St. Pölten – Schon wieder erlangt ein Bürgermeister mit Umwidmungsgeschäften zweifelhafte Bekanntheit. Doch das Grundstücksbusiness des Ortschefs von Pyhra beleuchtet nicht nur die dortige Gemeindepolitik, sondern auch eine Lücke im niederösterreichischen Gesetz.

Günther Schaubach, Bürgermeister der kleinen Gemeinde im Bezirk St. Pölten, hatte ein Grundstück gekauft, wie die "Wiener Zeitung" recherchiert hat. Danach änderte der Gemeinderat die Bauklasse und erlaubte dem Eigentümer einen mehrstöckigen Bau, dadurch wurde der Grund für einen Wohnbauträger interessant. Rund ein Jahr später verkaufte der Bürgermeister wieder – Nettogewinn laut dem Ortschef: 124.000 Euro. Die schiefe Optik räumte der ÖVP-Politiker ein, es sei aber alles rechtens gelaufen.

Bemerkenswert ist, dass der ursprüngliche Besitzer des Grundes angibt, selbst diese Umwidmung angestrebt zu haben – damals hätte die Gemeinde aber eine Ablehnung signalisiert, also verkaufte man an den Bürgermeister.

Eine gewollte Lücke im System

Wie schon die Grundstücksdeals des Grafenwörther Bürgermeisters und Ex-Gemeindebund-Präsidenten Alfred Riedl (ÖVP) schlägt der Fall nun auch politische Wellen. SPÖ, Grüne und Neos kritisieren Schaubach scharf. Aber auch der Landesgeschäftsführer der Volkspartei, Matthias Zauner, ortet eine "sehr schlechte Optik".

ZIB 2: Rechnungshof-Präsidentin Kraker zu Parteifinanzen
Mit zwei bundesweiten Wahlen wird es heuer wieder besonders spannend, ob die Parteien die erlaubten Wahlkampfkosten einhalten. In der ZIB2 ist dazu Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker.
ORF

Doch ist es nur die "schlechte Optik", oder steckt da ein Fehler im System? Jedenfalls klafft im niederösterreichischen Landesrecht eine gewollte Lücke, auf die Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker am Dienstagabend in der "Zeit im Bild 2" hinwies. In keinem anderen Bundesland werden Gemeinden so lasch geprüft. Niederösterreich ist nämlich das einzige Bundesland, das dem Landesrechnungshof die Einschau bei kleineren Gemeinden nicht erlaubt.

Nur 26 Gemeinden prüfbar

Erst auf Antrag der Landesregierung dürften die Prüfer auch in Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern vorbeischauen. In diese Kategorie fallen die meisten Gemeinden in dem Bundesland. Nur 26 der 573 Kommunen sind groß genug für eine Rechnungshofprüfung.

Die Verfassung gibt den Ländern explizit eine Wahlmöglichkeit: Wenn der Landtag das beschließt, dürfen die Landesrechnungshöfe in die Gemeindekassen schauen. Jederzeit und ohne Auftrag. Oberösterreich, Salzburg, Kärnten, Tirol, die Steiermark, Vorarlberg und das Burgenland nutzten diese Möglichkeit, Niederösterreich nicht.

Johanna Mikl-Leitner
Die Landespartei von Johanna Mikl-Leitner wollte zumindest bei der letzten Abstimmung keine Änderungen bei der Prüfung von Gemeinden.
Heribert Corn

SPÖ, Grüne und Neos sprechen sich auf STANDARD-Anfrage dezidiert für die Ausweitung der Prüfbefugnisse aus, die Neos haben schon mehrere Anträge dazu gestellt. Diese wurden aber zuletzt mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ abgelehnt.

Die Volkspartei ist nach wie vor gegen eine Reform: "Doppel- und Dreifachprüfungen sind nicht zielführend", heißt es aus dem schwarzen Klub im Landtag. Die Gemeinden hätten ein "engmaschiges Kontrollnetz: Mehrheitlicher Gemeinderatsbeschluss, Prüfungsausschuss mit einem Prüfungsobmann der nicht der Bürgermeister-Partei angehört und schließlich auch die Gemeindeaufsicht. Darüber hinaus wurden alle Persönlichkeiten in den Gemeinderäten mit einem Vertrauensvorschuss durch die Wählerinnen und Wähler legitimiert."

Die Freiheitlichen reagierten auf eine Anfrage nicht. Sie wären aber im Falle einer erneuten Abstimmung an den Koalitionspakt mit der Volkspartei gebunden und dürften nicht für eine Reform stimmen.

Parteifreunde prüfen Parteifreunde

Ganz ohne Kontrolle sind Niederösterreichs Gemeinden natürlich nicht. Einerseits gibt es innerhalb der Gemeinderäte Prüfausschüsse, die meistens von einer Minderheitsfraktion angeführt werden – sofern es eine gibt.

Und dann ist die Landesregierung ebenfalls verpflichtet, den Bürgermeisterinnen und Gemeinderäten auf die Finger zu schauen und im Notfall einzugreifen. Verantwortlich dafür sind aber nicht etwa unabhängige Prüferinnen und Prüfer, sondern Abteilungen zweier Landesräte: Ein ÖVP-Regierungsmitglied beaufsichtigt die schwarzen Gemeinden, ein SPÖ-Regierungsmitglied die roten.

Rechnungshof-Präsidentin Kraker hätte jedenfalls Interesse an mehr Rechten: "Ich würde mir alles gern anschauen, was damit zusammenhängt, wenn man sozusagen hier Geschäfte macht und die Rollen nicht entsprechend trennt und wahrnimmt", sagte sie im ORF. Es scheine "ein generelles Problem zu sein, dass das Thema der Widmungen eine ganz breite Rolle spielt in ganz Österreich, und da würde es sehr viel zu tun geben".

Gemeindebund-Präsident gegen neue Regeln

Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl (ÖVP) reagierte auf die Berichte aus Pyhra in einem Blog-Beitrag. Umwidmungen dürften nicht dazu da sein, "jemandem die Brieftasche zu füllen", mahnt Pressl, der auch dem niederösterreichischen Gemeindebund vorsteht. Er erinnert auch an das Gelöbnis, das jeder Bürgermeister und jede Bürgermeisterin ablegt, wonach die "Aufgabe unparteiisch und uneigennützig" zu erfüllen sei.

Johannes Pressl
Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl hält die bestehenden Kontrollinstrumente für ausreichend.
Florian Voggeneder

Strengere Regeln will Pressl allerdings nicht. Die Kontrollen durch Land und Gemeinderat seien ausreichend. Die bestehenden Vorschriften müssten nur eingehalten werden. Das passiere auch: "Die 'Gewählten' – ob als Gemeinderäte und Bürgermeister – wollen stets das Beste für ihre Bürgerinnen und Bürger. Und hinter diese Verantwortungsträger stellen wir uns."

SPÖ will 90-Prozent-Abgabe

Davon zeigt sich SPÖ-Chef Andreas Babler weniger überzeugt. Er forderte am Mittwoch eine eklatante Abgabe von 90 Prozent auf Umwidmungsgewinne. Die rote Idee: Wird ein Grundstück umgewidmet, soll die so erlangte Wertsteigerung der Immobilie im Grundbuch eingetragen werden. Darauf würden dann 90 Prozent Steuer fällig – allerdings erst dann, wenn das Grundstück verkauft wird.

"Aktuell machen private Grundstückseigentümer bei Umwidmungen oftmals das Geschäft ihres Lebens", kritisiert Babler. Die Wertsteigerungen seien "völlig leistungsloses Einkommen, das erst durch den öffentlich-rechtlichen Akt der Umwidmung ermöglicht wird". Die Einnahmen aus seiner Steuer sollen für leistbaren Wohnbau zweckgebunden werden.

Die rote Rüge für Umwidmungsgewinne ist wohl durchaus auch an die eigenen Reihen gerichtet: In Wien profitierten mehrere Genossinnen und Genossen von der Umwidmung ihrer Kleingarten-Grundstücke. (Sebastian Fellner, 6.3.2024)