Skitourismus-Experte Günther Aigner sieht in seinem Gastkommentar kein Ende des Skifahrens. Das öffentliche und mediale Bild des Skifahrens werde von Mythen dominiert, sagt er.

Hatte das Skifahren in Österreich früher einmal eine positive Presse? Falls ja, dann muss das lange her sein – vielleicht vor Jahrzehnten. "Österreich – eine Skination im Abschwung" lautet der Titel des jüngsten Gastkommentars der Ökonomin Anna Burton und ihres Wifo-Kollegen Oliver Fritz. Er passt zum Zeitgeist. Seit etwa 35 Jahren, also seit den schneearmen und milden Wintern von 1987 bis 1990, wird das Ende des Skitourismus prognostiziert und medial angekündigt. Die Realität will sich aber nicht daran halten. Die Wintersaison 2019/20 war bis zu ihrem abrupten Corona-bedingten Ende am 15. März die erfolgreichste Skisaison aller Zeiten in Österreich und im Alpenraum. Weltweit gibt es derzeit 135 Millionen Skifahrerinnen und Skifahrer – mehr als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Woher kommt dieser zähe Pessimismus?

Pistenzauber trotz Klimawandels? Wie geht es mit Österreichs Skigebieten weiter? Oder was soll und muss sich am Skitourismus ändern?
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Drehen wir doch den Spieß einmal um: Was spricht dafür, dass das Skifahren und der Skitourismus eine bessere Zukunft haben könnten, als allgemein erwartet wird? Da ist die Faszination. Auf die Gefahr hin, dass dies vielen zu platt erscheint – Wolfgang Ambros bringt einige Elemente der Faszination des Skifahrens auf den Punkt: "Und wann der Schnee staubt, und wann die Sunn scheint, dann hob i ollas Glück in mir vereint. I steh am Gipfel, schau obi ins Tal. A jeda is glücklich, a jeda fühlt sie wohl und wü nur Ski fahren." In der Wissenschaft würde man dies anders formulieren: Das Naturerlebnis, das ein Grundbedürfnis des Menschen ist, wird beim Skifahren intensiv bedient. Ebenso fasziniert Menschen das fast mühelose Gleiten auf Schnee. Das Erleben der Geschwindigkeit und das Spiel mit den Kräften führen zum vielzitierten "weißen Rausch". Blauer Himmel, weißer Schnee, goldene Sonne: Im Idealfall findet man sich in einem Gemälde von Alfons Walde wieder. Dazu eine gute Zeit mit Freunden oder Familie. Die Faszination des Skifahrens scheint zeitlos und begleitet den Menschen seit etwa 5000 Jahren.

Kein rasches Ende

Der Klimawandel ist Fakt. Aber er führt nicht zum raschen Ende des Skifahrens. Es mag überraschend klingen, aber die offiziellen österreichischen Klimaszenarien ÖKS 15 – der aktuelle Stand der Wissenschaft unter Einbindung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und der Universitäten – geben uns gute Gründe für Ski-Optimismus. Bis zum Jahr 2050 werden sich die Bergwinter hierzulande im Vergleich zum Mittel der Periode 1991 bis 2020 im Worst-Case-Szenario um 1,4 Grad Celsius erwärmen. Dies entspricht einem Anstieg der Schneegrenze um etwa 200 Meter vom heutigen Status quo. In den allermeisten klassischen Skigebieten werden diese Veränderungen kaum spürbar sein. Die Wissenschaft ist bei weitem optimistischer als der durchschnittliche Laie. Warum gilt beim Skifahren nicht der Grundsatz "follow the science"?

Und was ist mit dem technischen Schnee?Die technische Beschneiung hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten schneller entwickelt, als sich das winterliche Klima erwärmt hat. Aus diesem Grund sind die Skisaisonen in den Alpen und in den deutschen Mittelgebirgen in dieser Zeit markant länger und stabiler geworden. Dabei ist die technische Beschneiung besser und sauberer, als allgemein vermutet wird. Hier ein paar Stichworte: Die "urban legend" vom horrenden Wasserverbrauch hält sich hartnäckig. Dabei wird lediglich Wasser in Schnee umgesetzt. Es kehrt nach der Schneeschmelze in den natürlichen lokalen Kreislauf zurück. Die Legende vom Wasserverbrauch wird von politischen Playern und NGOs emotional bis zum Siedepunkt gekocht, in der Wissenschaft jedoch kaum diskutiert. Beim Energieverbrauch der Schneeerzeuger wird häufig ein kleines Detail vergessen: eine durchschnittliche "Kanone" läuft nur etwa 155 Stunden im Jahr. Das heißt, die Schneeerzeuger arbeiten knapp eine Woche pro Jahr, während sie über 51 Wochen stillstehen. Mehr als 90 Prozent der Skigebiete haben einen Ökostromvertrag abgeschlossen.

Emotionaler Mythos

Ein sehr beliebter und emotionaler Mythos ist jener vom negativen Einfluss der technischen Beschneiung auf die alpine Flora und Fauna. Tatsächlich gibt es viele Studien von renommierten Wissenschafterinnen und Wissenschaftern beispielsweise an der Universität für Bodenkultur in Wien, welche keine negativen Auswirkungen der technischen Beschneiung auf die alpinen Bergwiesen finden konnten.

Nicht die modellierten Temperaturerhöhungen – Stichwort ÖKS-15-Szenarien – bedrohen die Zukunft des Skifahrens, sondern die von der Wissenschaft stark entkoppelte negative Erwartungshaltung einer schneelosen Zukunft. Wenn die aktuelle Elterngeneration das Skifahren nicht mehr an die nächste Generation weitergibt, weil sie heute nicht an eine Zukunft des Winters glaubt, dann werden wir eine klassische selbsterfüllende Prophezeiung erleben: Dann wird das Skifahren bis 2050 einen markanten Bedeutungsverlust erleben, obwohl der Schnee noch ausreichend vorhanden sein wird. Wir können das verhindern, indem wir endlich auch in der verkorksten Skitourismusdiskussion auf die Wissenschaft – das heißt: auf empirisch bewiesene, nachprüfbare Fakten – hören. "Follow the science, please!" (Günther Aigner, 26.12.2022)