Vielleicht müssen Gemeindebund-Präsidenten beim Amtsantritt ja geloben, nur ja keinen oder keine der gut 2.000 Bürgermeisterinnen und 40.000 Gemeinderäte zu bewerten. Auch wenn diese Gemeindebundespartner ihre Funktion nicht ganz im Einklang mit ihrem Amtseid sehr offenbar zum eigenen Vorteil genutzt haben, wie man das von Alfred Riedl liest, dem weiter amtierenden Bürgermeister von Grafenwörth in Niederösterreich und nunmehrigen Ex-Gemeindebund-Präsidenten. Auweia, Sonnenweiher!

Der neue Gemeindebundpräsident Johannes Pressl (ÖVP) in der
Der neue Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl (ÖVP) will nicht nach Widmungen "draufkommen, dass man jemand die Brieftasche gefüllt hat".
ORF TVthek ZiB 2 Screenshot

Was Bürgermeister anscheinend aus der Causa Riedl lernen

Riedls frisch gewählter Nachfolger Johannes Pressl aus der ebenfalls niederösterreichischen Gemeinde Ardagger hat schon im "Morgenjournal" sehr umgänglich jede moralische Bewertung Alfred Riedls und seines Tuns umgangen. Nachdrücklicher als Franz Renner am Morgen auf Ö1 konnte man ohnehin kaum noch fragen, also beließ es Marie-Claire Zimmermann spätabends in der "ZiB 2" gleich bei ihrem etwas klassischeren Fragestil.

Hat sich Riedl da richtig verhalten mit seinem Rücktritt als Präsident erst nach vielen Monaten? "Der moralische Kompass wird natürlich in der eigenen Gemeinde angelegt", erklärt sich Pressl wieder für unzuständig. Der neue Präsident hat doch sicher auch eine Meinung zu Riedls Verhalten im Gemeindebund? "Schau", nimmt Pressl jovial eine Abzweigung von direkter Bewertung: "Was lernen wir aus dieser Situation? Es ist allein schon der Anschein zu vermeiden, dass man durch Insiderwissen vielleicht einen persönlichen Vorteil ziehen kann. Das ist ein Learning aus dieser Situation, die wir allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern weitergeben."

Wenn es für diese Erkenntnis Grafenwörther Verhältnisse gebraucht hat, könnte man an der Grundausbildung von Gemeindevertreterinnen und -vertretern vielleicht noch ein bisschen nachschärfen, wie man in der Politik gern sagt, wenn man auf Fehlentwicklungen hingewiesen wird.

Aber was ist dieses "Learning" nun eigentlich, fragt Zimmermann, und Pressl hat den Abend der Gemeinplätze längst eröffnet: "Es ist natürlich die Frage der Widmung in den Gemeinden. Das ist für uns auch eine Frage der Gestaltung in den Gemeinden. Hier ist halt eine gewisse Sorgfalt anzulegen."

"Mit Widmung die Brieftasche gefüllt"

Gerade will sich die Aufmerksamkeit gähnend ihren Pyjama anziehen und Zähne putzen gehen, da vernimmt sie plötzlich für einen Mann aus der Partei des Eigentums geradezu Revolutionäres aus dem Munde des studierten Raumplaners aus Ardagger, der gerne Ortskerne beleben, dort Leerstand ankaufen, Kindergärten und Wohnungen im Zentrum bauen will, aber leistbar, und das verhindern explodierte Immobilienpreise und "enorm hohe Entschädigungsansprüche" für die Rückwidmung vor Jahrzehnten erteilter Widmungen.

Pressl sagt nämlich: "Ich wünsche mir eine entschädigungslose Rückwidmung. Da ist nichts zu finanzieren. Eine Ordnungsplanung, eine Flächenwidmung definiert die Flächen, wo wir bauen wollen. Wenn die Gemeinde, die die Widmung irgendwann einmal gegeben hat, draufkommt: Das ist jetzt nicht mehr so gescheit. Dann kommen wir drauf, dass wir irgendjemandem mit einer Widmung die Brieftasche gefüllt haben. Ich glaube, das ist der falsche Zugang. Widmung muss Ordnungsplanung sein."

Die Revolution lässt sich an diesem Punkt nur noch mit einer Frage in geordnete Interviewbahnen bringen: "Gesetzesänderungen sollten dieses Ziel begleiten, verstehe ich Sie da richtig?" Was soll der "Anti-Riedl", wie ihn DER STANDARD gerade porträtierte, darauf schon sagen als bejahen? (Harald Fidler, 28.2.2024)