"Es kann so nicht weitergehen", sagt Werner Kogler. Er meint damit nicht die Koalition mit der Volkspartei und auch nicht den Wind, der ihm mit bis zu 75 km/h entgegenbläst. Der grüne Vizekanzler spricht vom österreichischen Bodenverbrauch. Wenn dieser im aktuellen Tempo fortschreite, gäbe es in 100 bis 200 Jahren keinen fruchtbaren Boden mehr in Österreich. Koglers Beispiel ist ein Acker in Wiener Neustadt, vor dem er bei einem Pressegespräch steht und über den der Wind in das Gesicht des Vizekanzlers fetzt.

Genau dieses Feld könnte künftig als Betriebsgebiet versiegelt werden, so sieht es zumindest der Stadtentwicklungsplan der ÖVP-regierten Stadt vor. Die Wiener Neustädter Grünen sind dagegen.

Werner Kogler auf einem Acker
Fruchtbarer Boden ist in Wiener Neustadt rar, die Grünen rund um Parteichef Werner Kogler wollen ihn erhalten.
Regine Hendrich

"Gegenwind sind wir gewohnt", nutzt Kogler das suboptimale Wetter für einen Schmäh. Der wahre Kern: Die Regierungsarbeit mit der ÖVP gestaltet sich oft zäh.

Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer nannte in der "Zeit im Bild 2" ihre drei wichtigsten Projekte für die knappe Zeit bis zur Nationalratswahl: eine Bodenschutzstrategie, den Ausstieg aus "Russen-Gas" und eine Reparatur jenes Gesetzes, das Vollspaltenböden in der Schweinehaltung verbietet. Kogler bestätigte diese Prioritätensetzung am Montag. Bleiben die Fragen: Woran hakt es? Und geht sich das noch aus?

Bodenschutz: Blockade um eine Zahl

Ein Feld vor einer Reihe Einfamilienhäuser
Einfamilienhaussiedlungen und Gewerbegebiete versiegeln täglich Boden.
Putschögl

2,5: An dieser Zahl spießt es sich bei der österreichischen Bodenschutzstrategie. Die Grünen wollen den täglichen Bodenverbrauch bis 2030 auf zweieinhalb Hektar beschränken. Gemeindebund und einige Bundesländer wehren sich allerdings dagegen: Sie wollen die Strategie nicht mit dieser Zahl beschließen, die Grünen nicht ohne. Ein Patt.

Der Gemeindebund hält die Fläche für eine "unrealistische Größe", außerdem sei unklar, wie man dies "in gerechter und praktikabler Weise" auf Länder und Gemeinden herunterbricht. Und: Man dürfe nicht nur an Bodenschutz denken und dabei Wirtschaftspolitik und die Schaffung von Wohnraum ausblenden.

In der komplexen Verhandlungslage mit zwei Koalitionspartnern im Bund, Ländern und Gemeindebund scheint ein Durchbruch besonders schwierig. Gleichzeitig haben die Parteien schon viel Vorarbeit bei den notwendigen Maßnahmen geleistet – es fehlt "nur" noch die Einigung auf ein Ziel.

Gasausstieg: Hinderliche Verträge mit Russland

Regler auf einem Heizkörper
Der Gasverbrauch wird in Österreich nach wie vor großteils durch russische Quellen gedeckt.
imago images/photosteinmaurer.co

Der Ausstieg aus russischem Gas schien für ÖVP und Grüne nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine ein Gebot der Stunde. Tatsächlich ging die Abhängigkeit Österreichs von Gasimporten aus Russland temporär zurück.

Das war primär der einseitigen Lieferreduktion durch Russland geschuldet, in den Folgemonaten nahmen die Gaslieferungen aus Russland wieder zu. Die OMV hat im Jahr 2018 mit Gazprom eine Verlängerung ihres Gasbezugs aus Russland bis zum Jahr 2040 vereinbart. Aktuell dürfte der Marktanteil von russischem Gas in Österreich wieder bei 75 bis 80 Prozent liegen.

Während die Grünen weiter Druck machen, russisches Gas durch andere Quellen zu ersetzen, ist es auf ÖVP-Seite diesbezüglich ruhiger geworden. Es wird darauf verwiesen, dass Vorkehrungen getroffen worden sind, dass im Fall des Falles Gas auch aus Deutschland oder Italien nach Österreich kommen könne. Die OMV würde wohl dann erst kein Gas aus Russland mehr in Empfang nehmen, wenn dies sanktioniert wäre oder die Lieferungen eingestellt würden. Bis dahin wird es wohl bei der Forderung nach Ausstieg aus russischem Gas bis 2027 bleiben.

Schweinehaltung: Druck auf ÖVP

Schweine auf einem Vollspaltenboden
Über das Ende der Vollspaltenböden in der Schweinehaltung herrscht politischer Konsens – wann das Verbot in Kraft treten soll, ist Gegenstand von Verhandlungen.
Sina Schuldt / dpa / picturedesk

2022 wurden Vollspaltenböden in der Schweinehaltung in Österreich verboten. Doch die Übergangsfristen waren zu lang, urteilte der Verfassungsgerichtshof. Die Frist (bestehende Ställe müssten erst 2040 umrüsten) sei sachlich nicht gerechtfertigt. Die Vollspaltenböden müssen also früher aus den Schweineställen weichen.

In Österreich hat die ÖVP-Agrarspitze jetzt die Schweinebranche am Hals. Die Aufhebung der Bestimmung im Tierschutzgesetz erfolgt mit 1. Juni 2025. Einigt man sich bis dahin nicht, gilt das Verbot ab Juni 2025. Der für Tierschutz und Konsumentenschutz zuständige Minister Johannes Rauch (Grüne) hatte Anfang Februar einen Vorschlag vorgelegt.

Das Paket sieht ein Verbot von Vollspaltenbuchten ab 2030 und dafür höhere Förderungen vor. Vom Verband der Schweinebauern kam umgehend ein Njet. Dennoch wird man sich wohl noch in dieser Legislaturperiode auf eine neue Frist einigen. Denn den Druck hat in der Sache die Volkspartei: Auch für ÖVP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig ist klar, dass die Betriebe andernfalls in der Luft hängen. (Sebastian Fellner, 6.2.2024)