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Sex! Porno! Braucht es im Internet mehr Schranken?
Foto: Getty Images

Jugendbande missbraucht Zwölfjährige. Elfjährige wird von Vierzehnjährigem vergewaltigt, während sein jüngerer Freund mitfilmt. Zwei minderjährige Mädchen werden von Heranwachsenden missbraucht. Die Schlagzeilen der letzten Tage machen einen glauben, die heutige Jeunesse dorée glaube an gar nichts mehr.

Eine zufällige Häufung? Oder sind die Heranwachsenden lauter degenerierte Dreckskerle? Wenn ja, warum? Mir fallen sofort die frei zugänglichen Pornos ein. Nun gab es unverblümte Darstellungen von Sexualität schon immer, mindestens seit der "Latte bocciato" auf griechischen Amphoren oder dem pompejanischen Schweinkram. Man denke an steinzeitliche Gemächte, vielleicht war sogar die Venus von Willendorf Wichsvorlage? In den Siebzigern, als man Pornos noch als etwas Befreiendes verkaufte und Ludwig Hirsch "Geh, spuck den Schnuller aus" sang, gab es Sexfilmchen und Erotikkinos, trotzdem wären wir nicht auf den Gedanken gekommen, über die erstbeste Spielplatzbekanntschaft herzufallen. Es gab Schmuddelhefte, aber die hatten den Hautgout von etwas Verbotenem. Heute reichen ein paar Klicks, und man ist in einer Welt, in der alle Menschen nur an eines denken: Sex!

Willige Welt

Heranwachsenden Burschen zeigt sich die Welt als willig. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie sind übertestosteronisiert, laufen mit einer Zeltstange im Schritt herum und bekommen ein Frauenbild vermittelt, das sich auf immerwährende Kopulationsbereitschaft beschränkt. Natürlich entschuldigt das nichts. Parallel dazu ziehen bewaffnete Horden durch Computerspieluniversen und knallen alles ab, was bei drei nicht auf den Bäumen ist, ohne deshalb gleich Amok zu laufen. Wiewohl auch hier eine Hemmschwellensenkung vermutet werden muss, schon allein deshalb, weil das Herumballern ohne Folgen für den Schützen bleibt.

"War die Welt früher moralischer? Nein!"

Ist die Welt durch Pornos und Computerspiele schlechter geworden? Bräuchte es gar einen neuen Pornojäger? Ist Ihnen dieser versponnene Rechtskatholik noch erinnerlich? Martin Humer zerstörte Kunst, lud Kuhmist vor dem Burgtheater ab und sympathisierte mit Holocaust-Leugnern. Eine groteske, tragische Figur. Aber vielleicht hatte er in Sachen Pornografie nicht unrecht? War die Welt früher moralischer? Nein! Massenvergewaltigungen bei Bierzeltfesten waren keine Seltenheit, wenn auch aus Scham der Opfer und Ignoranz der Behörden selten zur Anklage gebracht. Missbrauch innerhalb der Familie kam früher eher häufiger vor, weil es gesellschaftlich gedeckt, die Frau rechtloser war. Was in Heimen, der Kirche oder auf Sommerlagern alles passiert ist, kommt erst langsam ans Licht. Nichts war besser.

"Schule und Sexualität sind Kreise ohne Überschneidung, wenigstens im katholisch verklemmten Weltbild österreichischer Kleinbürgerlichkeit."

Trotzdem hat sich etwas geändert, die Missbraucher werden jünger, und das liegt vielleicht an der freien Verfügbarkeit von Pornos. Wie soll ein Pubertierender mit der Diskrepanz zwischen immer selbstbewusster werdenden Frauen und den willigen Körpern im Internet umgehen? Trotzdem sind aktuell gerade das Mitfilmen, mangelndes Unrechtsbewusstsein und die Empathielosigkeit schockierend. Würde intensive Aufklärung etwas bessern? Das Thema ist immer noch schamgebremst. Dazu passt die Entlassung einer Volksschullehrerin, die im Netz als Orgasmuspäpstin Sextipps absegnet. Schule und Sexualität sind Kreise ohne Überschneidung, wenigstens im katholisch verklemmten Weltbild österreichischer Kleinbürgerlichkeit. Ist eigentlich der Sexkoffer noch in Verwendung?

Desaströses Frauenbild

Die gerade publikgewordenen jugendlichen Täter haben alle einen Migrationshintergrund. Das ist kein Zufall, sondern ein Problem. Anderer kultureller Hintergrund, ein desaströses Frauenbild, vielleicht Fluchttraumata. Gut, dass die Identitären eine Lösung kennen: Weg mit allen. Nur wer würde dann Pakete bringen, in Spitälern operieren, Maschinen konstruieren? Alles stünde still. Viele bemühen sich sehr, die anderen müssen integriert werden. Aber wie? Natürlich haut es einem jungen Mann, der Frauen als schützenswerte Heiligtümer oder wandelnde Stoffballen kennt, die Sicherungen heraus, wenn er entblößte Knie, enganliegende Blusen oder Nackerte beim FKK sieht.

Bewaffnete Frauen oder Wegsperren aller Weiblichkeit wäre verkehrt. Selbstverteidigungskurse für Mädchen sind gut, aber nicht, wenn sie notwendig sind. Österreich ist lebenswert, weil sich Frauen sogar nachts gefahrlos allein bewegen können.

Pornos verbieten? Aussichtslos. Ich war vor Jahren im Iran, wo die Hälfte der österreichischen Nachrichtenportale im Netz geblockt war. Trotzdem war in jedem Internetcafé im Verlauf der Vornutzer nur eines zu sehen – Porno.

Strafandrohung und Aufklärung!

Gefängnisstrafen für Minderjährige halte ich für falsch, aber Handeln muss Konsequenzen haben, auch bei Kindern. Strafandrohung und Aufklärung! Kein Mensch kommt böse auf die Welt. Vermittlung humanistischer Werte, Empathie, Stärkung potenzieller Opfer, Betreuung sind notwendig für ein zivilisiertes Miteinander. Vielleicht müssen Dragqueens in islamische Kindergärten, Feministinnen in Koranschulen, braucht es Aufklärungsunterricht in Asylwerberheimen und Pornofilme bei Elternversammlungen? Weil, ob die Erziehungsberechtigten ahnen, was sich ihre vermeintlich wohlbehüteten Kids reinziehen, sobald sie sich verzogen haben? Die aktuellen Fälle gehören aufgearbeitet, neue darf es nicht mehr geben. Es bleibt viel zu tun, geil ist das vielleicht nicht, aber notwendig. (Franzobel, 17.3.2024)