Lichtermeer gegen Rechtsextremismus in Wien am 26. Jänner
Ende Jänner gab es bereits ein Lichtermeer gegen Rechtsextremismus mit zehntausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor dem Parlament in Wien.
IMAGO/Andreas Stroh

Die Demos richten sich gegen Rechtsextremismus. Nicht gegen "rechts". Das war einigen Kommentatoren in den vergangenen Wochen wichtig. Und da haben sie natürlich recht. Demonstriert wird und wurde von Hamburg bis München, von Linz bis Wien, natürlich nicht gegen Bürgerliche und Wertkonservative. Demonstriert wird gegen die rechten Ränder; gegen die Feinde der rechtsstaatlichen Demokratie und der universellen Menschenrechte, die gerne autoritäre Fantasien in die Tat umsetzen würden; gegen "Rechtsextremismus und Rassismus", wie es in den Aussendungen zu den Kundgebungen meist hieß.

Mit einer großen Weltverschwörung der "politmedialen Blase", wie manche das gerne nennen, dürfte es allerdings nicht allzu viel zu tun haben, dass die Proteste in vielen Medien unter dem Schlagwort "Demos gegen rechts" liefen. Mit dem beschränkten Platz im Layout von Redaktionssystemen und der gebotenen Kürze von Titelzeilen schon deutlich mehr.

Bisher mehr als 30 Kundgebungen angemeldet

Und: Der knackige Slogan "Demonstrieren gegen rechts" ist zwar nicht vollständig präzise ("Demonstrieren gegen Rechtsextremismus" ist nämlich präziser). Aber: Er ist auch nicht falsch. Denn rechts ist ja auch der Überbegriff zu rechtsextrem im Sinne von: "im politischen Spektrum rechts der Mitte". Oder anders gesagt: Jemand, der rechts ist, ist nicht automatisch rechtsextrem. Aber jemand, der rechtsextrem ist, ist automatisch rechts.

Aber Wortklauberei hin, politikwissenschaftliches Proseminar her: Demonstriert wird am Sonntag jedenfalls gegen Rechtsextremismus. Darauf dürften sich alle Teilnehmenden einigen können. Schließlich war der Anlass für die Serie an Großkundgebungen, die sich ab Mitte Jänner von Deutschland ausgehend auch in Österreich formierte, das Treffen von Rechtsextremen nahe Potsdam. Bei der von der Rechercheplattform "Correctiv" aufgedeckten Veranstaltung wurden Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen gewälzt. Am Sonntag wird deshalb quer durch Österreich unter dem Motto "Demokratie verteidigen!" demonstriert. Bisher sind gut 30 Kundgebungen angemeldet.

Aufruf von Fridays for Future

Bleibt noch die Frage: Wer genau demonstriert da jetzt eigentlich? Die kurze Antwort: eine ganze Menge recht verschiedener Menschen und Organisationen. Die längere: Übergeordnet organisiert werden die Proteste von der Klimaschutzbewegung Fridays for Future. Die lokalen Demos in den jeweiligen Gemeinden wurden jeweils von NGOs und Einzelpersonen angemeldet. In Innsbruck sind etwa die Diakonie, die Gewerkschaftsjugend und die Scientists for Future mit an Bord, in Linz die Caritas, die Volkshilfe und die Omas gegen rechts. Im Gegensatz zur Großkundgebung in Wien im Jänner mit zehntausenden Teilnehmenden geht es den Veranstalterinnen und Veranstaltern diesmal nicht um die schiere Masse an Menschen bei einer Demo, sondern um möglichst viele Kundgebungen an möglichst vielen Orten der Republik.

So sind nicht nur in Wien und in den Landeshauptstädten Linz, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt und St. Pölten Demonstrationen angemeldet, sondern etwa auch in Wiener Neustadt, Waidhofen an der Thaya und Hall in Tirol. Selbst im rund 3.500 Einwohner zählenden Pfaffstätten in Niederösterreich und in der noch etwas kleineren Salzburger Gemeinde Köstendorf wird es am Sonntag Kundgebungen geben.

Und worum geht es den Veranstaltern jetzt genau? "Unsere Demokratie ist in Gefahr", heißt es im Aufruf zu den Demos. Man wolle ein klares Zeichen gegen Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit setzen. "Denn unsere demokratischen Grundwerte und die Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Die Krisen unserer Zeit brauchen eine wehrhafte Demokratie und uns alle." Als starke Zivilgesellschaft wolle man die Demokratie gegen all jene verteidigen, die sie zerstören wollen, und mit Kerzen, Laternen und Handys ein Lichtermeer gestalten.

Breites Bündnis im Jänner und März

Die große Demo in Wien am 26. Jänner hatten Fridays for Future noch gemeinsam mit den Macherinnen und Machern des "Black Voices"-Volksbegehrens und der Plattform für eine menschliche Asylpolitik organisiert. Das Treffen von Rechtsextremisten in Potsdam sei "auch für Österreich ein Weckruf" gewesen, hieß es damals in einem offenen Brief. "Rechtsextreme schüren Hass gegen People of Colour, Menschen mit Migrationsbiografie und Zugehörige nichtchristlicher Religionen. Ihre gefährliche Rhetorik zielt darauf ab, Teile unserer Gesellschaft auszuschließen und zu spalten." Es gelte Demokratie, Sicherheit, Medienfreiheit und allen voran Menschenrechte zu verteidigen.

Unterzeichnet wurde der offene Brief im Jänner von einigen Dutzend Organisationen und Einzelpersonen. Darunter sind etwa die Volkshilfe, die Österreichische Hochschüler*innenschaft, die Katholische Jugend Wien sowie die Mulimische Jugend Österreich; die NGOs Amnesty International, SOS Mitmensch, Global 2000 und Greenpeace; die Vereine Asylkoordination und SOS Balkanroute; die Grünen und Alternativen Student_innen, die Sozialistische Jugend, das Mauthausen-Komitee und der Verein Zara – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit.

Bei der Wiener Großdemo im Jänner hatten sich auch SPÖ, Grüne und Organisationen wie die Caritas, die Katholische Aktion, der ÖGB und die Arbeiterkammer angeschlossen. Mit dabei war etwa Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), SPÖ-Chef Andreas Babler und Lena Schilling, die grüne Spitzenkandidatin für die EU-Wahl. Auch am Sonntag werden prominente Politikerinnen und Politiker erwartet. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat etwa bereits angekündigt, an einer der Kundgebungen teilzunehmen. Für Ende März ist zudem eine weitere Großkundgebung in Wien mit einem breiten Bündnis an Veranstaltern und teilnehmenden Organisationen geplant. (Martin Tschiderer, 24.2.2024)