City, Wien, Graben
Über 140 Jahre war am Wiener Graben 26 die Schreibwarenhandlung Weidler untergebracht, in Kürze wird hier Süßes aus dem Hause Pischinger angeboten. Weidler übersiedelt innerhalb des ersten Bezirks.
Michael Hausenblas

Betrachtet man die Entwicklung des Wiener Grabens, des Kohlmarkts, des Stephanplatzes und der Kärntner Straße, gleicht diese schon lange einem folgenreichen Monopoly der Immobilienchecker und Luxuskonzerne, bei dem alteingesessene Geschäfte in der Regel den Kürzeren ziehen. Nun verlässt auch die Schreibwarenhandlung Weidler nach über 140 Jahren den Graben und übersiedelt ein Stück weiter in die zwar zentral gelegene, aber geschäftstechnisch doch weniger attraktive Spiegelgasse 4. Eröffnet wird voraussichtlich Mitte Februar. Über dem alten Geschäft am Graben 26, das derzeit verhangen und trist dasteht, hängt ein Banner des 1849 gegründeten Waffel- und Süßigkeitenspezialisten Pischinger, der im Jahr 2006 von der Confiserie Heindl übernommen wurde und hier in Kürze seine Pforten öffnen wird, sozusagen als Geburtstagsgeschenk zum 175er.

Zumindest folgt auf Weidler keine weitere Filiale eines internationalen Konzerns, wie es an diesen Ecken und Enden der Stadt meist üblich ist. Ein Wiener Phänomen ist dies mitnichten. Seit Jahren lassen diese Unternehmensriesen vor allem europäische Innenstädte einander immer ähnlicher schauen, was gehörig an der Identität vieler europäischer Metropolen nagt.

An der Tür von Weidler ist die Information zu lesen, dass der Standort geschlossen werden muss, was den Gedanken nahelegt, dass dieser Schritt nicht unbedingt gern unternommen wurde. Dies bestätigte der Inhaber des Unternehmens, Harald Weidler, gegenüber dem STANDARD. Letztendlich sei der wirtschaftliche Druck des Hausbesitzers einfach zu stark gewesen, und so man habe sich zu diesem Schritt entschlossen.

Umsiedeln oder zusperren?

Viele Geschäfte im Zentrum schließen für immer, manche, wie auch Weidler, übersiedeln. Man denke an die wunderbare Papierhandlung Huber & Lerner, die bereits 2002 vom Kohlmarkt in die Weihburggasse übersiedelte und sich deutlich verkleinerte. Das Spielwarengeschäft Kober musste 2013 vom Graben in die Wollzeile ziehen, schlitterte aber auch dort wegen zu hoher Miete und ausbleibender Kunden in den Konkurs. Der ebenso traditionsreiche Kartenhersteller Freytag & Berndt verließ samt Buchhandlung nach 239 Jahren den Kohlmarkt und fand gleich um die Ecke in der Wallnerstraße Quartier. Der Feinkosttempel Meinl am Graben musste zwar nicht umsiedeln, aber einiges an Verkaufsfläche für den Flagshipstore von Louis Vuitton freiräumen.

Es sieht so aus, als würden Spielzeuggeschäfte, Schreibwarenhandlungen, Kartengeschäfte oder so manche Buchhandlung gegen Luxusprodukte und Gastronomie sowie Kulinarisches kaum eine Chance haben. Erst vor kurzem sperrte auch am Wiener Stephansplatz ein Flagshipstore des Schokoladeriesen Lindt auf.

City, Wien, Graben
Zwar immer noch im ersten Bezirk, aber doch deutlich weniger prunkvoll als der Graben: Der neue Standort von Weidler in der Spiegelgasse 4 soll in Bälde auf zwei Etagen eröffnet werden.
Michael Hausenblas

Im Büro von Weidler, das Unternehmen betreibt auch einen Großhandel mit Firmensitz im 19. Bezirk, hängt laut Website des Unternehmens ein Bild von der Unterzeichnung des Österreichischen Staatsvertrags, unterschrieben mit einer Füllfeder aus dem Haus. Dies geschah bekanntlich im Mai des Jahres 1955, als es am Graben und Kohlmarkt noch ganz anders aussah. (Michael Hausenblas, 30.1.2024)