Universität Arbeitsverträge Reform Wissenschafter Personal
Wissenschaftsminister Martin Polaschek (ÖVP) will eine Reformbei den Arbeitsverträgen an den Unis. Sind seine Pläne ausreichend?
Foto: Heribert Corn

Schon seit einiger Zeit gibt es kritische Stimmen zu den Arbeitsbedingungen an österreichischen Universitäten, vonseiten der Professorinnen und Professoren ebenso wie seitens einer breiten Allianz von Uni-Beschäftigten, von denen rund 80 Prozent einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag haben. Denn die an vielen Universitäten gelebte Praxis der exzessiven Aneinanderreihung befristeter Anstellungsverhältnisse – die sogenannte Kettenvertragsregel – stellt nicht nur für die individuelle Lebensplanung eine immer größere Herausforderung dar. Auch für die Zukunft der öffentlichen Universitäten als Einrichtungen, die öffentlichen, gesamtgesellschaftlichen Interessen dienen sollten, ist das ein Problem.

"Es sind die Besten oder jene, die sich Unsicherheit am wenigsten leisten können, die die Universitäten als Erste verlassen."

Die 2021 erfolgte Novellierung des Paragrafen 109 Universitätsgesetz – Stichwort maximale Bleibedauer – hat die Situation noch weiter verschärft. Denn in der Praxis erfolgt nach acht Jahren nur in den seltensten Fällen eine Festanstellung. So waren laut Universitätsbericht 2020 im Bereich des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals 78,6 Prozent befristet angestellt. Nur 21,4 Prozent haben somit eine unbefristete Anstellung mit längerfristiger Perspektive. Schon bisher wirkte die mit Dauerbefristungen verbundene Unsicherheit sozial selektiv – man denke nur an den noch immer sehr geringen Anteil weiblicher Professorinnen –, verstärkte kontraproduktive Abhängigkeitsverhältnisse und förderte risikoaverses Forschen, womit Österreich seit langem wertvolles Innovationspotenzial verliert.

Die Novelle 2021 ließ die Stimmung aber endgültig kippen: Die Arbeitsbedingungen der Befristeten sind für die meisten inzwischen nicht mehr erträglich. Als Folge sehen wir zurzeit einen Braindrain sondergleichen. Und wie man auch einer jüngsten Studie aus Österreich entnehmen kann: Es sind die Besten oder jene, die sich Unsicherheit am wenigsten leisten können, die die Universitäten als Erste verlassen. Auch mehrere internationale Vergleichsstudien machen unsichere Zukunftsaussichten für junge Forschende als eine der Hauptursachen für Braindrain aus.

Auf OECD- und EU-Ebene wird das Problem, dass gute Forschung gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigt und hierfür gute Arbeitsbedingungen angeboten werden müssten, erkannt. Es mehren sich Initiativen und Aktionspläne, um die Arbeit in der Wissenschaft auch zugunsten der europäischen Wirtschaft und Industrie wieder attraktiv zu machen. Auf der Grundlage eindeutiger Daten haben sich auch EU-Kommission und EU-Rat 2023 für eine wissenschaftspolitische Kehrtwende entschieden, um die Besten zu gewinnen, zu halten und bestmöglich arbeiten zu lassen.

Die Tücken der Quote

Wissenschaftsminister Martin Polaschek greift nun die von der EU-Kommission empfohlene Maßnahme einer Befristungshöchstquote auf: Ab der Budgetperiode 2025 soll an Österreichs Universitäten der Prozentsatz befristeter Verträge nach oben hin begrenzt werden. Diese Ankündigung stellt eine erfreuliche Entwicklung dar. Allerdings muss auf einige Tücken in der praktischen Umsetzung dieser Quote hingewiesen werden: Erstens kann sich die intendierte Lenkungswirkung nur dann entfalten, wenn in den Leistungsvereinbarungen zwischen Ministerium und Universitäten konkrete Zahlen fixiert werden und das (Nicht-)Erreichen dieser Zielgrößen budgetrelevant wird.

Zweitens muss für jede einzelne Universität klar festgelegt werden, wie hoch diese maximale Befristungsquote tatsächlich ausfällt und welche Anstellungskategorien für die Berechnung der Höchstbefristungsquote herangezogen werden, schließlich gab es schon in der Vergangenheit Versuche, besonders prekäre Personengruppen wie Drittmittelangestellte aus der Statistik "herauszurechnen". Dazu bedarf es zukunftsfähiger Personalstrukturpläne, die unter breiter Einbindung der bestehenden Selbstverwaltungsgremien, der Betriebsräte, der Betroffenen und der Wissenschaftsforschung zu erarbeiten sind.

Drittens braucht es eine klare Bereitschaft zur Lösung jener systemischen Grundprobleme, die für die aktuellen Fehlentwicklungen verantwortlich sind: ein Bekenntnis zum Erhalt genuin öffentlicher, mit dem Bildungssystem verschränkter Universitäten und eine EU-konforme Revision der von den internationalen Rankings mitverursachten qualitätssenkenden Praktiken der quantitativen Leistungsmessung. Es benötigt auch eine Abkehr vom Zwang zur Drittmittelfinanzierung sowie eine Reform des in die Jahre gekommenen Universitätsgesetzes 2002 zugunsten von Organisationsstrukturen, die anerkennen, dass die wertvollste Ressource der Universitäten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind.

Mutige Weichenstellungen

Frühere Debatten haben gezeigt, dass der Vorschlag, Befristungen zu reduzieren, an Universitäten auf Widerstand stößt. Doch warum fürchten sich so viele vor entfristeten, festangestellten Forschenden und Lehrenden? Warum ist es an Universitäten gängige Praxis, einen Großteil befristet anzustellen? Fehlt es an Mitteln? Dass Festanstellungen zu Nichtstun, Unkreativität und Stillstand führen, ist wissenschaftlich längst widerlegt. Ebendieses Wissen liegt auch den EU- und OECD-Empfehlungen zugrunde: Es sind nicht zu gute, sondern zu schlechte Arbeitsbedingungen, die dem europäischen Forschungs- und Wirtschaftsraum schaden.

Wissenschaft, die zur Lösung von drängenden und komplexen sozialen, ökologischen, politischen und ökonomischen Problemstellungen beitragen soll, kann nicht unter Furcht und Zwang, in vormodernen Top-down-Strukturen stattfinden. Um wissbegierige junge Menschen für wissenschaftliche Problemstellungen zu begeistern und denjenigen, die bereits an Universitäten arbeiten, ein bestmögliches Arbeitsumfeld zu bieten, braucht es mutige wissenschaftspolitische Weichenstellungen. (Sabine Müller, Florian Part, Stephan Pühringer, Yvonne Völkl, 26.4.2024)