Philipp Jelinek, den augenscheinlich ziemlich beliebten Vorturner der Nation mit hoher Kontaktfreude in eigener Sache, trifft eine über viele Jahrzehnte ungewohnte Konsequenz des ORF und seiner Führung: Er muss gehen. Ein Verfassungsgesetz verpflichtet den ORF und sein Personal bis hinauf zum General zu Unabhängigkeit, also ist diese neue Konsequenz nur schlüssig – auch wenn sie hier ein politisch doch ziemlich irrelevantes Programm trifft. Diese neue Konsequenz aber müsste, weitergedacht, weite Teile des ORF entvölkern.

"Fit mit Philipp": Seit Bekanntwerden seiner Chats endete Philipp Jelineks TV-Turnstunde im ORF mit zwei Wochen Wiederholungen.
ORF

Philipp Jelineks Abgang lösten gerade bekanntgewordene Chats aus den Jahren 2018/19 mit Heinz-Christian Strache aus. Sie dokumentierten, dass der Sportler seine Bekanntschaft aus der Muckibude – es dürfte sich um das Manhattan in Wien handeln – zu nützen wusste. Jelinek landete im ORF 2018 als "Straches Personal Trainer", auch wenn Strache und Jelinek versichern, dass er das nie war. Jelinek nutzte seine Position, zunächst als lustiger Leibeserzieher in "Guten Morgen Österreich", angesiedelt in der ORF-Generaldirektion, um damaligen FPÖ-Spitzen Interna aus dem ORF geradezu aufzudrängen, im Tausch für freiheitliche Unterstützung bei der ORF-Karriere. Der ORF stellte darin arbeitsrechtliche Verfehlungen fest und trennte sich Donnerstagabend von Jelinek.

Aus dem Strache-Chatfundus

Aus demselben Fundus an Strache-Chats stammten auch die Dialoge von Matthias Schrom aus der türkis-blauen Regierungszeit. Strache und die FPÖ kannten Schrom als für die Freiheitlichen zuständigen "ZiB"-Politikredakteur, fühlten sich fair von ihm behandelt, und schon machte ihn der damalige ORF-General Alexander Wrabetz 2018 zum Chefredakteur von ORF 2. Dass Schrom in dem Job mit Strache darüber chattete, wie er die "ZiBs" weniger rot macht, über Personal und darüber, wie die Freiheitlichen bei der ORF-1-Redaktion intervenieren könnten, kostete Schrom im Herbst 2022 den Chefredakteursjob. Selbst kritische Redakteurinnen und Redakteure und ihre Vertretung attestierten ihm abseits seiner Whatsapp-Chats eine professionell-untadelige Amtsführung. Vielleicht ist der unbestrittene Könner deshalb weiter im ORF, nun mit einer Stabsstelle für Smart Producing – für günstigere, jüngere ORF-Produktionen von Festivals und Events etwa – zuständig.

Blau-gelbe Geschichten in Tiefschwarz

Robert Ziegler ist seit Anfang 2023 nicht mehr ORF-Landesdirektor von Niederösterreich, weil interne Dossiers und eine interne Untersuchungskommission seine Amtsführung als Chefredakteur dort dokumentierten: strikt im Sinne der Landeshauptfraupartei ÖVP und, vorsichtig formuliert, nicht stets und rundum wertschätzend gegenüber der Belegschaft. Ziegler ist nun im ORF für Barrierefreiheit zuständig – und im Gegensatz zu Schrom nicht mehr in jenen Gehaltsregionen, die seinen Namen auf die Transparenzliste der ORF-Spitzengehälter ab 170.000 Euro brutto jährlich bringen.

Die große Trauer des treuen Publikums um den Vorturner dokumentiert: Auch Jelinek ist ein Könner in seinem Fach, nicht nur die anderen ORF-Beispiele von chatfreudigen Politverbindungen aus der jüngeren Vergangenheit in ihren. Diese Feststellung ist definitiv kein Aufruf zur Auflösung der Dienstverhältnisse – aber eine Anregung zum Nachdenken über Konsequenz und Konsequenzen im ORF generell.

Die Entvölkerung des ORF

Wenn man den ORF ein paar Jahre oder Jahrzehnte kennt und nicht wenige, die dort auf vielen auch sehr unterschiedlichen Ebenen arbeiten, dann regt Jelineks formal einvernehmlicher und wahrscheinlich richtiger Rauswurf aus dem öffentlich-rechtlichen Medienriesen zum gründlicheren Nachdenken an.

Wer im ORF hat – im Sinne des ORF oder gegen diesen, im Sinne der eigenen Karriere und/oder gegen jene anderer im ORF – eigentlich noch nicht mit Vertreterinnen und Vertretern politischer Parteien oder Institutionen Kontakt aufgenommen, vielleicht die eine oder andere interne Information mitgeliefert, gezielt oder beiläufig oder womöglich gar nur unbeabsichtigt ausgeplaudert bei der Gelegenheit?

Würde man all diese Fälle so konsequent – und wie man betonten muss: korrekt und wohl berechtigt – verfolgen wie den fitten Philipp: Das ORF-Zentrum auf dem Küniglberg und die ORF-Landesstudios wären vermutlich stark entvölkert. (Harald Fidler, 12.4.2024)