Die Aus- und Weiterbildung im Journalismus darf nicht unter politischer Aufsicht stehen, warnt Klaus Meier, Professor für Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, im Gastkommentar.

Die älteste noch erscheinende Tageszeitung gehört der Republik. Mit den Pflichtveröffentlichungen von Unternehmen verliert die "Wiener Zeitung" ihre größte Einnahmequelle.
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Was Demokratie ausmacht, lernt die Welt gerade eindringlich und schmerzhaft. Wladimir Putins Propaganda hält die Bürgerinnen und Bürger in Russland im Dunkeln und ist Basis für einen schrecklichen Angriffskrieg. Viktor Orbáns Staatspropaganda kontrolliert die Medien, erstickt recherchierte Informationen und unterdrückt oppositionelle Meinungen. Wenn eine offene Gesellschaft in einen autoritären Staat kippt, reißt die Regierung immer als Erstes Medien und Journalismus an sich. Es beginnt mit versteckter Einflussnahme und endet bei massiver Propaganda.

Was wir aus der Geschichte und aus anderen Kontinenten schon lange wissen, haben wir in Europa nun selbst anschaulich erfahren: Unabhängige Medien und ein vielfältiger Journalismus sind ein zentraler Grundpfeiler der Demokratie. Die Europäische Kommission hat gerade mit dem "Media Freedom Act" eine Verordnung auf den Tisch gelegt, die einen Schutzwall gegen politische Einflussnahme auf redaktionelle Entscheidungen sichern soll.

Zutiefst irritierender Gesetzesentwurf

Ausgerechnet in diesen Zeiten hat die österreichische Bundesregierung jetzt mit dem Bundesgesetz über die Wiener Zeitungs GmbH einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der zutiefst irritiert. Mit einem "Austria Media Hub" soll mit sechs Millionen Euro pro Jahr unter anderem im großen Stil Ausbildung für Jungjournalistinnen und Jungjournalisten finanziert werden. Diese GmbH und damit ihr "Hub" ist zu 100 Prozent dem Bundeskanzleramt unterstellt – ohne parlamentarische Kontrollmöglichkeiten. Zudem soll nicht nur in journalistischen Redaktionen ausgebildet werden, sondern auch in einer "Content-Agentur Austria", die Werbung und Public Relations für den Bund und Unternehmen des Bundes erarbeiten wird. Und dies alles geht auf Kosten der Redaktion der "Wiener Zeitung", die in Zukunft nur noch monatlich gedruckt erscheinen soll und bei den Plänen für eine staatliche Journalistenschule im eigenen Haus nicht einmal eingebunden war.

Sechs Millionen Euro sind ungefähr zehnmal so viel Budget, wie es vergleichbaren, bisherigen Einrichtungen in Österreich zur Verfügung steht. Es ist abzusehen, dass der "Media Hub" mit dieser Summe recht schnell die Aus- und Weiterbildung im Journalismus an sich ziehen und damit monopolisieren wird.

"Dass ein solches gefährliches Modell in Österreich Anwendung finden soll, ist befremdlich."

Ohne eine vielfältige und unabhängige Aus- und Weiterbildungslandschaft kann es keinen vielfältigen und unabhängigen Journalismus geben. In Deutschland, auch in den USA und in vielen westlichen demokratischen Staaten ist es undenkbar, dass ein Unternehmen, das dem Regierungschef unterstellt ist, Journalistinnen und Journalisten ausbildet oder weiterbildet. Und schon gar nicht, dass damit wissentlich in Kauf genommen wird, andere Anbieter vom Markt zu verdrängen. Dass ein solches gefährliches Modell in Österreich Anwendung finden soll, ist befremdlich.

Nicht unter politischer Aufsicht

Dass Steuergeld für Aus- und Weiterbildung im Journalismus ausgegeben wird, ist an sich notwendig, weil der Markt unter anderem aufgrund des digitalen Wandels dies nicht hochwertig und umfassend zur Verfügung stellen kann. Aber es muss dann in Vielfalt investiert werden und darf nicht unter politischer Aufsicht stehen. Unabhängig gebildete Journalistinnen und Journalisten stärken die Demokratie. Sie wissen, dass sie in ihrem Beruf im Auftrag der Öffentlichkeit, der Leserinnen und Leser, Zuhörer- und Zuschauerschaft unterwegs sind – und nicht im Auftrag der Regierung.

Ich kenne die Feinheiten der österreichischen Politik nicht und weiß deshalb keine Antwort auf weitreichende Fragen: Was will eine Bundesregierung damit bezwecken? Was will ein Bundeskanzler und eine Medienministerin letztendlich erreichen, wenn die Regierung in kurzer Zeit ein Monopol für Journalistenaus- und -weiterbildung in der Hand hält? Das sind Fragen, die jetzt zu stellen sind, bevor es zu spät ist. (Klaus Meier, 28.10.2022)