Es war absehbar, dass es zu dieser fatalen Verknüpfung kommen würde. Mitglieder der Protestgruppe Letzte Generation sperrten mit ihren Sitzblockaden den Verteilerkreis in Wien ab, ein Rettungswagen kam nicht durch, ein 69 Jahre alter Mann starb.

Rasch war im Boulevard die Schlagzeile formuliert: "Rettungsauto bei Klima-Aktion blockiert – Patient tot". Der Zorn auf die jungen "Klimakleber" entlud sich einmal mehr mit Wucht in den sozialen Medien. Auf Twitter war von "Blut an den Händen" der Klimaaktivisten die Rede. In dieser heiß-aggressiven Stimmung gegen die Demonstrierenden interessierten die nachgelieferten Informationen, dass nämlich gar keine Kausalität zwischen der Blockade des Rettungswagens und dem Tod des Mannes herzustellen sei, kaum noch jemanden. Es wurde auch nicht mehr gehört, dass die Letzte Generation beschwor, dass bei jeder Blockade darauf geachtet werde, dass eine Rettungsgasse frei bleibe.

Schwierige Gratwanderung des Klimaprotestes: die Letzte Generation und ihre Straßenblockade-Aktion.
Foto: Reuters/Lisa Leutner

"Unsere Proteste stören den Alltag vieler Menschen. Sobald die Regierung einen Plan vorlegt, wie wir gemeinsam überleben können, stellen wir unsere Proteste mit sofortiger Wirkung ein", twittert die Letzte Generation. Sie meint es ernst, und das zu Recht.

Man muss nur einen kurzen Blick in jüngste Jugendstudien werfen, um zu erkennen, wie sehr junge Menschen Angst vor der Zukunft haben und dass gar nicht so wenige auf eigene Kinder verzichten wollen und sie arge Befürchtungen vor einem Klimakollaps haben, der sie treffen wird. Für ihre Proteste gehen sie ins Gefängnis und setzen sich am nächsten Tag wieder auf die Straße. Und das vorerst für die Minimalforderung eines niedrigeren Tempolimits auf Autobahnen – das ohnehin irgendwann kommen wird.

Grenzen des Protests

Aber bei all diesen berechtigten Forderungen an die Politik muss auch die Letzte Generation in sich gehen und sich kritisch hinterfragen: Wägt sie die Grenzen ihres Protests wohl ab, und berücksichtigt sie die Konsequenzen ihres Tuns im notwendigen Maß? Der aktuelle Fall eines verstorbenen Patienten ist eine Mahnung, innezuhalten und alles zu unternehmen, damit es nicht tatsächlich zu einem Todesfall kommt, weil Rettungskräfte behindert werden.

Wobei hier auch an den Rotkreuz-Chef Gerry Foitik erinnert werden sollte, der Politiker und Politikerinnen gewarnt hat: "Instrumentalisieren Sie uns und medizinische Notfälle bitte nicht weiter für die Kriminalisierung jener, die für einen starken Klimaschutz einstehen und dafür Bestimmungen der StVO verletzen. Wir werden oft von Staus oder rücksichtslosen Verkehrsteilnehmer:innen gebremst, das sind wir gewohnt und verlangen deshalb auch nicht gleich Gefängnisstrafen."

Es ist ohne Zweifel eine schwierige, riskante und gefährliche Gratwanderung des Klimaprotests, die auch einen neuen Keil zwischen die Generationen treibt. Deshalb wäre es längst Zeit, dass die Regierung die Zukunftsängste der jungen Generation ernst nimmt und sie zu sich an den Tisch holt. Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) verlangt zwar "ernsthafte Gespräche", aber nur über, wie sie sagt, "massive Strafverschärfungen". Das klingt noch nicht nach politischer Dialogbereitschaft.

Die wird aber notwendig sein. Die Proteste werden nicht aufhören. Denn, so empfinden es wohl die jungen Protestierenden: "Was haben wir schon zu verlieren als letzte Generation?" (Walter Müller, 11.5.2023)