"Dieses ORF-Gesetz verschärft die Krise der Medien weiter", sagt Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter.

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Wien – Am Mittwoch präsentierte Medienministerin Susanne Raab und die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer das neue ORF-Gesetze. "Sehr besorgt" äußert sich der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) zum Entwurf der geplanten Digitalnovelle und warnt vor einer "medienpolitischen Fehlentwicklung".

"Aufgrund der dominanten Marktposition des ORF in vielen Bereichen – insbesondere als Marktführer im Digitalbereich – droht bei einer ungebremsten Ausweitung seiner digitalen Möglichkeiten ein massiver Einschnitt in der heimischen Medienvielfalt", sagt VÖZ-Präsident Markus Mair.

"Bei der Gesetzwerdung sind die politischen Akteure dazu angehalten, die gesamte österreichische Medienlandschaft im Auge zu behalten und für einen fairen Interessenausgleich zu sorgen." Der VÖZ und seine Mitglieder fordern weitere Gespräche im Zuge des Begutachtungsverfahrens ein. Dabei werde man "eine drohende weitere Wettbewerbsverzerrung auf dem Medienmarkt durch entsprechende Vorschläge und Maßnahmen zu verhindern suchen". Aufgrund der aktuell angespannten wirtschaftlichen Lage stehe die Medienvielfalt in Österreich auf dem Spiel, "dessen müssen sich die politischen Akteure bewusst sein", so Mair.

VIDEO: ÖVP-Medienministerin Susanne Raab und die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer präsentierten am Mittwoch den Entwurf für ein neues ORF-Gesetz.
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Der ORF begrüßt die beiden Gesetzesvorhaben. "Mit der Entscheidung für einen ORF-Beitrag (Haushaltsabgabe) ist eine wesentliche Grundlage für eine zukunftssichere Weiterentwicklung des ORF geschaffen. Die Finanzierung des ORF und seine Unabhängigkeit sind nachhaltig abgesichert. Mit der Digitalnovelle, die einen Kompromiss zwischen den Marktteilnehmern darstellt, können nun die Angebote für das Publikum in öffentlich-rechtlichen Kernbereichen gestärkt werden", sagt ORF-Generaldirektor Roland Weißmann.

"Es waren lange und harte, aber auch faire Verhandlungen, das Ergebnis ist vor allem im Sinn des Publikums, der ORF wird so digitaler, österreichischer aber auch für jeden zahlenden Haushalt günstiger. Der Transformationsprozess des ORF vom Public Service Broadcaster zur Public Service Plattform kann vorangetrieben und der ORF noch stärker zu einem ORF für alle Menschen in Österreich werden. Darüber hinaus freue ich mich, dass der Fortbestand des Radio- Symphonieorchesters gesichert ist". Trotzdem stehe der ORF "vor großen Herausforderungen und muss seinen Sparkurs konsequent fortsetzen".

"Nicht mehr Mittel als bisher"

Der künftige "ORF-Beitrag" in Höhe von 15,30 Euro (statt bisher 18,59 Euro) stelle "grundsätzlich sicher, dass der ORF jene Mittel erhält, die zur Umsetzung seiner gesetzlichen Aufträge erforderlich sind. Diese "Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags" sind gedeckelt und werden von der Regulierungsbehörde KommAustria überprüft. Sollten mit dem 'ORF-Beitrag"'künftig mehr Mittel eingehoben werden, werden diese auf ein Sperrkonto überwiesen, auf das der ORF keinen Zugriff hat", macht Weißmann aufmerksam und verweist darauf,, dass die ORF-Werbemöglichkeiten in den Bereichen Radio und Online weiter eingeschränkt werden. Weißmann: "Der ORF erhält also insgesamt nicht mehr Mittel als bisher".

VÖP: "Bundesregierung nimmt Kollateralschaden für den gesamten Medienstandort in Kauf"

"Das Gesetzespaket stärkt nicht den Medienmarkt als Ganzes, sondern in erster Linie den ORF", so die Reaktion der Privatsender, "dieser soll nicht nur weitreichende Online-Freiheiten erhalten, auch sein Budget wird deutlich erhöht, indem die Beitragspflicht ausgeweitet wird. Dass dadurch die Entwicklungsmöglichkeiten aller privaten Medien in Österreich signifikant beschränkt werden, und die Lebensgrundlage privater Radio- und TV-Sender noch stärker unter Druck gerät, nimmt die Regierung offenbar in Kauf".

"Der ORF ist bereits mit Abstand der größte Medienanbieter Österreichs, nicht nur im Rundfunk, sondern auch im Online-Bereich. Die geplante Stärkung seiner Dominanz schadet der Medienvielfalt in Österreich, vor allem mit Blick in die Zukunft. Das ist nicht sinnvoll und demokratiepolitisch problematisch", so Corinna Drumm, Geschäftsführerin des Verbands Österreichischer Privatsender (VÖP):

"Wir anerkennen die Bemühungen der Medienministerin um eine ausgeglichene Lösung.", sagt Christian Stögmüller, VÖP-Präsident und Geschäftsführer von Life Radio. "Dennoch stellt sich das Ergebnis für uns sehr dramatisch dar: Der ORF erhält mit der geplanten Gesetzesänderung das Geld und alle Freiheiten, um den privaten Rundfunkmarkt noch stärker an den Rand zu drängen."

Markus Breitenecker, stellvertretender VÖP-Präsident und Geschäftsführer von Puls 4 und Puls 24: "Der ORF sollte mit seinem Verhalten am Markt nicht die privaten Anbieter übermäßig konkurrenzieren dürfen, sondern er soll den Medienstandort aktiv fördern. Dazu gehört neben dem Bereich Content auch, dass der marktschädigende Druck des ORF im Werbemarkt durch gesetzlichen Eingriff reduziert wird. Die Umstellung und Ausweitung der ORF-Finanzierung bietet dafür eine Chance und ist eine EU-rechtliche Notwendigkeit."

Alexander Winheim von ServusTV: "Das Gesetzespaket stärkt den ORF und schwächt alle anderen Medien in Österreich. Wir fordern wirksame Gegenmaßnahmen, die die Finanzierbarkeit von privatem TV und Radio für die Zukunft besser absichern – allem voran ein Ende der intransparenten und marktschädigenden Durchrechnungszeiträume für ORF-Werbung."

Neos: Dieses ORF-Gesetz verschärft die Krise der Medien weiter

Wien – "Das ist keine Reform, das ist eine vergebene Chance", sagt Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter in einer ersten Reaktion auf die Präsentation des neuen ORF-Gesetzes. "So bekämpft die Regierung die schwere Krise, in der sich Österreichs Medien und damit unsere Demokratie befinden, nicht, so verschärft sie sie nur noch. "Dass künftig mehr Bewegtbild auf ORF.at sein muss und nur mehr 30 Prozent reiner Text sein dürfen, begrüßen wir daher. Ebenso wie das längst überfällige Ende der 7-Tage-Beschränkung. Aber das allein macht noch lange keine Reform", so Brandstötter.

"Für ein neues ORF-Gesetz hätte man zwingend den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag schärfen und neu definieren müssen, damit der ORF den großen Herausforderungen unserer Zeit adäquat begegnen kann, sagt sie. "Doch die Regierung hat sich gegen eine Gremienreform entschieden, gegen die Abschaffung der Landesabgabe, gegen die Abschaffung des Anhörungsrechts der Landeshauptleute", so Brandstötter. Kernauftrag des ORF sei es , qualitätsvolle Information zu liefern. "Und das ist nur möglich, wenn der Einfluss der Parteien im ORF endlich ein Ende hat und die Bundesregierung auch tiefgreifende Reformen anpackt, die weit über die Finanzierungsfrage und die Anzahl der Meldungen auf der Blauen Seite hinausgehen."

Leichtfried vermisst Zukunftskonzept und kritisiert Haushaltsabgabe

SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried ortet "massive Schwächen und insgesamt eine vertane Chance": "Bisher kennen wir noch keinen Gesetzesentwurf, sondern nur die Überschriften aus einer Pressekonferenz. Was jedenfalls völlig fehlt, ist ein Zukunftskonzept über die Aufgaben eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der digitalen Welt, in Zeiten von Fake News und Filterblasen. Dieser Debatte haben sich die Regierungsparteien erst gar nicht gestellt", kritisiert er.

Abgelehnt wird von der SPÖ die Form der Haushaltsabgabe: "Es fehlt eine soziale Staffelung und bei den Unternehmen werden personalintensive gegenüber kapitalintensiven benachteiligt und Arbeit somit teurer gemacht." Auch die Pläne in Sachen orf.at sieht Leichtfried skeptisch: "Auch wenn es positive Schritte gibt wie die – längst überfällige – Abschaffung der 7-Tage-Regel für die TVThek, ist es schon zu hinterfragen, ob diese massiven Einschränkungen des Angebots von orf.at zielführend sind", so Leichtfried, "die Reduzierung um zwei Drittel der Meldungen geht noch einmal deutlich über das hinaus, was ORF-Chef Weißmann vor kurzem angekündigt hat. Das Ergebnis ist: Mehr Leute – vor allem junge Menschen – werden für den ORF zahlen müssen, aber weniger geboten bekommen." (red, 26.4.2023)