Unser Land wird von einer Entwicklung heimgesucht, für die ich die Bezeichnung "Verriedlung der Republik Österreich" vorschlagen möchte.

Baustelle, Beton, Gebäude
Der Sonnenweiher in Grafenwörth führte zum Rücktritt Alfred Riedls als Gemeindebundpräsident.
Foto: Wojciech Czaja

Benannt nach dem ehemaligen Gemeindebundpräsidenten und Noch-immer-Bürgermeister von Grafenwörth Alfred Riedl, der mit Grundstücksgeschäften, Umwidmungen und Zubetonierungen über eine Million Euro Profit gemacht hat. Ähnliches wurde unlängst von Günther Schaubach, ÖVP-Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinde Pyrha, bekannt, der bei einem Grundstücksdeal zunächst die Vorbesitzer ausbremste und dann dank Umwidmung und Weiterverkauf rund 220.000 Euro verdient hat. Seine Rechtfertigung, er hätte eh 40.000 Euro davon an die örtliche Pfarre gespendet, lässt darauf schließen, dass die Idee des Ablasshandels im Niederösterreich des 21. Jahrhunderts noch präsent ist.

Bemerkenswerte Chuzpe

Zeitgleich erfuhren wir, dass die Staatsanwaltschaft gegen den Donaustädter SPÖ-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy wegen eines Grundstückskaufs und die für ihn profitable Umwidmung des Grundstücks in Bauland ermittelt. Ein klares Signal der Sozialdemokratie an die ÖVP: Verriedlung ist nicht nur euch ein Anliegen, das können wir auch! Und natürlich auch die FPÖ, die es noch mit bemerkenswerter Chuzpe verbindet. Ausgerechnet der in seiner Heimatgemeinde Mühldorf als Bürgermeister in einen Umwidmungsskandal verwickelte Kärntner FPÖ-Chef Erwin Angerer erklärte, die Kompetenzen der Bürgermeister bei der Raumordnung infrage zu stellen gleiche einer "Aushebelung demokratischer Prinzipien".

ÖVP, SPÖ und FPÖ arbeiten also an der Verriedlung der Demokratie und werden dabei von realpolitisch gesehen höchster Stelle unterstützt, nämlich von den Landeshauptleuten aus Nieder- und Oberösterreich. Thomas Stelzer lehnt die vom Bund geforderte Obergrenze für den künftigen Bodenverbrauch der Gemeinden mit einem geradezu pubertären Argument ab: "Wir schätzen es nicht sehr, wenn man nur belehrt wird und moralisierend versucht, irgendwelche Grenzen aufzuzeigen."

Niederösterreichs Sonderregelung

Dass auch Johanna Mikl-Leitner von Obergrenzen nichts wissen will, verwundert nicht – ist Niederösterreich doch das Bundesland, in dem die Verriedlung am weitesten fortgeschritten ist. Einer der Gründe dafür ist eine Sonderregelung, wonach – anders als in den anderen Bundesländern – nur Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern vom Landesrechnungshof geprüft werden dürfen. Von 573 Kommunen sind also 547 im Leo. Anträge der Neos auf Ausweitung der Prüfbefugnisse wurden von ÖVP und FPÖ mit der Begründung "Doppel- und Dreifachprüfungen sind nicht zielführend" abgelehnt. Ein Argument, das sich niederösterreichische Schüler, denen eine Nachprüfung droht, merken können.

"Statt Bodenschutz gibt es Bodenaufbereitung."

Für die Kontrolle der Bürgermeister und Gemeinderäte sind in Niederösterreich die Abteilungen zweier Landesräte zuständig. Ein ÖVP-Regierungsmitglied kontrolliert die ÖVP-Gemeinden, ein SPÖ-Regierungsmitglied die SPÖ-Gemeinden.

Unter diesen Umständen müssen weder Landeshauptleute noch Bürgermeister fürchten, dass ihnen "irgendwelche Grenzen aufgezeigt" werden. Statt Bodenschutzes gibt es Bodenaufbereitung. Nämlich die Schaffung eines idealen Nährbodens für die Verriedlung der Republik. (Florian Scheuba, 28.3.2024)