Wien – Die hohen Gas- und Strompreise im Zuge der Ukraine-Krise stecken den Energiekunden noch in den Knochen. Wie mit einer solchen Marktverzerrung umgehen? Diese Frage treibt die Regulierungsbehörden in Europa ebenso um wie die Politik. Denn es braucht eine Nachschärfung der Gesetze, in Österreich insbesondere des Elwog, also des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes, das die leitungsgebundene Energieversorgung mit Strom regelt. Eine Nachfolgeregelung soll noch heuer in Kraft treten – und zugleich der Transformation des Sektors in Richtung Erneuerbare Rechnung tragen.

Ein Symbolbild mit Steckdose und Netzwerkstecker auf Euro-Scheinen und -münzen.
Strom ist teurer als vor der Ukraine-Krise, aber nicht mehr so teuer wie im Herbst 2022.
IMAGO/Steidi

Eine der Schlüsselfragen: Wie viel an Wettbewerb braucht es, um die in der Krise merklich gestiegene Marktkonzentration wieder zu minimieren? Der Vorsitzende der deutschen Monopolkommission, Jürgen Kühling, spricht sich klar für marktwirtschaftliches Design aus: "Ein Marktversagen sollte mit marktlichen Instrumenten bekämpft werden. Großabnehmer, Klein- und Haushaltskunden – jeder will Versorgungssicherheit und soll dafür auch zahlen, denn eine sichere Versorgung hat ihren Preis", sagte Kühling, im Zivilberuf Dekan der Rechtswissenschaft an der Uni Regensburg, am Montag in einem gemeinsamen Pressegespräch mit dem Vorstand der österreichischen Regulierungsbehörde E-Control.

Eine Frage der Kosten

Die in Österreich diskutierte Frage, ob Versorger ihren Kunden den Strom aus eigenen Kraftwerken im Krisenfall zu Gestehungskosten zur Verfügung stellen müssen oder doch zu den an der Strombörse bestimmten Opportunitätskosten verkaufen dürfen, hält Kühling für problematisch. Denn Ersteres führe zum "Missing-Money-Problem" und damit zu Kapazitätsengpässen, weil es der E-Wirtschaft dann beispielsweise an den für die Energiewende nötigen Investitionen fehlte. Bei der notwendigen Kapazitätsreserve plädiert Kühling hingegen für Großzügigkeit. "Das Risiko einer Unterversorgung ist deutlich höher als das Risiko einer Überversorgung." Wer sicher sein kann, dass er die Preisspitzen mitnehmen kann, wird eher in den Ausbau der Energieversorgung investieren als in niedergeregelten Märkten.

Der Ruf nach einer leistbaren Grundversorgung in Krisenzeiten ist damit noch nicht beantwortet. In der Krise erhöhte sich mit den indexierten Preisen im gleichen Ausmaß die Marge, und es kam – gemessen an den Großhandelspreisen – zu einer extrem negativen Entwicklung für die Kunden. "Das war wirtschaftlich nicht gerechtfertigt", sagt E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch. Die gesetzlich verankerte Grundversorgung sei in der Krise deutlich öfter zum Tragen gekommen. Für die Zukunft kann sich die E-Control durchaus ein Ausschreibungsmodell vorstellen, "um ein Wettbewerbselement hineinzubringen".

Für den Fall des Falles

Die Grundversorgung sollte nicht automatisch der "Incumbent" erbringen, also die lokalen Stadtwerke oder Landesenergieversorger, empfiehlt der Chef der Monopolkommission. Der Anbieter sollte besser über eine Ausschreibung mit klar definierten Bedingungen ermittelt werden. So sieht das auch die E-Control. "Was passiert eigentlich mit jenen Kundinnen und Kunden, die aus welchen Gründen auch immer keinen Vertrag mehr haben?", skizziert Urbantschitsch den Bedarf für solch eine Grundversorgung – etwa wenn der Anbieter pleitegehe oder sich vom Markt zurückziehe, oder aber wenn Kunden im Fall von Vertragsänderungen untätig blieben und der Vertrag ausläuft. "Dafür soll es einen Auffangtatbestand geben." Eine solche Basisversorgung soll sicherstellen, dass die Menschen weiter mit Strom und Gas versorgt werden. Um Wettbewerb hineinzubringen, könnte die Grundversorgung in einem bestimmten Gebiet mittels Ausschreibung für ein oder zwei Jahre an einen Versorger vergeben werden. Zum Zug komme der Versorger mit dem günstigsten Tarif, nicht zum regulierten Preis. (Luise Ungerboeck, 11.3.2024)