"Das eine oder andere Mal nicht gerade diplomatisch und wahrscheinlich auch unangenehm": Georg Spatt über seinen Führungsstil bei Ö3.

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Die große Neuaufstellung der ORF-Radios steht bevor, und der Chef des größten Senders Ö3 geht: Ö3-Chef Georg Spatt hat seinen Abgang aus dem ORF am Montag kurz vor der Neupositionierung der ORF-Radioflotte offiziell gemacht. Spatt bestätigt nun Differenzen mit ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher – für diesen Job hatte sich der langjährige Radioprofi 2021 ebenfalls beworben.

"Nicht einfach"

"Mir ist schon klar, und das ist auch der Direktorin klar, dass das Thema auf dem Tisch liegt", sagte Spatt dem "Kurier" in Sachen Radiodirektorin: "Aber wir sind keine kleinen Kinder mehr. Mein Arbeitsverhältnis mit der Direktorin war zunächst nicht einfach." Seit 2002 habe er insgesamt fünf Radiodirektorinnen und Radiodirektoren gehabt, mit "wechselweise immer verschiedenen" Verhältnissen, "und genauso ist es jetzt auch". In der operativen Arbeit habe man "nicht wahnsinnig viel miteinander zu tun gehabt".

Bei der nun anstehenden strategischen Ausrichtung hatte man aber offenkundig einiges miteinander zu tun. Spatt war im Gespräch als eine Art strategischer Berater und Koordinator der ORF-Radioflotte, über seine Ablöse als Ö3-Chef wurde seit seiner Bewerbung und der Bestellung Thurnhers zur Direktorin spekuliert – so wie über Michael Pauser als Nachfolger, der früher in der Ö3-Programmgestaltung tätig war.

Neue Positionierung von Ö3 über FM4 bis Länderradios

Diese Woche soll es im ORF zur – von Thurnher im STANDARD-Gespräch für Mitte 2023 in Aussicht gestellten – Neuaufstellung der ORF-Radioflotte wesentliche Termine geben. Thurnher hatte im STANDARD-Interview im September 2022 Überlegungen bestätigt, FM4 zu einer Art jüngerem Ö3 zu machen, als eine Art Flankenschutz für den großen, für die Werbeeinnahmen wesentlichen Popsender des ORF. Thurnhers Ankündigung für den bisherigen Alternative-Sender des ORF sorgte für massive Proteste.

Ö3 mit seiner tragenden Rolle für die ORF-Werbeeinnahmen versucht in seiner bisherigen Ausrichtung ein weites Feld zu umspannen – und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten etwa stark vom früheren Image eines Wien-zentrierten Senders auf die Bundesländer zubewegt. Die jüngeren Hörer in den ländlicheren Regionen hat ORF-Generaldirektor Roland Weißmann in seiner Bewerbung 2021 als wesentliche Zielgruppe für den ORF definiert. In den Bundesländern hat der ORF seine grundsätzlich älter positionierten Regionalradios, die sich aber auch um Modernisierung bemühen. Das Programm von FM4 klingt langjährigen Stammhörern ein Stück breiter.

Ö3 hinter Privatradios

Ö3 fiel 2022 im Radiotest beim besonders werberelevanten Publikum unter 50 erstmals merklich hinter die in der RMS gemeinsam vermarkteten Privatradios zurück. Die kamen im Radiotest für das Gesamtjahr 2022 auf 42 Prozent aller gehörten Radiominuten beim jüngeren Publikum, Ö3 auf 35 Prozent. Ein Jahr davor stand das Match nach Marktanteilen bei der Werbezielgruppe noch 39 zu 37 für Ö3.

Werbebeschränkungen für Ö3

Ö3 spielt bisher mehr als 50 Millionen Euro pro Jahr mit Werbung ein, fast ein Viertel der klassischen Werbeerlöse des ORF mit TV, Radio und Online. Mit dem geplanten ORF-Gesetz werden die Werbezeiten in Ö3 von 172 auf 155 Minuten pro Tag gekürzt und die Möglichkeit beschränkt, saisonale Schwankungen auszugleichen. Das dürfte den ORF nach bisherigen Schätzungen zumindest zehn Millionen Euro Radiowerbeeinahmen kosten.

Führungsstil

Spatt weiß von Vorwürfen über seinen harten Führungsstil. Er räumt im "Kurier" ein, "sehr direkt" zu sein und "sicher das eine oder andere Mal nicht gerade diplomatisch gewesen und wahrscheinlich auch unangenehm" zu sein. Er habe gewiss viele unangenehme Entscheidungen getroffen, die immer wieder auch Personalentscheidungen waren. Spatt: "Neben dem Auftrag, am Publikums- und am Werbemarkt erfolgreich zu sein, habe ich auch immer den Auftrag für mich definiert, dass sich Ö3 ständig erneuern muss. Und das geht natürlich bei einem Medium wie dem Radio sehr stark über die handelnden Personen." (Harald Fidler, 10.5.2023)