Rosa, löchrige Hosen und Stunts. Das müsste sich im Grund nicht widersprechen, tut es aber laut den Kleinen oft offenbar.

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Erst lassen sich die Kinder einfach irgendwas anziehen, Hauptsache es kratzt oder zwickt nicht. Und plötzlich darf es für die Töchter nur mehr ein Kleid sein, auf keinen Fall eine Hose, in Blau schon gar nicht. Und für Söhne nur Hosen und dunkle Farben – das ist sowieso klar. Und das, obwohl sich die Mamas und Papas bemüht haben, ihren Kindern zu vermitteln: Alle Farben sind für alle da, Puppen und Bagger natürlich ebenso.

Doch das alles nützt offenbar nichts – die Buben raufen, während die Mädchen Kleinfamilie spielen. Auch User:innen erzählen, dass es ihnen oft so vorkommt, ab einem bestimmten Alter "müsse" es so sein.

Die Pädagogin und Autorin Susanne Mierau kennt von vielen Eltern solche Geschichten. "Laut der Neurobiologin Lise Eliot gibt es tatsächlich kleine Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen in Bezug auf kognitive Fähigkeiten, Schulleistungen, Motivation, Emotionen und Beziehungsstile", allerdings seien diese im Vergleich zum Einfluss der Gesellschaft gering.

"Mit vier oder fünf Jahren beginnen sich viele Kinder stärker einem Geschlecht zuzuordnen", sagt Mierau. Es sei das Alter, in dem Kinder mehr ihr Selbst definieren: "Was ist meine Position in der Gesellschaft? Wer bin ich? Und wie transportiere ich das nach außen?" All das spiele in diesem Alter oder beim Übergang zwischen Kindergarten und Schule für Kinder eine große Rolle.

"Paw Patrol" oder Prinzessin

"Das Gefühl, dazugehören zu wollen, ist ein innerer menschlicher Antrieb", sagt Mierau. Studien zeigen sogar, dass sozialer Ausschluss bei Menschen tatsächlich körperliche Schmerzen verursachen kann. Gruppenzugehörigkeit sei deshalb für Kinder enorm wichtig. Das drücken sie auch durch "Paw Patrol"-Shirts oder Prinzessinnenkleidchen aus. Geschlechterklischees werden von Kindern im Vorschulalter oft überspitzt, dies hängt laut Mierau auch damit zusammen, wie sie in der Gesellschaft oft dargestellt werden.

Auch gibt es noch immer zuhauf stereotype Spielangebote, auch im Kindergarten. Deshalb sei es wichtig, dass Kinder unterschiedliche Spielangebote bekommen und auch im Alltag in verschiedenste Bereiche eingebunden werden. "Buben können in verschiedene Sorgearbeiten in der Familie involviert werden und Mädchen bei Reparaturen", sagt Mierau.

Eine beschränkende Perspektive für Kinder auf ihre Selbstdarstellung oder ihre möglichen Interessen ist nur das eine Problem. Sich einfach zurückzulehnen, zu sagen, "Buben raufen nun mal", das andere. Buben würden so von Anfang an nicht lernen, mit starken Gefühlen wie Wut umzugehen, sagt Mierau.

Bei Mädchen sei man eher geneigt, ins Gegenteil zu gehen und ihnen beizubringen, Wut zu unterdrücken. Mierau: "Es ist sehr wichtig, Buben zu zeigen, dass sie sich auch anders ausdrücken können, als miteinander zu balgen und zu sagen, das sei bei Jungs halt normal." Dass sich Eltern angesichts eines stark gegenderten Konsumangebots, etwa martialischer Figuren für Buben und Einhörnern für Mädchen, oft auf verlorenem Posten fühlen, kann die Autorin nachvollziehen. Deswegen sei es so wichtig, sich zusammenzutun, um an den Strukturen etwas ändern zu können. Bei Elternabenden könne man sich austauschen und womöglich über gendersensible Materialen für die Schule oder den Kindergarten diskutieren. (Beate Hausbichler, 18.5.2023)