Vater und zwei Kinder schlafen in Bett
Alle unter einer Decke: Für manche Eltern ist die Lösung vieler Schlafprobleme das geteilte Familienbett.
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Ich bin hundemüde, permanent. Und das eigentlich seit mehr als sechs Jahren. Damit bestätige ich genau das, was Studien zeigen: Eltern leiden nach der Geburt ihres Kindes bis zu sechs Jahre lang an Schlafmangel.

Meine zwei Söhne sind entzückend. Aber schlechte Schläfer. Es gab Nächte, in denen ich jede Stunde geweckt wurde. Das Baby hat geschrien, wollte Milch, hatte Bauchweh, vielleicht waren es die Zähne. Irgendwas war immer. Mein Mann und ich waren verzweifelt. Aber hoffnungsvoll. Es ist ein Baby, haben wir uns gedacht. Babys schlafen halt schlecht. Das wird besser, ganz bestimmt. Derweil haben wir einfach probiert, was geht. Herumtragen, wippen, auf dem Gymnastikball hüpfen, Dauerstillen. Nichts hat geholfen, wir waren zu müde, um uns etwas Neues einfallen zu lassen. Irgendwann gewöhnt man sich an den ständigen Schlafmangel. Ohne Kind waren mir sieben Stunden Schlaf täglich zu wenig. Mit Kind war ich froh, wenn ich zwei am Stück bekam und sechs in Summe.

Selbstzweifel

Dabei wusste ich, dass es auch anders geht. Ich wusste, dass jedes Kind schlafen lernen kann. Der gleichnamige Ratgeber hat sich seit seinem Erscheinen vor knapp dreißig Jahren millionenfach verkauft. Er steht auch in unserem Bücherregal. Doch ich kannte die Kritik an Schlaftrainings für Babys. Die Ferber-Methode, also das gezielte Schreienlassen von Säuglingen, könnte Kinder sogar traumatisieren. Experten wie der renommierte Kinderarzt Herbert Renz-Polster oder der bekannte Neurologe Gerald Hüther warnen explizit davor. Als Vertreter der bedürfnisorientierten Erziehung sollte man Babys auf keinen Fall allein lassen. Ganz im Gegenteil: Eltern sollten die Bedürfnisse von Säuglingen sofort stillen. Wortwörtlich. Denn "Attachement Parenting" heißt, stillen, wenn das es Baby will, es immer nah am Körper tragen und nachts ganz nah bei ihm sein. Das fördere die Bindung zwischen Eltern und Kind.

Das waren sie also, unsere beiden Optionen: für immer müde – oder das Kind schreien lassen. Mein Mann und ich haben uns für Ersteres entschieden und sind dabei langsam völlig ausgebrannt. Sobald der Schlaf beim ersten Kind besser wurde, kam das zweite Kind. Und damit ging es von vorn los: wippen, tragen, stillen.

Die Folge sind nicht nur Augenringe, sondern auch Selbstzweifel. Wir haben uns oft gefragt, was wir falsch machen. Bis heute, denn unsere Söhne (sechs und zwei Jahre alt) schlafen noch immer nicht gut.

Mythos Durchschlafen

Zurück im Job denke ich mir: So kann das nicht weitergehen. Ich rufe also den Kinderarzt und Schlafmediziner Werner Sauseng an. Mit zwei konkreten Fragen: Was habe ich falsch gemacht? Und wie mache ich es ab jetzt besser? "Wahrscheinlich haben Sie nichts falsch gemacht", sagt er. "Die meisten Babys wachen nachts mehrmals auf, ist völlig normal." Aber es gibt sie doch, die Babys, die schon mit wenigen Wochen durchschlafen. Was machen denn diese Eltern anders? "Die haben einfach Glück", sagt Sauseng.

Er erklärt mir: "Kein Mensch schläft durch." Schlafzyklen umfassen bei Babys, Kindern, aber auch Erwachsenen Leicht- und Tiefschlafphasen. Und während wir Erwachsene bei einer partiellen Aufwachphase vielleicht unser Kissen richten und einfach weiterschlafen, checken Babys, ob alles in Ordnung ist. Ist Mama da? Droht Gefahr? Habe ich Hunger? Ob ein Baby also durchschläft oder nicht, hängt laut dem Experten davon ab, ob es schon fähig ist, eigenständig und friedlich in den nächsten Schlafzyklus zu gleiten oder ob es jedes Mal schreit, um die elterliche Hilfe beim Wiedereinschlafen einzufordern.

"Permanenter Schlafentzug kann sich wie Folter anfühlen. Eltern sollten ruhig um Hilfe bitten." Werner Sauseng, Kinderarzt und Schlafmediziner

Nur wie bringt man den Kleinen bei, dass sie selbstständig weiterschlafen? "Indem man etwa den Kindern nicht sofort eine Flasche oder die Brust anbietet", sagt Sauseng. Aus medizinischer Sicht brauchen Babys ab sechs Monaten nämlich nachts keine Milch mehr. Der Kinderarzt weiß aus der Praxis, wie emotional das Thema Stillen ist. Deswegen merkt er zu seinem Tipp auch sofort an: "Mütter sollen bitte ihre Kinder so lange und so oft stillen, wie sie möchten. Es ist nie falsch."

Ich weiß genau, warum er das so vorsichtig formuliert. Ich kenne diese Zerrissenheit. Da sind wir wieder bei der Sache mit den Bedürfnissen. Natürlich will man das Kind nicht weinen lassen, wenn es nach dem Busen verlangt. Wenn man aber nachts zehnmal geweckt wird, ist das nurmehr belastend für die Eltern. Der Kinderarzt möchte müden Eltern hier Sorgen nehmen: "Sie müssen sich nicht schlecht fühlen, wenn Sie nachts abstillen. Wenn Sie das Kind liebevoll begleiten, wird es keinen Schaden davontragen."

Kind schläft
Damit Kinder gut durchschlafen, sollten sie beim Hinlegen zwar müde, aber nicht übermüdet sein.
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Richtig einschlafen

Psychologin und Schlafberaterin Marion Langer sieht das ähnlich: "Je weniger Interaktion nachts passiert, desto leichter kann das Kind weiterschlafen." Dafür sei auch entscheidend, wie das Kind einschlafe. "Wenn ich mein Baby jeden Abend im Arm wiegend zum Einschlafen bringe, schläft es wahrscheinlich nicht durch." Der Grund ist denkbar einfach: Während der Wachphase bemerkt das Kind, dass es plötzlich nicht mehr in Mamas Arm, sondern allein in einem Bett liegt und schlägt Alarm.

Besser sei es, das Baby ab sechs Monaten zum Einschlafen in sein Bettchen zu legen. Wenn es sich dort entspannen kann und einschläft, stehen die Chancen gut, dass es nicht permanent aufwacht. Klingt theoretisch einfach, ist es in der Praxis aber meistens nicht. Schließlich habe ich das auch probiert. Kaum habe ich das Baby in sein Bett gelegt, ging das Schreien los. Was machen Eltern dann? "Das Kind Schritt für Schritt auf dem Weg zum selbstständigen Einschlafen begleiten, sich dazulegen, schlafen", sagt Langer.

Wie bei allen Erziehungsthemen steht und fällt der Erfolg dieser Strategie mit der Konsequenz der Eltern. Der anfängliche Protest sei verständlich. Vor allem, wenn sich das Kind schon sehr an Rituale wie die Flasche in der Nacht oder das Einschlafschunkeln gewöhnt hat. "Ich ermutige Eltern in der Beratung dazu das Weinen der Kinder zuzulassen und es nicht sofort mit Ablenkung zu unterdrücken", sagt die Psychologin. Wobei das Kind nie allein gelassen wird, sondern immer liebevolle Eltern an seiner Seite hat.

Wachphasen einhalten

Langer weiß, dass viele Eltern ihr Kind abends extra lang wach halten, damit es nachts besser schläft. Das sei ein Trugschluss: "Übermüdete Kinder sind gestresst, das Cortisol im Blut steigt an und hemmt die Produktion von Melatonin." Besser ist es, wenn Eltern die richtigen Wachphasen vorm Schlafgehen einhalten. Ein viermonatiges Baby etwa sollte zweieinhalb Stunden wach sein, bevor es schlafen geht. Ein Zweijähriger schläft am besten nach einer Wachphase von sechs bis sieben Stunden.

Langer betont aber: "Jedes Kind, jede Familie ist anders." Beim Einschlafcoaching überprüft sie deshalb viele Faktoren: Einschlafsituation, Wachphasen, Abendrituale, Bedürfnisbefriedigung – oder ob es zu viel Medienkonsum gibt. Fest steht: Eltern, die etwas an der Schlafsituation ändern wollen, können etwas ändern. Und sollten etwas ändern. Studien zeigen, dass Babys, die häufig aufwachen, auch im Kleinkindalter noch Schlafprobleme haben. Sich müde durch die Jahre zu quälen nutzt nichts. Wenn der Leidensdruck zu hoch wird, sollten sich Eltern Hilfe holen. "Schlafprobleme sind kein Tabu", sagt Sauseng. "Sprechen Sie es bitte beim Kinderarzt an, dafür sind wir da!" (Nadja Kupsa, 17.2.2024)