Engelbert Dollfuß bei einer Rundfunkansprache, 1934
Von Aussöhnung keine Spur: Selbst heute, nach Jahrzehnten, wollen die Debatten über Engelbert Dollfuß nicht enden.
Foto: Scherl/SZ-Photo/Picturedesk

Ex-Landeshauptmann Franz Schausberger (ÖVP) streicht in seinem jüngsten Gastkommentar im STANDARD zum Februar 1934 heraus, dass das Dollfuß-Museum geschlossen wurde (siehe "Februar 1934: Wir waren doch schon viel weiter!"). Die ausgestellten Gegenstände seien auf Wunsch der Eigentümer zurückgegeben worden. Der linke Mainstream würde das aber nicht entsprechend würdigen: "Ist es so schwer, solche Haltungen auch einmal als positiv zu bewerten?" Ja, das ist es.

Die Geschichte des Dr.-Engelbert-Dollfuß-Museums in Texing ist von Anfang bis Ende ein einziger Skandal. Errichtet 1998 (!) von der Gemeinde Texingtal mit Unterstützung der niederösterreichischen Landesregierung, des Bauernbundes und des Unterrichtsministeriums unter Elisabeth Gehrer, wies es den Historiker Karl Gutkas als wissenschaftlichen Leiter aus.

Krauses Sammelsurium

Der heutige Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) lobte als Bürgermeister von Texingtal wiederholt die wissenschaftliche Qualität der Ausstellung, die in Wirklichkeit hauptsächlich ein Sammelsurium von krausen Exponaten im Dienste der Apotheose des Totengräbers der österreichischen Demokratie war.

Unkommentiert gab es da zertifizierte "österreichische Erde, die den größten Sohn des Vaterlandes barg" vom Dollfuß-Grab in Hietzing ebenso zu bestaunen wie seine Totenmaske, seine Orden, Uniformen und CV-Ehrenbänder, Biergläser und Kaffeehäferln mit dem Konterfei des von den Nazis ermordeten Helden und Märtyrers, die Dr.-Dollfuß-Hymne und überlange Huldigungsgedichte: "Wir hatten einen Kanzler / der war so lieb und gut." In einer Vitrine würdigte die Titelseite des Organs für die staatstreue Bevölkerung Freiheit! "die Erfolge der einjährigen Kanzlerschaft Dr. Dollfuß’" mit der Schlagzeile: "Konzentrationslager für alle Vaterlandsverräter!"

Kritische Aufarbeitung

Fotografische Dokumente von runden Gedenkfeiern, etwa 1964 im Beisein von Landeshauptmann Leopold Figl, sollten die ungebrochene Bewunderung für jenen Mann unterstreichen, der das Bundesheer 1934 gegen die eigene Bevölkerung einsetzte. Dabei feierte die irritable Terminologie des Ständestaates in der als Museum getarnten Weihestätte fröhliche Urständ. Wie anders ist es zu deuten, wenn 2004 eine Überschrift so lautet: "Erinnerung an den 70. Todestag von Märtyrerkanzler Dr. Engelbert Dollfuß".

Ich habe das alles im Jahr 2019 nach einer genauen Besichtigung in meinem Buch Wo nur die Wiege stand über Geburtshäuser Prominenter beschrieben und später hier im STANDARD eine kritische Aufarbeitung der Texinger Ungeheuerlichkeiten angeregt (siehe "Erneuerer Österreichs"). Die sollte es durch den beauftragten Verein Merkwürdig nun endlich geben, und zwar im Museum selbst.

Ohne Widerspruch

Da aber schritten die Leihgeber ein und forderten von der Gemeinde, die Objekte treuhändisch dem Land Niederösterreich zu übergeben. Die Herrschaften wollten offenbar eine weniger auf Heiligsprechung angelegte Präsentation ihrer Kostbarkeiten nicht dulden. "Die geplante und notwendige öffentlichkeitsbeteiligte Geschichtsaufarbeitung" könne nun nicht mehr stattfinden, heißt es in einer Erklärung des Projektleiters Alexander Hauer. In der geplanten Form nicht, das stimmt schon, aber es gibt auch andere Möglichkeiten. So werden sich doch Ausstellungsräumlichkeiten finden lassen, wo anhand von für sich sprechenden Fotos aus der Dauerausstellung herausgearbeitet werden könnte, welches fatale Geschichtsbild ein von der öffentlichen Hand (Bund, Land und Gemeinde) gefördertes, um die Jahrtausendwende eröffnetes Museum vermitteln wollte.

Alarmierendes Signal

Es bedurfte offenbar des Aufstiegs von Bürgermeister Karner zum Innenminister, um die seit vielen Jahren, etwa von der Historikerin Lucile Dreidemy, fundiert vorgebrachte Kritik schlagzeilenträchtig zu machen. Nun wäre es ein alarmierendes Signal, würde der Schachzug der Leihgeber dazu führen, dass Gras über die Sache wächst und ÖVPler wie Schausberger die klammheimliche Entsorgung der Ungeheuerlichkeit ohne Widerspruch als großzügiges Versöhnungsangebot inszenieren können. Gerade jetzt gälte es, alle Versuche, autoritäre Politikkonzepte durch die Hintertür wieder schmackhaft zu machen, sachlich, aber bestimmt und öffentlichkeitswirksam zu entlarven.

Wer auf das idyllisch gelegene Haus in Texing zusteuert, wird außen am Eingang von einer Steintafel empfangen: "Geburtshaus unseres großen Bundeskanzlers und Erneuerer Österreichs Dr. Engelbert Dollfuß". Erneuerer Österreichs im Geiste von Dollfuß müssen in ihre Schranken gewiesen werden. Auch und besonders in Niederösterreich. (Ludwig Laher, 23.2.2024)