Lena Schilling Grüne Kritik Vorwürfe Pressekonferenz
Die Grünen luden erneut zu einer Pressekonferenz in Sachen Lena Schilling:Generalsekretärin Olga Voglauer und die EU-Spitzenkandidatin.
Foto: Christian Fischer

In der Kunst, mit jungen Kandidaten alt auszusehen, haben die Grünen die Türkisen deutlich übertroffen. Wozu die ÖVP ein paar Jahre brauchte, das haben Kogler und Co in zwei Wochen geschafft, was vielleicht erklärt, warum dieser rasante Reifungsprozess nicht nur zu einigen Verwerfungen führen musste, sondern auch zu einem neuen Stil der politischen Öffentlichkeitsarbeit nach dem Motto "Zwei Medienauftritte zum selben Thema sind besser als einer".

Im Allgemeinen ist eine häufigere Beschäftigung der Öffentlichkeit mit Parteisorgen dem Sichrarmachen vorzuziehen, das würde auch ein Tal Silberstein so sehen. Etwas anders ist das zu bewerten, wenn der zweite Auftritt in einer Entschuldigung für die Entgleisungen im ersten besteht, eine mediale Strategie, die Experten auf diesem Gebiet nur ein tief empfundenes Muhaha entlocken kann. Auch eine Steigerung der inhaltlichen Qualität der Aussagen macht das nicht besser. Verschaffte der oberste Funktionär der Partei seinem Unmut noch mit den bekannten U-hältigen Wörtern Luft, ließ die Generalsekretärin ihren Verschwörungsbeschwörungen freien Auslauf, um sich wenig später für antisemitische Konnotationen zu entschuldigen, das aber nur noch auf X.

Böse Anspielung

Die Entschuldigung fängt vielleicht eine böse Absicht ein, aber nicht die böse Anspielung selbst. Einmal ausgesprochen, bleibt immer irgendetwas hängen, und Österreich hatte schon Politiker, die ein solches Wechselspiel von Verdächtigung und Entschuldigung bewusst betrieben, wenn sie hofften, einem politischen Gegner damit zu schaden. Bisher hatten andere Parteien, mit denen Lena Schilling auch im Gespräch war, ehe sie bei der Partei andockte, die sie am meisten hasste, keinen Grund, die Grünen für ihre Acquisition zu beneiden, aber – ausgeschlossen ist es nicht –, das kann sich ja noch ändern.

Im Übrigen zeigt die Affäre, wenn man die grüne Delegiertenauswahl so nennen will, wie gefährlich es in der Chatgesellschaft werden kann, wenn man zugelaufene Kandidaten für eine politische Funktion nicht persönlich auf Herz und Nieren prüft und sich auch ihre elektronischen Botschaften aus der Vergangenheit nicht kritisch zu Gemüte führt, um eventuell darin verborgene Fallen zu erkennen. Aus den Kurz-Jahren nichts gelernt, müssen sich die Grünen eingestehen, anders wären ihnen einige Muhahas erspart geblieben. "Wer macht als junger Mensch keine Fehler?", suchte der Bundespräsident den Splitter im Auge der Kandidatin zu relativieren und ließ dabei den Balken in den Augen der grünen Parteiführung unter den Tisch fallen. Dort liegt die Verantwortung für die Fehler.

Wenn heute angeblich 14 Prozent der Jugendlichen finden, dass die Parteien ihre Interessen nicht oder nicht zufriedenstellend vertreten, stellt sich die Frage, ob Aktionen wie die Horuck-Kandidatur Schillings mit folgendem Parteieintritt – aber nur, weil es halt sein muss – an diesem unerfreulichen Eindruck etwas zu ändern vermögen. Und vor allem, ob das Jugendliche dafür begeistern kann, statt sich voller Zweifel am politischen Prozess passiv zu verhalten, in einer demokratischen Partei selber aktiv zu werden. Zweifel sind angebracht. Ohne Glaubwürdigkeit, auch und gerade bei der Auswahl junger Kandidaten, wird es nicht funktionieren. Mit Verschwörungsgeschwurbel schon gar nicht. (Günter Traxler, 23.5.2024)

Video: Lena Schilling: "Ich bin extrem wütend"
APA