völlig unklar.

Zuletzt berichtete die Financial Times, dass angeblich kurz vor der Insolvenz Kredite von mehr als 300 Millionen Euro von der Development an zwei Innsbrucker Benko-Unternehmen flossen. Die Sanierungsverwalterin der Development weist dies jedoch zurück; das Geld sei an Development-Projekte gegangen. Doch es ist bei weitem nicht der einzige Verdacht dieser Art. Wie DER STANDARD im November berichtete, veräußerte die Prime nur Wochen vor Ausbruch der Turbulenzen ein italienisches Luxushotel – an Benkos Ingbe-Stiftung. Außerdem fanden vor einigen Jahren Geschäfte zwischen der luxemburgischen Prime-Tochter und ebendieser Ingbe-Stiftung statt, die der Ingbe die Ausschüttung hoher Dividenden ermöglichten. Hintergründe der Geschäfte in Italien wie Luxemburg? Ebenfalls unbekannt. Die Signa hat sich nie dazu geäußert; die Insolvenzverwalter verweisen, heute befragt, auf laufende Verfahren und Recherchen.

Für Rätselraten sorgen auch Kredite innerhalb der Signa, abseits der Benko-Stiftungen: Zahlreich flossen Darlehen von Prime und Development an die Holding. Das Problem: Derartige Kredite von Töchtern an Mütter sind, bis auf wenige strenge Ausnahmen, eigentlich verboten.

Frage 3: Wer finanzierte den privaten Luxus von Benko und anderen Spitzenmanagern?

Zum Beispiel die Villa Ansaldi, ein Luxusanwesen in der Kleinstadt Sirmione am Gardasee. Laut Lokalmedien und Einheimischen wird es von Benko privat bewohnt. Wenn man in Firmenbüchern nach dem Besitzer sucht, verliert sich die Spur bei einer Firma in Luxemburg, die keinen Eigentümer ausweist.

Fest steht: Die Signa Holding mietet die Luxusvilla um monatlich 20.000 Euro, wie ein Mietvertrag zeigt, der dem STANDARD vorliegt. Auf der Signa-Website findet sie sich als "Repräsentation Italien" angeführt – obwohl nichts auf eine betriebliche Nutzung hindeutet.

Eine ganz ähnliche Konstruktion findet sich bei einer anderen Benko-Villa nahe Innsbruck. Dazu kommen: Privatjetflüge, Hotelaufenthalte, Jagdausflüge.

Hat der Konzern hohe Kosten für Luxus geschultert, der Benko und vielleicht auch anderen hohen Signa-Managern gewissermaßen privat zugutekam?

Auch diese Frage wird in den laufenden Verfahren eine Rolle spielen. Denn die Repräsentationsausgaben, die in anderen Unternehmen einen vernachlässigbaren Posten darstellen, waren bei der Signa exorbitant hoch. Dem Vernehmen nach betrugen sie jährlich rund fünf Millionen Euro – bis das Konstrukt pleiteging, wofür heute nicht nur schwerreiche Investoren die Rechnung zahlen, sondern auch kleine Zulieferer und Dienstleister, denen die Signa nun Geld schuldig bleibt.

Was die Ausgaben für Luxus betrifft, gilt es nicht nur für die Masseverwalter zu ermitteln, ob sie tatsächlich betrieblicher Natur waren – falls nicht, könnten nämlich Gläubiger geschädigt worden sein. Die Frage hat zudem eine steuerliche Komponente: Betriebsausgaben unterliegen anderen Regeln als private. Möglicherweise ruft das Thema also auch Finanzämter und Steuerprüfer auf den Plan. (Joseph Gepp, Renate Graber, 27.1.2024)