Gerade noch rechtzeitig vor der ersten Veröffentlichung der Spitzengagen im ORF gab auch der Oberste Gerichtshof (OGH) grünes Licht für die Gehaltstransparenz auf dem Küniglberg. Der ORF-Betriebsrat hatte wie berichtet versucht, die namentliche Veröffentlichung aller Bruttojahresgehälter über 170.000 Euro mit einem Antrag an das Höchstgericht zu verhindern. Auch die Kürzung von Abfertigungsansprüchen mit dem neuen ORF-Gesetz sollte auf Verfassungswidrigkeit geprüft werden. Der OGH wies den gesamten Feststellungsantrag ab – ein solcher Antrag sei in diesem Fall nicht zulässig.

Anträge an Verfassungsgerichtshof

ORF-Anwalt Roland Gerlach erklärte auf STANDARD-Anfrage, man habe in dieser Sache parallel zum Antrag an den OGH Individualanträge an den Verfassungsgerichtshof gerichtet, zudem seien erstinstanzliche Verfahren bei Arbeits- und Sozialgericht anhängig. Diese richteten sich aber nicht gegen die Offenlegungspflicht für Spitzengehälter, sondern gegen Kürzungen von Abfertigungsansprüchen und Zulagen für ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter.

ORF-Augenlogo vor ORF-Zentrum
Der Oberste Gerichtshof wies den ORF-Betriebsrat mit seinem Feststellungsantrag gegen namentliche Gehaltsoffenlegung und Kürzung von Abfertigungen ab.
Harald Fidler

ORF-Abfertigungen gekürzt – auf 150 Prozent der Ansprüche aller Angestellten

Das mit Jahresbeginn in Kraft getretene ORF-Gesetz, das auch den ORF-Beitrag von allen brachte, schränkt die Abfertigungen für ORF-Personal ein: Ab 1. Jänner 2029 werden sie sukzessive auf maximal 150 Prozent der Ansprüche von Angestellten laut Angestelltengesetz gekürzt. Und das unabhängig davon, ob die jeweilige Abfertigung auf Einzel- oder Kollektivvertrag beruht.

Das neue ORF-Gesetz kürzt zudem die Ansprüche von ORF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Wohnungszulage, Familienzulage sowie Kinderzulage des ORF schon seit Jahresbeginn 2024 um 50 Prozent. Ab 1. Jänner 2026 werden sie demnach komplett gestrichen.

Diese beiden Kürzungen laut ORF-Gesetz bekämpfte der ORF-Betriebsrat ebenfalls mit seinem Feststellungsantrag.

ORF sieht Verfassungswidrigkeit

Der ORF-Zentralbetriebsrat, vertreten von Gerlach Rechtsanwälte, versuchte mit seinem Feststellungsantrag an den Obersten Gerichtshof zu erreichen, dass der Oberste Gerichtshof die Gehaltstransparenz und die Kürzung der Abfertigungen zur Gesetzesprüfung an den Verfassungsgerichtshof weiterreicht, ob diese Bestimmungen des neuen ORF-Gesetzes mit der Verfassung vereinbar sind. Der ORF-Betriebsrat argumentierte, er könne ein solches Verfahren beim Verfassungsgericht nicht beantragen. Die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten jeweils individuelle Klagen bei den erstinstanzlich zuständigen Gerichten einbringen, der Antrag diene der Prozessökonomie.

Der ORF als Antragsgegner in dem Verfahren zeigte sich durchaus eines Sinnes mit seinem Betriebsrat. Er beantragte nicht, den Antrag abzuweisen. Der Oberste Gerichtshof stellt in seinem Beschluss fest, das beide Parteien vermuten, die Bestimmungen des ORF-Gesetzes wären verfassungswidrig: Für das Höchstgericht läuft "der Antrag im Kern darauf hinaus, die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs zu der von beiden Parteien übereinstimmend vermuteten Verfassungswidrigkeit auszuloten und – gegebenenfalls – prozessuale Vorteile aus einem vom Obersten Gerichtshof veranlassten Gesetzesprüfungsverfahren zu erzielen", heißt es wörtlich in der Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof wies den Antrag auf Feststellung ab – es handle sich um eine abstrakte Rechtsfrage. Feststellungsanträge seien hier nicht zulässig. Auch fehle eine dafür nötige "tatsächliche und ernstliche Gefährdung der Rechtslage" von Betroffenen, alleine "prozessuale Vorteile" reichten nicht aus. Und: "Der gewünschte Antrag auf Aufhebung einer Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit würde voraussetzen, dass das Gericht diese Rechtsvorschrift anzuwenden hat." Und das sei hier nicht der Fall gewesen, weil der Antrag von vornherein unzulässig war. (fid, 12.4.2024)