War schon als U-Ausschuss-Vorsitzender sehr umstritten: Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka.

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Der U-Ausschuss untersucht mehr als ein Jahr lang mutmaßliche ÖVP-Korruption – und am Ende steht im offiziellen Verfahrensbericht die Empfehlung, dass Medien in ihrer Berichterstattung eingeschränkt werden sollen: So etwas kann eigentlich auch nur in Österreich passieren.

Verfasst hat den Bericht der von allen anderen Parteien mehrfach zum Rücktritt aufgeforderte U-Ausschussvorsitzende Wolfgang Sobotka (ÖVP), nachdem er ihn vom unabhängigen Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl vorgelegt bekommen hat.

Es ist mehr als dreist, als Ergebnis eines U-Ausschusses die Schaffung eines Strafbestands zu fordern, der investigativen Journalismus und damit die Bildung einer Meinung über politische Vorgänge in der Bevölkerung erschwert. Es ist auch eine Themenverfehlung. Es steht weder Sobotka noch Pöschl zu, die Arbeit der Medien in ihrem Bericht anzusprechen.

Dieser U-Ausschuss beschäftigte sich mit Postenkorruption, mit Inseratenvergaben, mit manipulierten Umfragen und mutmaßlichen Interventionen in Steuerverfahren reicher Unternehmer; aber eben nicht mit medialer Berichterstattung über Strafverfahren – nicht einmal mit Leaks aus der Justiz.

Dass auch die Umsetzung eines Informationsfreiheitsgesetzes empfohlen wird, ist fast zynisch. Kein Wort findet sich darüber, wie Politikerinnen und Politiker künftig ihre Chats archivieren sollten und wie Journalisten und später Historiker Regierungshandeln rekonstruieren sollen, wenn alles nur "privat" auf Messengerdiensten ausgeschnapst wird.

Türkise Mechanismen

Abseits davon, dass die Forderung nach einem Aktenzitierverbot nicht angebracht ist, ist sie inhaltlich eine schlechte Idee. Es ist schon klar, dass die ÖVP gerne Berichterstattung über Chats verbieten würde, zu deutlich hat "Kriegst eh alles, was du willst" und "Ich liebe meinen Kanzler" die türkisen Mechanismen angedeutet.

Aber praktisch ist ein Aktenzitierverbot nicht umsetzbar. Soll die Bevölkerung nicht mehr erfahren dürfen, welche Vorwürfe gegen Politiker auf dem Tisch liegen? Abgesehen davon würde das dann auch für die Berichterstattung über Gewaltverbrechen und den Missbrauch pädokrimineller Darstellungen gelten, um an einen anderen prominenten aktuellen Fall zu erinnern.

Das ist nicht mit der Pressefreiheit zu vereinen. Also würde wohl eine abgeschwächte Version kommen, die wie das deutsche Aktenzitierverbot ein sogenannter Gummiparagraf ist, den man ohnehin sehr weit dehnen kann. Dann wird halt nicht direkt zitiert, sondern umschrieben – und ob kurze Chats wirklich von einem Zitierverbot umfasst wären, würden wohl erst jahrelange juristische Auseinandersetzungen zeigen.

Übrig bleibt, dass die ÖVP und Wolfgang Sobotka wieder einmal eine wichtige Institution wie den U-Ausschuss missbrauchen, um unpassende parteipolitische Forderungen zu erheben.

Die ÖVP kann jetzt sagen, das stünde im "offiziellen Bericht" des U-Ausschusses, in Wahrheit will das aber nur eine selbst massiv von Aktenzitierungen betroffene Partei, die in Umfragen auf Platz drei liegt. Warum sich der Verfahrensrichter dafür einspannen lässt, ist schwer zu beantworten. Vom Justizsystem geprägte Personen haben, was Aktenleaks betrifft, aber meist eine sehr konservative Ansicht. Die Öffentlichkeit sieht das zum Glück anders. (Fabian Schmid, 16.2.2023)