Grünenchef und Vizekanzler Werner Kogler und im Hintergrund der Journalist Christoph Kotanko.
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Journalist Christoph Kotanko ("OÖ Nachrichten") bestritten die Premiere von "Offen gefragt" im Presseclub Concordia. Der Flügel im Vordergrund hat eine besondere Geschichte (siehe "Mehr zum Thema" in der Infobox unten).
APA/HELMUT FOHRINGER

Es war eine Premiere, die am Montagnachmittag im Presseclub Concordia in Wien ihre Bühne hatte: "Offen gesagt" heißt das neue Veranstaltungsformat, mit dem die Vereinigung der Parlamentsredakteurinnen und Parlamentsredakteure gemeinsam mit der Initiative für Qualität im Journalismus (IQ) in Österreich etwas etablieren will, das in Deutschland eine wichtige Rolle im Verhältnis zwischen Politik und Öffentlichkeit, zwischen Politikerinnen/Politikern und den Medien spielt. Nach dem Vorbild der deutschen Bundespressekonferenz sollen nämlich zumindest mehrmals im Jahr politische Verantwortungsträgerinnen und -träger aktiv eingeladen werden, erklärte die Vorsitzende der Vereinigung der Parlamentsredakteurinnen und Parlamentsredakteure, Claudia Dannhauser (ORF), zu Beginn des Gesprächs.

Entstanden ist die Idee schon vor Jahren im Rahmen einer Informationsreise nach Berlin, bei der es eigentlich um den Umbau des Parlaments ging. Nach einem Besuch der Bundespressekonferenz, einem Verein, der mehrmals in der Woche Pressekonferenzen organisiert und Regierungsmitglieder, aber auch andere Gesprächspartner in eigene Räumlichkeiten einlädt, sei der Tenor in der österreichischen Gruppe gewesen: "So was hätten wir auch gern." Jetzt also gibt es "so was" also auch hierzulande. Und Premierengast war Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler. Moderiert hat "OÖ Nachrichten"-Wien-Korrespondent Christoph Kotanko (der sich mit APA-Chefredakteurin Maria Scholl abwechseln wird), und natürlich stellen die Journalistinnen und Journalisten im Publikum Fragen.

Angriffe auf die liberale Demokratie

Bevor er Fragen beantwortete, betonte Kogler allgemein die Wichtigkeit eines derartigen Projekts: "Wenn es um die Verletzlichkeit der liberalen Demokratie geht und es Angriffe auf sie gibt, dann muss man sich bewusst sein, wie Medien selbst Angriffsziel werden." Diese hätten eine wichtige Aufgabe als vierte Säule im demokratischen Staat, genau deswegen würden sie ja auch angegriffen, "von denen, die die Institutionen angreifen". Er sehe aktuell "drei Demarkationslinie", an denen sich die Verletzlichkeit der liberalen Demokratie besonders deutlich zeige, sagte der Vizekanzler: "Demokratie versus Autokratie. EU versus alter Nationalismus und Kleinstaaterei. Neue Aufklärung versus Lügenpropaganda über Soziale Medien. Die Abschaffung passiert ja nicht mit lautem Knall, sondern schleichend." Dazu zitierte er den offiziellen Slogan der US-amerikanischen Zeitung "The Washington Post", der lautet: "Democracy Dies in Darkness". Ungarn sei nicht weit – "was dort passiert, gerade auch in den Medien", pochte Kogler auf Achtsamkeit und "Kipppunkte". Angriffe gegen die Demokratie sieht er von innen ("Rechte") wie außen ("Putins Trollfabriken"): "Da werden wir durchgreifen."

Nicht durchgreifen, sondern auf den Instanzenzug vertrauen will der Vizekanzler und Grünen-Chef mit Blick auf die Kritik der ÖVP an der erstinstanzlichen Verurteilung von Ex-Kanzler und Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Niemand, auch nicht die Staatsanwaltschaft sei sakrosankt, auch sie sei "der Kontrolle ausgeliefert", aber, betonte Kogler : "Das andere ist, die Institutionen und die Funktionsweisen zu akzeptieren." Der Instanzenzug sei "klipp und klar geregelt: "Wenn es Einwände gibt, dann bitte über den Instanzenzug." Hintergrund dazu: ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker hatte eine mögliche Befangenheit des Richters in der Causa Kurz in den Raum gestellt. Dazu meinte Kogler: "Auch Generalsekretäre sollten einen gewissen Korridor nicht verlassen."

"Fehler mach ma alle"

Zum "Lapsus" (Kogler) der grünen EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling im Satire-Korridor von ORF-Reporter Peter Klien, bei dem sie Schwierigkeiten hatte, Norwegen, den Euro und die EU richtig zu verorten, meinte der grüne Parteivorsitzende: "Mein Gott, Fehler mach ma alle." Sein Zugang sei, "dass nicht immer alles 100 Prozent perfekt sein kann. So ist es."

Seine Position zu Russland und dessen Angriffskrieg auf die Ukraine ist stabil: "Auch als neutraler Staat plädiere ich heftig dafür, dass die Ukraine jedes Recht auf Selbstverteidigung hat", betonte Kogler. Man müsse "diesem brutalen völkerrechtlichen Treiben", er nannte Völkermord, Massenvergewaltigungen, Kinderverschleppung, Einhalt gebieten: "Darum geht's. Da kann man nicht unbeteiligt daneben stehen. Man kann nicht zuschauen, wenn in Nachbars Garten umgebracht und vergewaltigt wird." Die militärische Lage skizzierte Kogler so: "Wenn Putin aufhört, ist der Krieg zu Ende. Wenn die Ukraine aufhört, ist sie ausgelöscht." Aber die Gesprächskanäle zu Putin, "dem Capo eines mörderischen Regimes", müssten offengehalten werden, falls sich ein Fenster öffnen sollte.

In Deutschland wurde unlängst ein Fenster für Cannabis geöffnet – konkret ein Fenster in Erwachsenenhöhe. Sie sollen künftig in begrenzten Mengen Cannabis anbauen und weitergeben dürfen. Außerdem soll der Besitz von bis zu 25 Gramm (im öffentlichen Raum) oder 50 Gramm (im Privatbereich) getrocknetem Cannabis straffrei sein. Gefragt, ob er sich das auch für Österreich vorstellen könne, sagte Werner Kogler, die Linie des deutschen Gesundheitsministers sei jener der österreichischen Grünen recht ähnlich. Man werde sich die Erfahrungen in Deutschland anschauen, die Grünen hätten jedenfalls schon früher "den Korridor so gezogen, dass man, neben den Freuden der Liberalisierung, alles berücksichtigen muss, was zu zusätzlichen Gefährdungen führt". (Lisa Nimmervoll, 4.3.2024)