Das Palais Niederösterreich in der Wiener Herrengasse ist nicht alleinige Domäne der Volkspartei, auch die SPÖ hat hier einen prunkvollen Raum zur Verfügung. Den STANDARD empfängt der rote Landesparteichef Sven Hergovich dort und nimmt vor einem Porträt Karl Renners Platz.

STANDARD: In der SPÖ haben viele gezweifelt, ob Andreas Babler ein guter Parteichef wird. Hat er sich aus Ihrer Sicht bewiesen?

Hergovich: Ich unterstütze ihn selbstverständlich, weil wir gemeinsam eine schwarz-blaue Regierung verhindern wollen.

STANDARD: Hat er sich bewiesen?

Hergovich: Ich unterstütze ihn und werde alles dafür tun, dass er unser nächster Bundeskanzler wird.

STANDARD: Aber hat er sich jetzt bewiesen oder nicht?

Hergovich: Das müssen die Wähler entscheiden, aber meine Unterstützung hat er.

Sven Hergovich sitzt in dunkelblauem Anzug auf einem schwarzen Sofa
Der niederösterreichische SPÖ-Chef Sven Hergovich überlässt die Bewertung von Andreas Babler den Wählerinnen und Wählern.
Regine Hendrich

STANDARD: Vor etwas mehr als einem Jahr haben Sie in den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP sehr starke rote Linien aufgezeigt. Soll es die Bundes-SPÖ nach der Nationalratswahl genauso machen?

Hergovich: Die Aufgabe der Sozialdemokratie ist es, das Leben der Menschen besser zu machen. Wir haben versucht, das mit der ÖVP umzusetzen. Leider erleben wir in Niederösterreich unter Schwarz-Blau gerade das Gegenteil.

STANDARD: Also soll die SPÖ auch im Bund ähnlich absolute Bedingungen stellen – auf die Gefahr hin, dass dann dort niederösterreichische Verhältnisse herrschen?

Hergovich: Ich sehe das anders, weil ich als Chef des niederösterreichischen AMS erlebt habe, dass man innerhalb der Sozialpartnerschaft viel erreichen kann, wenn man sich gegenseitig Erfolge gönnt. Beispielsweise das Projekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal. Und ich weiß, dass es auch innerhalb der ÖVP ganz viele Politiker gibt, die wirklich etwas weiterbringen wollen.

STANDARD: Sie stehen aber auch einer Koalition mit der FPÖ im Bund offen gegenüber.

Hergovich: Wir haben immer klar gesagt, dass es nach der Wahl keine rot-blaue Zusammenarbeit geben wird. Die Frage erinnert mich an die Zeit vor der Wahl in Niederösterreich: Die ÖVP warnt vor Rot-Blau, um im Hintergrund eine schwarz-blaue Koalition vorzubereiten.

STANDARD: Jetzt sind wir verwirrt. Ihr Landesgeschäftsführer hat gesagt: "Ziel einer Koalition muss immer sein, möglichst viele sozialdemokratische Inhalte für die große Mehrheit umzusetzen. Und in dieser Frage ist unsere Hand in alle Richtungen ausgestreckt."

Hergovich: Der Landesgeschäftsführer hat sehr klar gesagt, dass nach der Nationalratswahl eine rot-blaue Koalition ausgeschlossen ist. Ich sage aber auch dazu: Ich glaube nicht, dass man die Wählerinnen und Wähler der FPÖ zurückgewinnt, indem man sich mit möglichst harten Worten von ihnen abgrenzt, sondern indem man ihnen ein attraktives politisches Angebot macht. Insofern ist unsere Hand auch tatsächlich in Richtung der Wähler ausgestreckt.

Sven Hergovich
In den SPÖ-Räumen des Palais Niederösterreich ist Sven Hergovich nicht oft, auch wenn der Balkon zur Herrengasse hin sehr schön ist.
Regine Hendrich

STANDARD: Sie bezeichnen sich als Kontrolllandesrat – diese Funktion ist aber frei erfunden. Offiziell zuständig sind Sie für kommunale Verwaltung und Baurecht. Was konnten Sie in Ihrem Bereich bisher umsetzen?

Hergovich: Ich sehe mich als Volksvertreter, der den Wunsch der Bevölkerung nach Kontrolle einbringt. Im niederösterreichischen System werden Entscheidungen besonders intransparent gefällt. Viele Förderungen werden innerhalb der Landesregierung beschlossen, und nur der Landesregierung stehen die Unterlagen zur Verfügung. Ich möchte mein Amt dazu verwenden, Schwarz-Blau auf die Finger zu schauen.

STANDARD: Die Kontrolle der Landesregierung obliegt aber dem Landtag. Haben Sie als Kommunen- und Baulandesrat schon etwas erreicht?

Hergovich: Der Landtag hat kaum Kontrollrechte, ich sehe die Kontrolle als meine allerwichtigste Funktion in der Landesregierung. Zu meinem weiteren Zuständigkeitsbereich: Wir haben beispielsweise den Betrag für im Dienst verunfallte Feuerwehrleute auf 10.000 Euro angehoben. Zudem haben wir die Begleitkosten für schwerkranke Kinder im Spital deutlich senken können.

STANDARD: Sie sind als Landesrat auch für die Kontrolle von SPÖ-Gemeinden zuständig. Die ÖVP kontrolliert wiederum ÖVP-Gemeinden. Ist das sinnvoll?

Hergovich: Sinnvoller wäre es natürlich umgekehrt. Ich würde sehr gern die ÖVP-Gemeinden kontrollieren und schlage im Gegenzug vor, dass die ÖVP unsere roten Gemeinden kontrolliert.

STANDARD: Ist es nicht absurd, dass Sie dank Proporz in der Landesregierung sitzen, aber mangels Arbeitsübereinkommen gegen die Landesregierung arbeiten?

Hergovich: Es ist wichtig, dass es erstmals in Niederösterreich eine Kontrollfunktion innerhalb der Landesregierung gibt, weil der Landtag kaum Kontrollrechte hat. Die Neos können beispielsweise nicht einmal Anträge einbringen, das finde ich falsch.

Sven Hergovich
"Ich habe Verständnis, wenn die Landeshauptfrau gerne Partys feiert", sagt Sven Hergovich.
Regine Hendrich

STANDARD: Hätte der Landtag schärfere Kontrollinstrumente, wären Sie für eine Abschaffung des Proporzes?

Hergovich: Ich bin dafür, die Kontrollrechte im Landtag auszubauen, Schwarz-Blau ist aber dagegen.

STANDARD: Den Umbau des Landtagssaals und die Schaffung von barrierefreien Zugängen unterstützen alle Parteien außer der SPÖ. Ist ihre Verweigerung nicht blanker Populismus?

Hergovich: Wir unterstützen prinzipiell die Modernisierung des Landtagssaals, uns hat aber noch niemand erklären können, warum das elf Millionen Euro kostet, wenn es in anderen Bundesländern viel billiger geht. Ich frage mich auch, ob wirklich jeder Abgeordnete einen ausfahrbaren Monitor auf dem Pult braucht.

STANDARD: Beim Bau soll es vor allem darum gehen, beeinträchtigten Personen einen besseren Zugang zu Demokratie zu ermöglichen. Ist Ihnen das keine elf Millionen Euro wert?

Hergovich: Allein die Herstellung der Barrierefreiheit kostet einen Bruchteil davon, und das wäre okay.

STANDARD: Eine andere populistische Aktion war Ihre Kritik am Niederösterreich-Empfang beim Hahnenkammrennen in Kitzbühel. Die Veranstaltung hat 50.000 Euro gekostet, also 2,5 Cent pro Niederösterreicherin und Niederösterreicher. Ist das die Aufregung wert?

Hergovich: Es ist wichtig, sorgsam mit Steuergeldern umzugehen. Ich habe Verständnis, wenn die Landeshauptfrau gerne Partys feiert ...

STANDARD: Es war eine Repräsentationsveranstaltung für das Land.

Hergovich: Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, wenn die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher das zahlen müssen. Insbesondere in Zeiten, wo sonst überall gekürzt wird: Im Gesundheitssystem haben wir kein Geld für Investitionen. Wir haben kein Geld mehr, um leistbaren Wohnraum zu schaffen. Wir haben kein Geld, um die Strompreise zu senken. Aber wir haben offenbar Geld, um schwarz-blaue Partys zu finanzieren.

Sven Hergovich vor einem Bild von Karl Renner
Sven Hergovich und Karl Renner (von vorne nach hinten).
Regine Hendrich

STANDARD: Zum pompösen Geburtstagsfest der Landeshauptfrau sind Sie zum Gratulieren angereist. Da war der Reiz am Society-Event dann doch da?

Hergovich: Wir haben das sorgsam geprüft. Dieses Fest wurde von der Volkspartei finanziert, nicht vom Land. Und mir ist wichtig, dass man auch abseits der politischen Differenzen einen korrekten Umgang miteinander pflegt.

STANDARD: Sie setzen sich für bessere Kreditkonditionen für Häuslbauer ein. Muss man in Niederösterreich auch als SPÖ für privaten Immobilienbesitz eintreten?

Hergovich: Man sollte die Bevölkerung ernst nehmen. Ganz viele junge Familien in diesem Land wünschen sich, in ihrem eigenen Haus zu leben. Es ist falsch, dass Banken mehr als zehn Milliarden Euro Gewinn machen, während sich die Familien ihre Kreditrate wegen der gestiegenen Zinsen nicht mehr leisten können.

STANDARD: Sie sind vor einem Jahr von Wien nach Niederösterreich gezogen. Miete oder Eigentum?

Hergovich: Meine Freundin und ich leben in einer Mietwohnung in St. Pölten.

STANDARD: Die hat den Vorteil, dass man schnell wieder wegziehen kann.

Hergovich: Wir haben einen Zehnjahresvertrag abgeschlossen und genießen vor allem die Nähe zu den Seen. Sie können davon ausgehen, dass wir noch lange in St. Pölten leben werden. (Sebastian Fellner, Max Stepan, 21.3.2024)