Eigentlich hätte Johannes Pressl Pfarrer werden sollen, aber jetzt wird er Präsident des österreichischen Gemeindebunds. Mit dem Besuch des Stiftsgymnasiums in Seitenstetten war er auf Kurs für das Priesterseminar. Aber mit 16 Jahren entschloss sich Pressl gegen die pastorale Karriere. Einsam und gleichzeitig immer für alle da sein? Das sei nichts für ihn, dachte er damals. "Mittlerweile habe ich eh das Gefühl, ich bin doch Pfarrer."

Johannes Pressl am Donau-Ufer in Ardagger
Ardaggers Bürgermeister Johannes Pressl (ÖVP) wird neuer Präsident des österreichischen Gemeindebunds.
Florian Voggeneder

Pressl scherzt. Doch so, wie der Bürgermeister von Ardagger im Bezirk Amstetten sein Amt anlegt, ist der wahre Kern offensichtlich. Der Kommunalpolitiker ist ein Workaholic, von früh bis spät ist er auf den Beinen. Für seine Gemeinde. Und für den niederösterreichischen Gemeindebund, dessen Präsident er ist. Ab Montag kommt der dritte Job dazu: Dann wird der ÖVP-Politiker zum Präsidenten des österreichischen Gemeindebunds gewählt.

Video: Johannes Pressl wird neuer Gemeindebund-Präsident werden.
APA

Tägliche "Frühstücksnews"

Wie soll sich das alles ausgehen? Schon jetzt beginnt Pressls Tag zwischen fünf und sechs Uhr, die erste Amtshandlung sind die "Frühstücksnews": ein täglich verschickter Bericht des Bürgermeisters persönlich, als Blogpost, Kurztext oder Tiktok-Video. "Da hat sich eine stabile Leserschaft etabliert, die teilweise wirklich darauf wartet", erzählt der Bürgermeister. Wenn er vom Senioren-Krapfenbacken, dem Glasfaserausbau oder seiner Kandidatur fürs Präsidentenamt erzählt, lesen hunderte Ardaggerinnen und Ardagger mit.

Im Jänner gab Pressl seine Kandidatur für das Amt bekannt, es wird gegen den Willen des aktuellen Gemeindebund-Präsidenten vakant: Alfred Riedl hat am Donnerstag seinen endgültigen Rücktritt von dem Amt bekanntgegeben. Der Wirbel um seine lukrativen Grundstücksdeals in der eigenen Gemeinde waren für den Gemeindebund schlicht nicht mehr tragbar.

"A guate Hock'n"

Der Reiz am Job, nach all dem Wirbel? Er könne so die Rahmenbedingungen für seine Kolleginnen und Kollegen mitgestalten. "Letztlich geht es gar nicht darum, es zu werden. Sondern es gut zu sein. A guate Hock'n zu machen."

Baustelle vor dem Stift Ardagger mit einer Statue des heiligen Sebastian
Infrastruktur in der Gemeinde sei die wichtigste Aufgabe für einen Bürgermeister, sagt Pressl (nicht im Bild). Dazu zählt auch der Glasfaserausbau in Ardagger.
Florian Voggeneder

Nach der Matura am Stiftsgymnasium studierte Pressl Landschaftsplanung. Nach Ardagger hat er eingeheiratet. Ursprünglich stammt er aus St. Georgen am Ybbsfeld, drei Ortschaften weiter. Das Studium hat ihn für den Dorferneuerungsverein prädestiniert. Die Obfrau empfahl den 25-Jährigen dann als ÖVP-Gemeinderat. Zehn Jahre später, 2005, starb der Bürgermeister überraschend – die Wahl fiel auf Pressl als Nachfolger.

Druck zum Amtsantritt

Zwei Monate nach seinem Amtsantritt standen die nächsten Gemeinderatswahlen an. "Da war ein extremer Druck da: Schafft er's?", schildert Pressl. Die Wahl ging gut aus für die Volkspartei. Aber die ersten ein, zwei Jahre als Bürgermeister seien eine "Riesenherausforderung" gewesen. Pressl hatte sich den Job leichter vorgestellt. Er wuchs ins Amt hinein, das Privatleben rückte immer weiter in den Hintergrund. Seine Frau und die vier Kinder hätten sich darauf eingestellt, dass der Vater kaum zu Hause ist, sagt Pressl. "Natürlich ist das nicht einfach."

Es scheint unmöglich, etwas Schlechtes über Johannes Pressl zu hören zu bekommen. Sogar die Ardagger Opposition findet nur lobende Worte für den mit absoluter Mehrheit regierenden Bürgermeister.

Machtbewusster Ortschef

Pressl begegne allen auf Augenhöhe und suche die Zusammenarbeit, sagt der freiheitliche Mandatar Josef Prinz: "So macht die Arbeit im Gemeinderat Freude." Roland Forster von der SPÖ erzählt von teils harten Auseinandersetzungen mit dem Bürgermeister, aber "Streitthemen diskutieren wir in den Gremien und nicht in der Öffentlichkeit".

"Er ist sehr auf Konsens ausgerichtet", erzählt Forster. "Eigentlich würde man sich so einen Politiker auch in den oberen Ebenen wünschen." Der Ortschef agiere aber durchaus machtbewusst: "Er gibt schon den Ton an – und das auf eine Art und Weise, wo man nicht viel dagegenreden kann." Vor allem aber sei er "ein geborener Bürgermeister. Er nimmt sich fast keine Freizeit, er stellt sein Amt über alles." Pressl sei ein Vollblutpolitiker.

Roter Vertrauensvorschuss

Die Sache mit dem Konsens nimmt Pressl als Kompliment. "Eine andere Meinung zu hören ist Grundlage für bessere Entscheidungen", sagt er. 2010 war die ÖVP Ardagger so stark, dass sie alle geschäftsführenden Gemeinderäte benennen konnte. Sie wählte den roten Forster in den Vorstand. "Vieles von einer Meinung, die vielleicht nicht mehrheitsfähig ist, kann doch in einer Entscheidung verwendbar sein", sagt der Bürgermeister.

Und im Gemeindebund? Schon jetzt ist Pressl ja Verbandspräsident der niederösterreichischen ÖVP-Gemeinden. Rupert Dworak ist sein rotes Pendant, er steht dem Verband der SPÖ-Gemeinden in dem Bundesland vor. Pressl sei "ein sehr eloquenter Kommunalpolitiker mit absoluter Handschlagqualität". Er erhalte von Dworak einen Vertrauensvorschuss, als Präsident werde er den Gemeinden sicher einen guten Dienst erweisen. "Unsere Probleme haben ja kein parteipolitisches Mascherl", sagt Dworak.

Eigentum, Leistung, Eigenverantwortung

Pressl selbst hält sich nicht für einen großen Ideologen, wenngleich seine weltanschaulichen "Grundpfeiler Eigentum, Leistung, Eigenverantwortung" stabil seien. Landschaftsplanung habe er etwa studiert, weil ihm Ökologie wichtig sei. "Bei sehr vielen Denkschulen merke ich: Da ist etwas Richtiges dran. Ob ich das jetzt parteipolitisch dort, dort oder dort zuordne, ist für mich zweitrangig."

Johannes Pressl im Gespräch
Die Interessenvertretung für die Gemeinden kommt Pressls ideologischem Grundgerüst nicht in die Quere.
Florian Voggeneder

Die Interessenvertretung für Gemeinden sei mit seinem Wertegerüst jedenfalls vereinbar, sagt Pressl. "Auch ich lehne ein absolutes 2,5-Hektar-Limit ab, weil das einfach in der Praxis nicht funktioniert", bekräftigt er etwa die Gemeindebund-Position gegen verbindliche Ziele beim Bodenverbrauch. "Eine Gemeinde kann ich nur entwickeln, wenn ich Neuboden verbrauche", sagt er. Gleichzeitig müsse man aber selbstverständlich Leerstand nutzen und, wo möglich, Flächen entsiegeln.

Ein Anti-Riedl

Am Donnerstag stellte er sich der Öffentlichkeit vor und forderte vom Bund angesichts gestiegener Kosten eine Extramilliarde für die Kommunen. Das Informationsfreiheitsgesetz müsse man nun, da es beschlossen ist, akzeptieren.

Beim österreichischen Gemeindebund übernimmt Pressl den Job von Alfred Riedl. Beide kommen aus Niederösterreich, beide gehören der Volkspartei an, beide führen mittelgroße Gemeinden. Dennoch könnten sie nicht unterschiedlicher sein.

Vielleicht ist das der Grund, warum gerade niemand etwas Kritisches über Pressl sagen will. "Bei uns gibt's keine Prestigebauten, keine goldenen Türklinken", sagt Pressl – ohne bewusst einen Bezug zu Riedl herzustellen, der Leuchtturmprojekten zugeneigt war. "Mir war immer wichtig: Die Infrastruktur muss passen", sagt Pressl. In Ardagger werde seit einer Beinahepleite in den 1970ern jeder Euro zweimal umgedreht.

Kein Sinn für private Geschäfte

Die Frage nach den Grundstücken in der Gemeinde kennt Pressl schon. Zehn Hektar besitze er gemeinsam mit seiner Frau – im Überschwemmungsgebiet: "Da kannst du nichts hinbauen." Pressl war auch stets nur im öffentlichen oder halböffentlichen Dienst tätig, unternehmerische Erfahrung fehlt ihm.

Vielleicht ist es für den österreichischen Gemeindebund ja gar nicht schlecht, wenn der Präsident keinen ausgeprägten Sinn für private Geschäfte hat? Pressl lächelt, denkt kurz nach und sagt: "Nächste Frage." (Sebastian Fellner, 22.2.2024)