Nebenjobs können den "Verdacht nähren, der ORF wäre nicht objektiv", findet der von der FPÖ entsandte ORF-Stiftungsrat Niki Haas.

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Wien – Intensiv wird über das neue ORF-Gesetz mit einer Haushaltsabgabe statt der GIS in der Koalition verhandelt – zwischen ÖVP und Grünen, aber offenbar auch noch innerhalb der ÖVP. Der von der FPÖ in den ORF entsandte Stiftungsrat Niki Haas sieht im STANDARD-Gespräch bereits eine vertane Chance: "Die Regierung hat sich derartig lange Zeit gelassen, dass sie keine ordentliche ORF-Novelle zustande bringt, die eine breite politische Mehrheit findet."

Was wäre eine ordentliche ORF-Novelle aus der Sicht des freiheitlichen Stiftungsrats? Neue, zeitgemäße Möglichkeiten für den ORF im Streaming jenseits von Sieben-Tage-Beschränkungen für den Abruf von Inhalten. "Es ist für das Unternehmen wichtig, dass man solche Anachronismen hinter sich lassen kann", sagt Haas.

"Zwitterdasein halb öffentlich-rechtlich, halb privat"

Eine ordentliche ORF-Novelle würde auch eine "genauere Abgrenzung des öffentlich-rechtlichen Auftrages" erfordern, findet der Stiftungsrat: "Es wäre eine Chance auf einen kleineren ORF als heute, aber dafür einen öffentlich-rechtlichen ORF. Der ORF könnte so sein Zwitterdasein hinter sich lassen, halb öffentlich-rechtlich und halb privat zu sein", sagt Haas: "Private Teile des ORF könnte man dann tatsächlich privatisieren."

Welche Teile des ORF sind aus der Sicht des Stiftungsrats privat einzuordnen? US-Unterhaltungsserien und Blockbuster würden etwa darunter fallen, zählt Haas auf. Aber auch wenn er Ö3 hört, findet er dort nur geringe Anteile öffentlich-rechtlicher Inhalte. Am anderen Ende der Skala verortet Haas ORF 3, das die meisten öffentlich-rechtlichen Inhalte biete.

"So lange am linearen Fernsehen festhalten?"

Für Haas stellt sich die Frage, ob der ORF im Jahr 2023 "überhaupt so lange am linearen Fernsehen festhalten muss". Wenn im Zuge der anstehenden Sparmaßnahmen der lineare Spartenkanal ORF Sport Plus eingestellt, aber seine Inhalte als Streamingangebot weiter bestehen würden, wäre das für ein junges, sportbegeistertes Publikum eine sinnvolle Lösung.

Die für 2024 geplante Haushaltsabgabe, unabhängig vom Empfang, statt der GIS lehnt die FPÖ ab, sie hat gerade eine Petition gegen die "Zwangsabgabe" aufgelegt und sammelt Unterschriften.

"Um öffentliche Finanzierung von Inhalten ansuchen"

Die FPÖ hat sich für eine Budgetfinanzierung des ORF ausgesprochen, Haas spricht von einer "intelligenten Budgetfinanzierung". Wie könnte die aussehen? "Man kann überlegen, ob der ORF nicht wie andere Medienunternehmen um eine öffentliche Finanzierung von öffentlich-rechtlichen Contents ansuchen muss." Haas geht davon aus, dass "der ORF mit seinen Inhalten das meiste abschöpfen kann". Übergangsregelungen könnten hier die Finanzierungssicherheit garantieren.

Donnerstag berät wieder der ORF-Stiftungsrat, das oberste Entscheidungsgremium des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich. Haas hat Anfragen an ORF-Chef Roland Weißmann gerichtet, etwa über die ORF-Pensionen und die Rückstellungen dafür in derzeit noch dreistelliger Millionenhöhe.

Mit den Anfragen wolle er darauf drängen, "auch wirklich alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um im ORF-Konzern zu sparen", sagt Haas – und eben auch nach den aus seiner Sicht "anachronistischen" Pensionsregelungen. Der Rechtsanwalt räumt allerdings ein, dass es schwer möglich sei, aus diesen vertraglichen Vereinbarungen herauszukommen.

"Nährt Verdacht, ORF wäre nicht objektiv"

Wie sieht Haas die Nebentätigkeiten von ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern, mit denen die "Kronen Zeitung" am Mittwoch titelte? Anlass: Donnerstag dürfte ORF-General Roland Weißmann dem Stiftungsrat eine Ethikkommission vorstellen, die ein neues Regelwerk für die ORF-Belegschaft und auch ihre Nebentätigkeiten prüfen und erarbeiten soll.

"Ich habe das Thema immer wieder angesprochen", sagt Haas: "Meines Erachtens sollten ORF-Stars einen Teil des Umsatzes an den ORF abführen, den sie vor allem dank ihrer Bildschirmprominenz erwirtschaften."

Mit Blick auf die Moderation von Vera Russwurm beim Wahlkampfauftakt der ÖVP Niederösterreich fragt sich Haas: Wenn Menschen wie Vera Russwurm mit dem ORF in Verbindung gebracht werden, ist es in der Außenwirkung vernünftig, dass sie solche Wahlveranstaltungen moderieren? Das nährt den Verdacht, der ORF wäre nicht objektiv."

Auch wenn ORF-Mitarbeiter mehrfach bei Unternehmen moderierten oder Vorträge hielten, die zum Thema der ORF-Berichterstattung werden können, fragt sich Haas: "Wie unabhängig können sie ihre Aufgabe dann wahrnehmen?"

"Regelwerke ohne konkrete Rechtsfolgen" wirkungslos

Rechtsanwalt Haas sieht Regelwerke, "wie immer sie heißen", skeptisch, "wenn es wie bei den Social-Media-Vorgaben keine konkreten Rechtsfolgen gibt. Dann haben sie wenig bis keine Wirkung."

Die Zeit für eine ORF-Novelle drängt, weil der Verfassungsgerichtshof die GIS-Finanzierung des ORF mit Ausnahmen für Streamingnutzung mit Ende 2023 als verfassungswidrig aufgehoben hat. Mit 1. Jänner 2024 braucht der ORF laut Höchstgericht eine neue, unabhängige Finanzierung, die alle möglichen Nutzungswege beinhaltet. Geplant ist eine Haushaltsabgabe. (fid, 22.3.2023)