Menschen am Ufer der Salzach, die Festung Hohensalzburg im Hintergrund
Salzburg ist eine Stadt, die sich nie neu erfinden musste.
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Angekündigte Revolutionen finden nicht statt. Trotz überraschend starker Performance im ersten Wahlgang – nur etwas mehr als 800 Stimmen trennten den dunkelroten Kandidaten der KPÖ plus vom roten Favoriten – ist das Bürgermeisteramt der Stadt Salzburg (wieder) in roter Hand.

Während an der Spitze der Salzburger Stadtregierung damit alles beim Alten bleibt, hat sich eine Ebene tiefer, bei der Wählerverteilung zum Stadtparlament, eine echte Revolution – oder jedenfalls ein bemerkenswerter Strukturwandel – ereignet. Erstmals ist die Stadt auf sehr kompakte Weise dreigeteilt: in einen roten Norden, einen schwarzen Süden – und eine dunkelrote Stadtmitte, von der lediglich die linke Altstadt mit Dombezirk und Festspielhaus ausgenommen ist. Die KPÖ ist hier tief in eigentlich bürgerlich-grüne Wahlsprengel eingebrochen; die dunkelrote Mitte der Stadt ist das frappierendste Ergebnis dieser Wahl.

Geteilte Stadt

Was hier genau geschehen ist, werden Politologen und Parteistrategen noch im Detail analysieren; am wenigsten wahrscheinlich ist freilich, dass jene Wählerinnen und Wähler, die die KPÖ plus in Salzburg zur zweitstärksten Kraft gemacht haben, plötzlich zu Kommunistinnen und Kommunisten geworden sind. Anders als in der stärker industrialisierten Steiermark, wo die KPÖ schon seit längerem über eine einigermaßen gefestigte Wählerbasis verfügt, hat sie in Salzburg keine Tradition. Bei der Landtagswahl 2018 erreichte die KPÖ 0,4 Prozent.

Das Tempo der Veränderung könnte der Schlüssel zum Verständnis dieser Wahl sein, denn Veränderung ist kein Erkennungsmerkmal dieser Stadt. Anders als industriell geprägte Städte wie Linz musste sich Salzburg niemals neu erfinden. Auch die Grünbewegung, die hier entstand – der Salzburger Bürgerprotest machte Johannes Voggenhuber zum ersten grünen Stadtrat Europas –, war ursprünglich ein konservatives Projekt. In einem "heiligen Schwur" beschloss der Gemeinderat 1985 den dauerhaften Schutz eines beträchtlichen Teils des Salzburger Grünlandgürtels. Dass diese Flächen überwiegend im Süden liegen, zementiert heute die Teilung der Stadt wie auch jene des Wahlverhaltens. Da im renitenten Süden größere Bauprojekte nicht mehr durchsetzbar sind, finden diese im bereits dicht verbauten Norden statt. Die für die öffentliche Hand längst prohibitiv gewordenen Grundstückspreise sorgen dafür, dass sich daran nichts ändert.

Planerischer Aktivismus

Die Stadtregierung, die den allgemeinen Stillstand gerne kaschiert, gefällt sich mit planerischem Aktivismus, der nichts bewirkt. Irgendwann in den 1990er-Jahren hielt der Größenwahn Einzug in die Stadtpolitik. Bereits damals wurden U-Bahn-Pläne gewälzt. Fertiggestellt wurde eine einzige Station, die heute die Lokalbahn aus dem idyllischen Timelkam bedient. Die offenkundige Sinnlosigkeit des Projekts warf kurz vor Fertigstellung die völlig ernst gemeinte Frage auf, ob man die Baugrube nicht besser wieder zuschütten solle.

Aktuell ist das Paracelsus-Hallenbad nach nur vier Jahren Betrieb ein Sanierungsfall. Für das gleiche Geld, so hatten die Neos errechnet, hätte die Stadt gleich drei Bäder in weniger prominenter Lage und mit weniger spektakulärer Architektur errichten können (der Blick auf das luxuriöse Design wird gerade verbaut). Der Tourismus, eine wichtige ökonomische Lebensader der Stadt, aber auch ein permanentes Ärgernis für ihre Bewohnerinnen und Bewohner, ist schlecht gemanagt; auf die Frage nach einer qualitativen Strategie antwortete die Salzburger Tourismusdirektorin im letzten Jahr mit erfrischender Offenheit: "Diese gibt es nicht."

Sachpolitische Neuerungsbewegung

Dass in dieser Atmosphäre und nach solchen Erfahrungen der S-Link, ein gigantisches, teils unterirdisches Verkehrsprojekt, das die Stadt mit dem durchaus solide erschlossenen Hallein verbinden soll, auf wenig Gegenliebe stößt, wird kaum überraschen. Man hätte das Projekt mit einem Siedlungskonzept entlang der Route verbinden und Flächen ankaufen können, um die allgemeine Wohnungsmisere zu lindern. Doch damit vergrämt man den Salzburger Süden, und dieser ist protestierfreudig und bestens vernetzt.

In dieser allgemeinen Nichts-geht-mehr-Stimmung kann selbst eine Partei mit einem so massiven ideologischen Rucksack, wie es die KPÖ ist, als erfrischende sachpolitische Neuerungsbewegung erscheinen. Auch die Wählerinnen und Wähler aus den vormals bürgerlich-grünen Bezirken in der dunkelroten Mitte Salzburgs erwarten keine größeren gesellschaftlichen Umwälzungen, sondern nur eine No-Nonsense-Politik, die unaufgeregt und unabgehoben die realen Probleme dieser Stadt diskutiert. Die Farbe des politischen Mascherls ist ihnen dabei egal – wer wollte es Dankls Wählerinnen und Wählern verdenken? (Christoph Landerer, 29.3.2024)