Das ORF-Landesstudio in St. Pölten.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Eingriffe in Beiträge zugunsten der Landeshauptfrau, Vorgaben für O-Töne der Regierungspartei und gegen Anfragen bei anderen, Rücksicht auf Kooperationspartner. Ist das Landesstudio Niederösterreich unter den neun kleinen Länderstudios des ORF ein Einzelfall – oder sind die Dossiers über die anderen acht Landesstudios nur einfach noch nicht erstellt?

Das grobe Missverständnis von der medialen Bühne für die jeweiligen Landeshauptleute ist in der DNA der Länder-ORFs angelegt – und sie ist ein zentrales Bauelement des gesamten ORF und des ORF-Gesetzes. Nicht so explizit, aber in die Konstruktion und Vorschriften verankert.

Neun Generalswähler

Wer ORF-Chef werden will, braucht die Bundesländer. Sie haben neun Stimmen von 35 im ORF-Stiftungsrat, der über den ORF-General und seine Zentraldirektorinnen ebenso entscheidet wie über die neun ORF-Landesdirektorinnen und -direktoren.

Die ÖVP-Dominanz in sechs der neun Bundesländer gibt der Volkspartei die alleinige Mehrheit in diesem Stiftungsrat – zusammen mit Regierungs- und Parteimandaten und jenen des ORF-Publikumsrats, wo die Medienministerin die Mehrheit bestimmt.

2021 gab diese ÖVP-Mehrheit den Ausschlag für die Bestellung von Roland Weißmann zum ORF-General, der einst im Landesstudio Niederösterreich begonnen hat, und seiner ORF-Führung.

Jedem Landeschef sein ORF-Chef

Bei knapperen Mehrheitsverhältnissen im Stiftungsrat, als noch die SPÖ den Kanzler stellte, konnten Länder-Räte den Ausschlag geben; auch schon gegen die jeweilige Parteilinie unter den laut Gesetz ja gänzlich unabhängigen Aufsichtsräten des ORF.

Den Landeshauptleuten liegt das jeweilige Landesstudio meist näher als der General auf dem Küniglberg – siehe regionale mediale Bühne.

Praktisch für sie: Der ORF-Generaldirektor muss laut ORF-Gesetz den jeweiligen Landeshauptleuten vorweg verraten, wen er als Landesdirektor dem Stiftungsrat vorschlägt. Die Landeshauptfrauen und -männer haben ein Anhörungsrecht.

Mit dem passenden Landesdirektor ging sich schon häufiger eine Stimme bei der Generalswahl aus; oder zumindest eine Enthaltung, mit der man weniger Stimmen für die Bestellung zum ORF-Chef braucht.

Neun halbe Generaldirektoren

Je ein Direktor oder eine Direktorin für jedes Land plus Chefredakteur als Repräsentations- und Ansprechpartner für die Regionalpolitik samt Landesstudio und Organisation sind nicht billig. Direktorinnen und Direktoren in den Ländern dürfen für ihre gewichtige Funktion im Machtgefüge des ORF mit 160.000 bis 180.000 Euro im Jahr rechnen. Immerhin beinahe halb so viel wie der Alleingeschäftsführer an der ORF-Spitze, aber eben mal neun.

Ein Viertel der ORF-Personalkosten

Von rund 870 Millionen Euro Gesamtkosten für alle ORF-Direktionen vom General über Programm, Radio, Finanzen, Technik bis zu den Ländern machen die neun Landesstudios rund 120 Millionen Euro aus, rund ein Siebentel. Und sie brauchen rund ein Viertel der ORF-Personalkosten. Sie produzieren je ein teilweise oldie- und schlagerlastiges Greatest-Hits-Radioprogramm, täglich "Bundesland heute" fürs Fernsehen und Showprogramme mit regionaler Politprominenz, dazu regionale Onlineplattformen. Sie produzieren zudem für zentrale Programmplätze und Formate wie und beliefern Informationssendungen wie die Tageschronik in ORF 2, die "ZiB"s und "Journale". *

Kärnten ist das teuerste Landesstudio mit gut 16 Millionen Euro Budget, zumindest auch wegen Volksgruppenangeboten, die Burgenland und Steiermark etwas günstiger schaffen. Oberösterreich und Wien haben derzeit die schmalsten Budgets mit zwölf Millionen.

Regionale Information, Kultur, Unterhaltung und Identität ließen sich, wie sie als Aufgaben definiert werden, auch mit überschaubareren Strukturen bewerkstelligen. Neun kleine, repräsentative ORFs braucht man dafür nicht zwingend.

Direktion in Aussicht

Dereinst Landesdirektor zu werden ist eine schöne Aussicht für Chefredakteure von Landesstudios. Robert Ziegler in Niederösterreich leitete zuvor die Redaktion, laut Unterlagen aus dem Studio vor allem im Sinne der ÖVP. Der steirische Landesdirektor Gerhard Koch war zuvor Chefredakteur dort, ebenso Klaus Obereder in Oberösterreich. Und viele Landesdirektoren vor ihnen. (Harald Fidler, 21.12.2022)