In Delhi schlägt sich eine Köchin, die nach ihrer Asylablehnung samt Tochter und Sohn aus Österreich abgeschoben wurde, mit den indischen Einreisebehörden herum. Im oberösterreichischen Haslach denkt der Wirt, bei dem sie bis vor wenigen Tagen gearbeitet hat, nun ans Aufhören: Am lokalen Arbeitsmarkt gibt es keine vermittelbaren Köchinnen und Köche.

Es fehlt der Mut, auch schon bei den Vorgängern von Innenminister Karner, die Widersprüche in der Asylproblematik zu überdenken.
Foto: Reuters / Leonhard Foeger

Im Innenministerium in Wien lobt Ressortchef Gerhard Karner (ÖVP) die Fahndungsmaßnahmen der Polizei gegen Schlepper, streicht Grenzkontrollen und Einsatz gegen die irreguläre Migration heraus. Im Hintergrund laufen derweil organisatorische Vorbereitungen auf einen Sommer, der in Österreich vermutlich wieder viele Asylanträge bringt – worauf die Grundversorgungsquartiere dann erneut knapp zu werden drohen. Aus Italien kommen währenddessen Hiobsbotschaften über Rekordzahlen anlandender Boatpeople.

Chronisches Scheitern

So weit die Schlaglichter auf den aktuellen Umgang mit Asyl und Migration in Österreich und bei unseren Nachbarn. Es sind Momentaufnahmen aus einem Politikbereich, der über die Jahre und die sich wiederholenden Fluchtbewegungen hinweg von Ausweglosigkeit und Verwerfungen geprägt ist. Ein Bereich, in dem viel menschliches Leid mitspielt, von den Fluchtursachen über lebensgefährliche Schlepperrouten bis zu den illegalen, aber an etlichen europäischen Grenzen praktizierten Pushbacks.

Und dennoch fehlt seit vielen Jahren der Mut, die Widersprüche im Sinne effektiver und gleichzeitig humaner und menschenrechtskonformer Verbesserungsversuche zu überdenken – in Österreich, zwischen den Staaten und in der EU.

Tatsächlich vermittelt die Situation bei genauerer Betrachtung den Eindruck eines chronischen Scheiterns. Da missbrauchen Populisten das Flucht- und Migrationsthema inzwischen seit Jahrzehnten. Sie vereinfachen die komplexen, weil global verwobenen Ursachen und Wirkungsfolgen, schüren Ängste vor einem angeblichen Überranntwerden.

Versuche der Kanalisierung

Sie feiern Wahlerfolge und treiben den gesellschaftlichen Diskurs immer weiter nach rechts. Doch statt auf die immer wieder neuen Abschottungsankündigungen und Flüchtlingsauslagerungsversuche zu verzichten und stattdessen Neues auszuprobieren, bleiben die Verantwortlichen eisern bei ihren bisherigen Rezepten.

Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass es keine Lösung im Sinne einer Eindämmung gibt – und dass Flucht und Migration aus dem globalen Süden nach Europa ein Jahrhundertthema sind und bis auf Weiteres nicht enden werden.

Statt neuer Abhalterezepte braucht es in diesem Fall wohl eher Versuche der Kanalisierung. Eine Möglichkeit wären breite, legale Einwanderungsangebote für Menschen unterschiedlicher Qualifikation – auch wenn wir wissen, dass etwa in den USA die Existenz der Green Card nicht verhindert, dass es massive Fluchtbewegungen aus Mittelamerika gibt.

Wir müssten es also ausprobieren. In Österreich sollten wir das unbedingt tun, denn das Asyl- und Fremdenregime entwickelt sich zum Teil ins Absurde. Das Beispiel der indischen Köchin zeigt es: Um in ähnlichen Fällen keine Hoffnung aufkommen zu lassen, schneidet sich das Gastronomieland Österreich ins eigene Fleisch. Die dringend gebrauchte Köchin wurde in den Flieger verfrachtet. (Irene Brickner, 14.4.2023)