Das Kind hat eine neue kulinarische Obsession: Nite, slowakischen Fadenkäse. Und weil sie guten Geschmack besitzt, den edlen aus 100 Prozent Schafmilch. Ich habe mir auch ein bissl was geschnappt und muss sagen: Sie hat schon recht (auch wenn sie ihre Nite geräuchert mag und mir die ungeräucherte Version lieber ist).

Nite sind der Mozzarella des Ostens: viel trockener als die italienische Variante, aber ebenfalls milchig, zart süß und angenehm gummig. Sie sind ein super Snack beim Grillen und zum Bier. Außerdem macht es großen Spaß, die Käseschnüre in immer dünnere Fäden auseinanderzuziehen. Das ist der erste Anlass zu diesem Blog.

Der zweite ist, dass es aktuell den besten Brimsen des Jahres gibt. Brimsen ist jener Käse, aus dem der ursprüngliche Liptauer gemacht wird: zartbröckelig und cremig, salzig, schafig und von sich aus ganz erstaunlich würzig – kurz: süchtigmachend gut. Ich esse ihn aktuell mehrmals pro Woche, etwa auf gebratenem grünem Spargel, auf gekochten jungen Roten Rüben oder einfach über die Frittata gestreut. Und während ich das hier tippe, schiebe ich mir einfach so kleine Brocken Brimsen in den Mund. Weil er so viel Geschmack hat, war der Ur-Liptauer auch kaum gewürzt. Wie alle Schafkäse wird er nur im Sommer hergestellt – und im Mai, wenn die Schafe nach der Winterpause endlich wieder auf die Almen kommen und frisches Gras fressen, gilt als ganz besonders fein.

Beide – der Fadenkäse, den das Kind liebt, und der Brimsen, von dem ich nicht genug bekommen kann – werden vom gleichen Käser gemacht: Lukáš Zvara, der in der Ostslowakei am Fuß der Hohen Tatra käst. Während es Fadenkäse noch vergleichsweise häufig gibt, ist Almbrimsen aus 100 Prozent Schafmilch eine ziemliche Seltenheit geworden. Ich habe daher vor ein paar Jahren den Käser besucht, gemeinsam mit Käsehändler Stephan Gruber, der über kaes.at sowohl Zvaras Brimsen als auch Fadenkäse verkauft. Weil ich gerade so viel von beidem esse, habe ich mir wieder einmal meine Fotos von dem Trip angeschaut. Hier ein kleiner Auszug.

Brimsen Fadenkäse Slowakei Gruß aus der Küche Der Standard
Schafe auf der Alm.
Tobias Müller
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Gemolken werden die Schafe noch auf der Alm.
Tobias Müller

Wie man Brimsen macht

Die Schafe kommen je nach Wetter Ende April, Anfang Mai das erste Mal auf die Almen der Hohen Tatra und bleiben dann dort den ganzen Sommer über. Mehrere Hirten, die ebenfalls in den Bergen in Wohnwägen wohnen, passen auf sie auf. Zweimal am Tag – morgens und abends – werden sie auf der Weide gemolken.

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Herr und Anti-Bären-Hund.
Tobias Müller
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Hirtenhütte.
Tobias Müller

Die Milch wird dann unten im Tal verarbeitet. Brimsen ist vergleichsweise einfach zu machen: Die frische Schafmilch wird mit Lab zum Gerinnen gebracht, der frische Käse wird für zwei Tage in großen Tüchern aufgehängt, damit die Molke abtropfen kann. Anschließend darf er für rund zwölf Tage auf Holzbänken reifen. Das Ergebnis ist ein leicht bröckeliger, kräftig riechender Laib.

Wenn er das richtige Aroma hat, wird er auf einer groben Reibe gerieben, ordentlich gesalzen und in Form gepresst. Traditionell wurde er so in Holzfässer gefüllt und für den Winter, in dem es kaum frische Milch gab, gelagert. Traditioneller slowakischer Brimsen ist gleich in mehrfacher Hinsicht eine ziemliche Besonderheit: Erstens wird die Milch ohne Starterkulturen gesäuert, sondern nur mit Molke vom Vortag; zweitens ist er einer der wenigen echten Rohmilchkäse, weil für ihn die Milch nicht pasteurisiert und dann zum Verkäsen nur auf 32 Grad erhitzt wird.

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Frischer Brimsen, zum Abtropfen aufgehängt, dahinter/darüber frischer Fadenkäse.
Tobias Müller
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Im Reiferaum.
Tobias Müller

Nite ziehen

Nite sind komplizierter. Es handelt sind, genauso wie beim Mozzarella, um sogenannten Pasta-Filata-Käse: Wie für den Brimsen wird die Schafmilch geronnen und abgehangen, dann wird der Käse aber gleich weiterverarbeitet. Er wird gerieben und in großen Sieben in einem heißen Wasserbad geknetet, bis er schmilzt und zu einer formbaren Masse wird.

Brimsen Fadenkäse Slowakei Gruß aus der Küche Der Standard
Für Nite wird der Käse gerieben.
Tobias Müller
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Gekonnt wird der geschmolzene Käse meterlang gezogen.
Tobias Müller

Mit gleichmäßigen Bewegungen strecken und ziehen die Frauen ihn dann zu dünnen Fäden, die bis zu 30 Meter lang werden können. Nach dem Ziehen wird er in kaltes Wasser eingelegt, um die Fermentation zu stoppen. Das Timing ist dabei essenziell: Die Käsezieherinnen müssen jenen Zeitpunkt erwischen, wenn der Käse schön weich ist, aber noch nicht bricht. Kurz nachdem er die perfekte Konsistenz besitzt, wird er wieder hart und verliert seine Elastizität.

Brimsen Fadenkäse Slowakei Gruß aus der Küche Der Standard
Die Masse wird gezogen und gedreht ...
Tobias Müller
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... bis lange dünne Fäden entstehen.
Tobias Müller

Die Fäden werden zu Rollen gewickelt oder in Zöpfe oder Nester geflochten und entweder so gegessen oder noch ein paar Tage in der Selch geräuchert. Das Kind bevorzugt diese Variante – mir sind sie mild lieber.

Brimsen Fadenkäse Slowakei Gruß aus der Küche Der Standard
Ein paar Tage werden die Nite geräuchert.
Tobias Müller
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Räucherkammer.
Tobias Müller

Möglichkeiten des Brimsens

Nite werden, soweit ich weiß, in der Slowakei nicht verkocht, sondern einfach so gegessen – wobei ich mir vorstellen kann, dass sie als Ersatz für Scamorza hervorragend funktionieren. Etwa mit Ziti und Ragu im Ofen gebacken oder in Pasta e Patate gemischt. Brimsen wird entweder zu Liptauer (1:1 mit Butter mischen und mit Paprika, Zwiebel und nach Geschmack eventuell Sardellen und Kapern würzen) oder Bryndzové halušky, dem slowakischen Nationalgericht, verarbeitet. Mir ist das an warmen Frühlingstagen aber etwas zu schwer. Glücklicherweise ist er ein perfekter Gemüsebegleiter. Ich bröckle ihn aktuell besonders gern über grünen Spargel oder in eine Brennnesselfrittata.

Grüner Spargel (oder junge Rote Rüben) mit Salzzitrone und Brimsen

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Links gebratener Spargel, rechts Schwarzwurzeln und Radieschen, alles gut mit Salzzitronencreme und Brimsen.
Tobias Müller

Den Spargel in Olivenöl auf allen Seiten anbraten, bis er Farbe genommen hat und bissfest gegart ist. Wer hat (und Sie sollten haben!), gibt jetzt ein, zwei Löffel vergorener Salzzitronencreme in die Pfanne und schwenkt alles noch einmal gut durch. Auf einem Teller anrichten, gut pfeffern (die Creme ist schon salzig) und großzügig mit Brimsen bestreuen. Statt gebratenen grünen Spargels funktionieren hier auch gebackene oder gekochte junge Rote Rüben, die es gerade ebenfalls in rauen Mengen gibt. Auch ihre Blätter können in der Pfanne gegart und dann mit Salzzitronen und Brimsen serviert werden.zv

Brennesselfrittata mit Brimsen für zwei

In den vergangenen Wochen ziemlich oft mein Mittagessen. Sehr einfach, sehr gut, vor allem jetzt noch, wenn die Brennnessel schon viel Geschmack haben, aber noch nicht zu groß und fasrig sind. Eine Handvoll Brennesseln waschen und die Blätter von den Stielen trennen. Grünen Spargel in mundgerechte Stücke schneiden, Frühlingszwiebel klein hacken. Sechs bis acht Eier verquirlen und gut salzen. Olivenöl heiß werden lassen, Spargel darin braten, dann Zwiebel zugeben, kurz mitbraten, und schließlich die Brennnesselblätter zugeben und zusammenfallen lassen. Mit den Eiern aufgießen, großzügig Brimsen darüber bröckeln und im Rohr bei 180 Grad stocken lassen. Parmesan darüber reiben und mit gutem Brot servieren. (Tobias Müller, 26.5.2024)