Impfstoff und Spritze
Alsinternational anerkannter Experte für Impfstoffentwicklungwird Florian Krammer künftig auch in Wien forschen.
AP/Eugene Hoshiko

Als international anerkannter Virologe war Florian Krammer bereits während der Corona-Pandemie ein gefragter Experte, der auch im STANDARD häufig Rede und Antwort stand. Künftig wird der Terminplan des Wissenschafters wohl nicht ausdünnen: Neben seiner Professur für Impfstoffkunde an der Icahn School of Medicine in New York wird er auch hierzulande einige verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen. So soll Krammer ab März eine Teilzeitprofessur an der Medizinischen Universität Wien antreten. Eine ebenfalls neue Rolle wird er als Leiter eines neuen Ignaz-Semmelweis-Instituts übernehmen.

Doch damit nicht genug: Der gebürtige Steirer wurde nun im Rahmen einer Pressekonferenz auch als Leiter des neuen Ludwig-Boltzmann-Instituts (LBI) Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge vorgestellt. Gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium wurden daneben noch zwei weitere Forschungsinstitute präsentiert, die bald im Bereich der Gesundheitswissenschaften die Arbeit aufnehmen sollen: das LBI Nanovesikuläre Präzisionsmedizin und das LBI Netzwerkmedizin.

Ja, er sei ein Frühaufsteher, sagt Krammer. Zur Pressekonferenz der Ludwig-Bolzmann-Gesellschaft, die um zehn Uhr am Vormittag an der Universität Wien stattfand, war der Virologe per Zoom aus New York zugeschaltet. Für Krammer ein sportliches, frühmorgendliches Meeting um vier Uhr morgens. Ob er in Zukunft eher von Wien aus nach New York per Zoom arbeiten wird, das heißt, seinen Lebensmittelpunkt sukzessive nach Österreich und Wien verlagern wird, wird sich weisen.

Virologe Florian Krammer
Der österreichische Virologe Florian Krammer wird eine Teilzeitprofessur an der Medizinischen Universität Wien übernehmen. Zudem wird er das neue Ludwig-Boltzmann-Institut Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge leiten.
Sebastian Krammer

Aufbau neuer Forschungsinstitute

Der international renommierte Experte für Impfstoffentwicklung wird nicht nur die Leitung eines neuen Ludwig-Boltzmann-Instituts übernehmen, in dem Impfstoffforschung und Citizen-Science-Projekte geparkt sein werden. "Damit kann ich aber erst Mitte 2025 beginnen", sagt Krammer. "Zunächst muss ich mich in Wien einarbeiten." Krammer übernimmt andererseits zwei weitere wichtige Projekte, die ihn stärker mit der österreichischen Forschungsszene verbinden werden.

Schon ab März beginnt für den Virologen, der in den USA gerade neue Influenza- und Sars-Cov-II-Impfstoffe entwickelt hat, eine Professur für Infektionsmedizin an der Medizinischen Universität Wien. Anfangs zwar nur in einem Ausmaß von 20 Prozent, "im nächsten Jahr werde ich aber viel in Wien sein, um Aufbauarbeit für neue Forschungslabore vorzunehmen". Die Präsenz hat mit einem weiteren Projekt zu tun: Krammer übernimmt auch die Leitung des gerade in Planung befindlichen Ignaz-Semmelweis-Instituts (ISI), das nach dem Vorbild des deutschen Robert-Koch-Instituts eine zentrale Rolle in der Bekämpfung von Infektionskrankheiten, Impfstoffentwicklung und Pandemieprävention einnehmen soll.

Das ISI, für das auf dem Campus der Medizinischen Universität gerade nach einem Standort für ein eigenes Gebäude gesucht wird, soll organisatorisch in Kooperation mit mehreren Universitäten betrieben werden und in einigen Jahren in Betrieb gehen, heißt es von der Med-Uni Wien. Genaue Größen und Budgets seien noch nicht bekannt, Krammer werde in der Aufbauarbeit maßgeblich beteiligt sein. Ob er in Zukunft seinen Lebensmittelpunkt in Österreich haben wird, lässt Krammer noch offen. "Das wird sich zeigen. Möglich aber ist es." Das von Krammer geleitete LBI für Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge wird ebenfalls an der Medizinischen Universität Wien angesiedelt sein.

Virusüberwachung an der Schnittstelle

In mehreren Projekten soll eine Virusüberwachung im urbanen Raum an der Schnittstelle zwischen Tier und Mensch aufgebaut werden. Damit soll schon frühzeitig erkannt werden, ob im Abwasser, aber auch bei Tieren in der Stadt, etwa Ratten, Mücken oder Vögel, neue Virusarten entdeckt werden können. Eingebunden sollen dabei über Citizen-Science-Projekte auch die Bevölkerung werden. In New York habe er, so Krammer, etwa mit Schülerinnen und Schülern gute Ergebnisse erzielt. Die Ergebnisse sollen dann – im Fall des Falles – schnell in die Impfstoffentwicklung umgesetzt werden.

Präsentation der neuen Ludwig Boltzmann Institute
Barbara Weitgruber, Sektionschefin im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, undFreyja-Maria Smolle-Jüttner, Präsidentin der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft, mit Nicole Meisner-Kober, Leiterin des LBI für Nanovesikuläre Präzisionsmedizin, Jörg Menche, Leiter des LBI für Netzwerkmedizin, und Florian Krammer, Leiter des LBI für Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge (v. li.).
Julia Dragosits

Gesunde Gesellschaft im Mittelpunkt

Wissenschaft für und mit der Gesellschaft ist auch das Ziel der beiden weiteren neuen Ludwig-Boltzmann-Institute. An der Universität Wien wird das LBI für Netzwerkmedizin (LBI-Net-Med) angesiedelt, das sich mit der rasant zunehmenden Komplexität in der medizinischen Forschung beschäftigt. Geleitet wird das Institut vom Physiker Jörg Menche, der an der Universität Wien eine Professur für Quantitative Modelling of Biological Networks am Zentrum für Molekulare Biologie und der Fakultät für Mathematik innehat.

Menche will mit einem interdisziplinären Team aus Medizin, Biologie, Informatik, aber auch und Kunst neue KI-Methoden erarbeiten, um Muster in der komplexen molekularen Interaktion von Zellen und Zellen im Gewebe zu erkennen und diese für neue Therapie nutzbar zu machen. Damit will man auch der immer stärker zunehmenden Datenflut in der medizinischen Forschung Herr werden. In einer ersten Kooperation mit dem St.-Anna-Kinderspital will Menche seltene Erkrankungen zu entschlüsseln versuchen – von der genetischen Abweichung bis hin zur phänotypischen Expression.

An der Paris-Lodron-Universität Salzburg angesiedelt wird das LBI für Nanovesikuläre Präzisionsmedizin, das von der in Salzburg forschenden Molekularbiologin Nicole Meisner-Kober geleitet wird. Meisner-Kober will dabei ihre Arbeiten zu den gerade einmal 70 bis 80 Nanometer großen "Bläschen" weiterentwickeln, in denen der Körper Botenstoffe zwischen Organen oder Geweben hin- und herschickt. Diese "Nano-Fedex" könnte etwa dazu verwendet werden, um Medikamente in Form von Pillen punktgenau an Tumore zu adressieren, ohne schädliche Nebenwirkungen in gesundem Gewebe anzurichten. Das neue LBI soll dabei als Hebel dienen, um die Grundlagenforschung schneller in die Anwendung zu bringen, sagt Meisner-Kober.

Auswahl durch internationale Jury

Ausgewählt wurden die drei Institute, so die Präsidentin der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft, Freyja-Maria Smolle-Jüttner, von einer internationalen Jury. Die Arbeit in den Ludwig-Boltzmann-Instituten erfolgt dabei immer in einer Partnerschaft zwischen forschungs- und anwendungsorientierten Organisationen. Das Konsortium besteht aus einer Host-Institution – dies können etwa Universitäten, Privatuniversitäten und außeruniversitäre Forschungsorganisationen sein –, Partnerorganisationen und Netzwerkpartnern.

Das Budget der neuen LBI beträgt maximal 1,5 Millionen Euro pro Jahr. 80 Prozent übernimmt die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft, 20 Prozent werden von den Partnerorganisationen finanziert. Die Institute werden innerhalb einer Host-Institution eingerichtet und von der LBG verwaltet. Die Laufzeit ist auf sieben Jahre angelegt, mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere drei Jahre. (Norbert Regintnig-Tillian, 26.2.2024)